Zweisimmen
(Kt. Bern,
Amtsbez. Ober
Simmenthal). 961 m. Gem. und Dorf, Hauptort des Bezirks, stattlicher
Flecken mit vielen zerstreuten
Häusergruppen, im breiten, flachen Thalgrunde, am Zusammenfluss der Kleinen und Grossen
Simme. Endstation der Linie
Spiez-Zweisimmen,
Anfangsstation der elektrischen Bahn Zweisimmen
-Montreux mit Abzweigung von
Montbovon nach
Bulle, und der
künftigen Bahn nach
Lenk. Knotenpunkt der drei
Strassen von
Saanen,
Lenk und
Thun.
Postwagen nach Lenk; Postbureau, Telegraph, Telephon. Zusammen mit Bettelried, Blankenburg, Grubenwald, Hofstätten, Laubegg, Lehn, Steinegg, Mannried, Heimersberg, Heimersmad, Oberried, Oeschseite, Hinter- und Vorder Richenstein, Altenried, Bolgen, Grossenmatten, Gwatt, Halten, Hübeli, Mosenried, Obegg, Riedli, Weiermatten: 378 Häuser, 2072 reform. Ew.; Dorf: 64 Häuser, 416 Ew. Land- und Alpwirtschaft, Viehzucht, Fremdenindustrie. Sägewerk; Baugeschäft; viel Kleinhandel.
Station für Sommer- und Wintersport, Holzhandel. Zentrum des obersimmenthalischen Viehhandels, stark besuchte Viehmarkte,
besonders im September. Elektrisches Licht. Hydrantenanlage; Sekundarschule, Bezirkskrankenhaus. Der Amtssitz befindet sich
im
Schlosse
Blankenburg, das 2 km von Zweisimmen
, an der Strasse nach
Lenk, liegt. Das Dorf erhebt sich
an beiden Ufern der Kleinen
Simme; sein oberer Teil ist amphitheatralisch gegen den Eingang des
Thales an den sanften Hängen
des Rinderbergs und des
Hundsrücks ansteigend.
Steiler ist die jenseitige, vom Dorfe durch die fast 2 km breite
Ebene der Grossen
Simme getrennte, ö.
Thalwand, über der die Zacken der
Spillgerten emporragen. Auf dem rechten Ufer der Kleinen
Simme sind die beiden Bahnhöfe,
wo sich an die Normalbahn
Spiez-Zweisimmen die elektrische Schmalspurbahn anschliesst. Auf dem linken Ufer liegt das Dorfquartier
Tüll, wo sich die Strasse über die
Saanenmööser und gegen
Obegg von der Hauptstrasse abzweigt. Im
Oberdorf,
das sein ländliches Gepräge besser erhalten hat als der Teil gegen den Bahnhof, steht die alte Kirche mit typischem Glockenturm;
sie enthält mehrere Grabmäler ehemaliger bernischer Amtsleute, sehenswerte Holzschnitzereien und wertvolle Glasgemälde
aus dem 16. Jahrhundert. In der ehedem sumpfigen
Ebene zwischen Zweisimmen
und
Mannried befindet sich ein
kürzlich erstellter, künstlicher
See mit Fischzuchtanstalt.
Die Gegend ist schon sehr früh bewohnt gewesen, wie die zahlreichen Burgstellen beweisen, wie
Mannenberg, das gegenüberliegende
Steinegg, Richlenstein und
Blankenburg. Auch der Name
Tüll weist auf eine ehemalige Befestigung hin. Die
meisten Oertlichkeiten der Gemeinde Zweisimmen
werden urkundlich schon im 13. und 14. Jahrhundert erwähnt. Sie gehörten
verschiedenen
Herren,
wie den
Strättligen, den
Weissenburg, den
Raron, den
Düdingen, den
Greierz. Als Pfarrei des Bistums
Lausanne
wird Zweisimmen
erstmals 1228 und zwar mit dem lateinischen Namen Duessimenes genannt.
Diese Parrochie, deren Patronat 1335 von den Edlen von
Strättligen an das Kloster
Interlaken überging,
bei dem es bis zur Reformation verblieb, umfasste das ganze obere
Simmenthal. Im Jahre 1433 trennte sich
St. Stephan ab, von
dem sich 1504
Lenk ablöste. Schon 1349 hatten sich die
Berner vorübergehend Zweisimmens
bemächtigt; 1386 eroberten sie es
definitiv und machten daraus, indem sie noch
St. Stephan und
Lenk und 1391
Boltigen hinzufügten, die Landvogtei Ober
Simmenthal.
Der Kastellan (Vogt) residierte auf
Schloss
Blankenburg. Unter den Kastellanen ist Niklaus Zurkinden († 1509) erwähnenswert,
der im Jahre 1476 an der
Spitze einer Heeresabteilung den
Col de Jaman überschritt, in das savoyische
Gebiet drang und
La Tour de Peilz und
Vevey eroberte und
verwüstete. Die Reformation wurde durch Peter Kunz von
Erlenbach,
im Nieder
Simmenthal, eingeführt, der 1528 einige Zeit in Zweisimmen
wirkte. Während der Refugientenzeit (1685-1700) hielten
sich in Zweisimmen
und Umgebung viele waldensische Flüchtlinge auf, so dass 1687 einige Zeit auch französisch
gepredigt wurde.
Auffallend ist das Vorkommen lokaler Erdbeben in den Jahren 1578, 1581, 1693, 1767, 1855 und 1885. Grosse Verheerungen richtete
die Pest 1561, 1565 und 1577 an. Im Jahre 1799 war Zweisimmen
der Mittelpunkt einer gegen die helvetische Republik gerichteten
Gegen-Revolution. Am zerstörte ein
Brand 32
Häuser. In den letzten Jahren hat sich Zweisimmen
bedeutend entwickelt, dank der Fortsetzung der Bahn von
Erlenbach bis Zweisimmen
(1902) und der Verbindung mit dem Genferseebecken
durch die elektrische Schmalspurbahn.
Bibliographie. D. Gempeler-Schletti. Heimatkunde des Simmenthals. Bern 1904. - L. v. Tscharner. Die Obersimmenthalische Herrschaft Mannenberg. Bern 1907.