Titel
Zwickau
[* 2] 1) Kreishauptmannschaft des Königreichs Sachsen, [* 3] früher Kreisdirektion, grenzt im SO. an Böhmen, [* 4] im SW. an Bayern [* 5] und im NW. an das Herzogtum Altenburg [* 6] und das Fürstentum Reuß [* 7] (s. Karte: [Sachsen] [Königreich]. I. SüdlicherTeil ) und besteht zu seinem größten Teil aus Bergland, welches sich im S. zum Erzgebirge (Fichtelberg 1204 m, Auersberg 1002 m) und Elstergebirge erhebt. Hauptflüsse sind: Weiße Elster, Zwickauer Mulde, Schwarzwasser, Flöha und Zschopau, deren Thäler außerordentlich fruchtbar sind und Getreide [* 8] und Obst liefern.
Für das Erzgebirge ist der Flachsbau wichtig, vor allem aber der alte Bergbau [* 9] auf Erze und Kohlen, der eine bedeutende Industrie hervorgerufen hat. Besonders entwickelt sind Baumwoll- und Wollweberei, Strumpfwirkerei, Seidenweberei, Flachsspinnerei, Bleicherei, Färberei, Appretur, Druckerei, Maschinenbau und Eisengießerei, [* 10] daneben Fabrikation von Blechwaren, Löffeln, Nägeln, Gold- und Silberdrahtwaren, ferner Holzschnitzerei, Serpentindreherei, Bürsten- und Korbmacherei, Weißstickerei, Musselinweberei, Handschuhnäherei und Spitzenklöppelei (s. Annaberg). [* 11]
Die Kreishauptmannschaft hat 4619 qkm und (1895) 1 389 672 (668 067 männl., 721 605 weibl.) E., 59 Städte mit 541,59 qkm und 656 779 (313 817 männl., 342962 weibl.) E. und 727 Landgemeinden mit 4077,41 qkm und 732 893 (354 250 männl., 378 643 weibl.) E., 109 384 bewohnte Hausgrundstücke, 293 576 Haushaltungen von 2 und mehr Personen, mit 1 352 982 Haushaltungsmitgliedern, 20 718 einzeln lebende Personen und 856 Anstalten, Gasthäuser und Herbergen mit 15 972 Insassen. Unter der ortsanwesenden Bevölkerung [* 12] sind 1 352 555 Evangelische, 29 692 Katholiken, 5716 andere Christen, 1648 Israeliten und 64 andere. 1896 waren vorhanden 7568 Fabrikanlagen, darunter 2918 mit Dampfbetrieb, 2652 mit sonstigen und 1998 ohne Motoren, 4439 feststehende Dampfmaschinen [* 13] mit 118 419 durchschnittlich geübten Pferdestärken. Die Zahl der beschäftigten Arbeiter betrug 206 912 (128 226 männl., 78 686 weibl.), davon unter 14 J. alt 744 (446 männl., 298 weibl.), über 14 bis 16 J. alt 18 698 (9556 männl., 9142 weibl.).
Die Kreishauptmannschaft zerfällt in 11 Amtshauptmannschaften :
Amtshauptmannschaften | qkm | Bewohnte Hausgrundstücke | Einwohner | Einw. auf 1 qkm | Evangelische | Katholiken | Israeliten |
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Chemnitz (Stadt) | 24,30 | 4711 | 161017 | 6626 | 151803 | 6939 | 995 |
Annaberg | 433,62 | 8317 | 101547 | 234 | 98588 | 2572 | 114 |
Auerbach | 426,52 | 3744 | 88357 | 207 | 86546 | 1564 | 39 |
Chemnitz (Land) | 488,07 | 13608 | 186063 | 381 | 181765 | 3796 | 19 |
Flöha | 404,44 | 7476 | 81581 | 202 | 80607 | 748 | 35 |
Glauchau | 316,05 | 12818 | 141910 | 449 | 139555 | 1862 | 69 |
Marienberg | 404,49 | 6533 | 61926 | 153 | 61048 | 685 | 7 |
Ölsnitz | 457,08 | 7131 | 62768 | 137 | 61384 | 1329 | 36 |
Plauen | 542,53 | 12459 | 152155 | 280 | 147721 | 3570 | 185 |
Schwarzenberg | 511,47 | 9190 | 108375 | 212 | 106137 | 1712 | 42 |
Zwickau |
610,43 | 17892 | 243973 | 400 | 237391 | 4915 | 107 |
2)
Amtshauptmannschaft in der Kreishauptmannschaft Zwickau
(s. obige
Tabelle). -
3) Hauptstadt
Textfigur: Stadtwappen ZwickauderKreis- und Amtshauptmannschaft Zwickau, am linken Ufer der Zwickauer Mulde, in 267 m Höhe am Fuß des Erzgebirges, an den Linien Dresden-Reichen-bach, Werdau-Schwarzenberg und Zwickau-Falkenstein-Ölsnitz der Sächs. Staatsbahnen, ist Sitz der Kreis- und der Amtshauptmannschaft, eines Landgerichts (Oberlandesgericht Dresden) mit Kammer |
für Handelssachen und |
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¶
mehr
1062 16 Amtsgerichten (Crimmitschau,
[* 15] Eibenstock,
[* 16] Glauchau,
[* 17] Hartenstein, Hohenstein-Ernstthal, Johanngeorgenstadt, Kirchberg,
Lichtenstein, Lößnitz, Meerane,
[* 18] Schneeberg, Schwarzenberg, Waldenburg,
[* 19] Werdau,
[* 20] Wildenfels, Zwickau
), eines Amtsgerichts, Kreissteuerrates,
Hauptsteuer-, Aichamtes und Bezirkskommandos und hatte 1832: 6127, 1855: 16 052, 1867: 24 509, 1880: 35 005, 1895 einschließlich
des 1895 einverleibten Dorfes Pölbitz 50 391 (25 839 männl., 24 552 weibl.)
E., darunter 2161 Katholiken und 71 Israeliten, in Garnison das 9. Infanterieregiment Nr.
133, Postamt erster Klasse mit zwei Zweigstellen, Telegraphenamt erster Klasse, Fernsprecheinrichtung und elektrische Straßenbahnverbindung
mit dem nahen Schedewitz und Marienthal.
Die spätgot. Marienkirche, 1118 geweiht, vielfach umgebaut, 1885 - 91 restauriert (700000 M.) und mit 70 Statuen an der Außenseite geschmückt, hat einen Turm [* 21] (87 m) mit einer großen Glocke (115 Ctr.), im Innern Gemälde, darunter eines von Cranach dem Jüngern, einen Flügelaltar von Michael Wohlgemuth (1479), ein kostbares Crucifix [* 22] von Bergkrystall und ein kunstvolles Holzschnitzwerk, ein sog. heiliges Grab darstellend, wahrscheinlich von Veit Stoß (1501);
die got. Katharinenkirche, 1893-94 erneuert, mit einem Altargemälde von Cranach dem Ältern;
die Moritzkirche, ein Ziegelrohbau mit Vierungsturm (1893) u. a., Methodistenkirche, kath. Kirche (1889);
das Rathaus mit dem reichen städtischen Archiv (Urkunden bis zum 13. Jahrh, und Handschriften der Werke von Haus Sachs), das Gebäude der Kreishauptmannschaft (1838), das Gewandhaus (1522) mit städtischem Theater, [* 23] die Gebäude des Kunstvereins, mit Gemäldesammlung, des Landgerichts (1879), Amtsgerichts und der Post.
Ein Denkmal an der Dresdener Straße erinnert an das siegreiche Gefecht des Colombschen Freikorps gegen franz. Kolonnen (1813), Denkmäler des Fürsten Bismarck und Rob. Schumanns.
Ferner besitzt die Stadt ein Gymnasium mit der Stadtbibliothek (20000 Bände und wertvolle Handschriften), Realgymnasium, seit 1897 verbunden mit einer lateinlosen Realschule, eine höhere und sechs andere Bürgerschulen, kath. Schule, zwei Handels-, eine Bergschule, gewerbliche Fortbildungsschule, Ingenieurschule und mehrere Innungsfachschulen, eine Mineralog.-geolog. Sammlung (Richter-Stiftung), ein Bürgerhospital, Garnisonlazarett, Kreis- und städtisches Krankenhaus, [* 24] Diakonissenbaus, Waisenanstalt, zwei Armenhäuser, eine Landesstrafanstalt, seit 1770 indem Schloß Osterstein (1587-90), zwei ältere, ein neues Wasserwerk, Kanalisation, zwei städtische Gaswerke, elektrische Beleuchtungsanlage, Vieh- und Schlachthof, städtische Sparkasse, Reichsbanknebenstelle, Filiale der Sächsischen Bank, Zwickauer Bank, Vereinsbank, Handels-, Getreideund Produktenbörse.
Die bedeutende Industrie erstreckt sich auf Maschinenbau, Baumwollspinnerei und Fabrikation von chem. Produkten, Porzellan,
Papier, Glas,
[* 25] Farbwaren, Draht-und Hanfseilen, Kokoswaren, Handschuhen, Strumpfwaren, engl. Gardinen, Segeltuch,
Drahtnägeln, Zimmerfontänen, Sicherheitslampen, Goldschlägerformen, Sieben und Geflechten, Metall- und Blech-, Neusilber-
und Alfenidewaren, Rohrflanschen, Fässern, Dachpappe, Asphalt und Holzcement, Steinzeugwaren, Gußsteinen, Papierstuck, Portefeuillewaren,
Malz, Senf und Seife; ferner bestehen eine große Kammgarnspinnerei, Dampfsteinschneiderei, Diamant- und Glas schleiferei,
Dampfmühlen,
Dampfsägewerke, Ziegeleien und Brauereien, Getreide-, Ziegel-, Holz- und Steinkohlenhandel.
Zwickau
ist Sitz der 3. Sektion der Sächf.Baugewerks- und der 7. der Knappschafts-Berufsgenossenschaft.
Die Steinkohlenlager (19 Werke mit 55 Schächten, bis zu 730 m Tiefe), die Quelle
[* 26] der Wohlhabenheit der Stadt und Umgegend,
befinden sich im Weichbild der Stadt und in den Fluren der Nachbardörfer Niederplanitz, Cainsdorf, Schedewitz,
Marienthal links, Bockwa, Oberhohndorf und Reinsdorf rechts von der Mulde. Ihr Abbau wird schon 1348 erwähnt, aber erst seit 1823 wird
der Abbau lebhafter betrieben. Die Produktion belief sich 1896 im Berginspektionsbezirk Zwickau
auf 2 580 132 t im
Wert von 23,5 Mill. M. und beschäftigte 379 Beamte und 11 067 Arbeiter.
Auch in der Umgebung befinden sich großartige Fabriketablissements, so in Cainsdorf (s.d.), in Marienthal (s. Bd. 17), in
Crossen
[* 27] (1323 E.) Fabriken für Cellulose, Holzstoff
[* 28] und Papier und eine Dampfmühle, in Schedewitz (s. d.),
in Lichtentanne (2821 E.) ein großes Eisenhüttenwerk (Maximilianshütte), in Oberhohndorf (1664 E.)
eine Porzellanfabrik, in Wilkau (s. d.). Bei Niederplanitz (s.d.) war früher
ein schon seit Jahrhunderten bekannter unterirdischer Kohlenbrand, dessen Hitze zur Treibgärtnerei benutzt wurde. - Zwickau
, eine
Gründung der Sorben, wurde zwischen 1192 und 1212 zur Stadt erhoben.
Die Reichsunmittelbarkeit, welche die Stadt 1290 erhalten hatte, verlor sie 1348 und kam mit dem Pleißnerland
wieder an das Haus Wettin. Von 1348 datiert auch das alte Stadtrecht Z.s. Die Reformation fand schon 1521 Eingang, doch nahm
die Bewegung unter der Führung der «Zwickauer Propheten» (s. Wiedertäufer ), an deren Spitze Thomas Münzer, der Prediger der
Katharinenkirche, stand, eine schwärmerische Richtung an, so daß dieser 1521 seines Amtes entsetzt wurde.
Die Aufregung wurde erst durch den Aufenthalt Luthers in Zwickau
(28. April bis besänftigt. -
Vgl. Herzog, Chronik von Zwickau (2 Bde., Zwick. 1839-45);
ders., Geschichte des Zwickauer Steinkohlenbaues (Dresd. 1852);
ders., Geschichte des Zwickauer Gymnasiums (Zwick. 1869);
Mitteilungen des Altertumsvereins für Zwickau und Umgegend (ebd. seit 1887);
Beschreibende Darstellung der ältern Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen.
Bd. 12: Amtshauptmannschast Zwickau' (Dresd. 1889).