Bahnsen,
Julius Friedrich August, Philosoph, geb. 30. März 1830 zu Tondern in Schleswig-Holstein, studierte seit 1847 zu Kiel Philosophie und (unter Nitzsch) Philologie, kämpfte als Freiwilliger 1849 gegen die Dänen, flüchtete infolge der Entwaffnung der schleswig-holsteinischen Armee nach Tübingen, wo er für sich Schopenhauersche Philosophie studierte, wurde 1858 Lehrer am Gymnasium zu Anklam und 1862 am Progymnasium zu Lauenburg in Pommern, wo er 6. Dez. 1881 starb. hat als Jünger und Fortbildner Schopenhauers im Gegensatz zu E. v. Hartmann, welcher dessen Monismus mit dem Idealismus Hegels verschmolz, eine Verbindung desselben mit dem Individualismus versucht. Derselben zufolge ist zwar (wie bei Schopenhauer) der blinde und vernunftlose Wille das einzige Reale, jedoch nicht so, daß derselbe in den vielen (nur scheinbaren) Individuen derselbe, sondern so, daß derselbe ebenso vielfach wie die vielen (wirklichen) Individualitäten ist, deren (unveränderliches) Wesen in deren (unveränderlicher) Willensnatur, in ihrem (intelligibeln) Charakter besteht. Dieser charakterologischen und charakterographischen Seite seiner Lehre sind Bahnsens »Beiträge zur Charakterologie. Mit besonderer Berücksichtigung pädagogischer Fragen« (Leipz. 1867, 2 Bde.), die Abhandlung, »Zum Verhältnis zwischen Willen und
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Motiv« (Stolp 1870) und die »Mosaiken und Silhouetten. Charakterographische Situations- und Entwickelungsbilder« (Leipz. 1877) gewidmet. Da nun das Wesen der Unvernunft im Widerspruch, jenes des unvernünftigen Willens insbesondere in dem gleichzeitigen Bestehen einander anschließender Willensrichtungen besteht, so folgt, daß nicht nur die Realität ein ununterbrochener Kampf realer Gegensätze (Realdialektik), sondern auch das Innere jedes Individuums unlöslichem Zwiespalt entgegengesetzter Willensrichtungen (Willenskollision) verfallen, das Gesetz dieser Welt daher eine tragische Weltordnung sei. Die realdialektische Seite seiner Lehre hat in der Abhandlung »Zur Philosophie der Geschichte« (Berl. 1871) und in seinem Hauptwerk: »Der Widerspruch im Wissen und Wesen der Welt« (das. 1880-82, 2 Bde.), die tragische Frucht derselben in seiner Festschrift zum Tübinger Jubiläum: »Das Tragische als Weltgesetz und der Humor als ästhetische Gestalt des Metaphysischen« (Leipz. 1877) niedergelegt, welche, wie seine frühern Schriften, durch Paradoxie des Gedankens und barocken, oft schneidigen Humor des sprachlichen Ausdrucks bemerkenswert sind. Vgl. Hartmanns (eines Gegners von Bahnsen) Aufsatz: »Ein Jünger Schopenhauers« (in »Unsre Zeit« 1876).