Titel
Zürich
,
[* 2] einer der nordöstlichen Kantone der Schweiz, [* 3] grenzt im O. an Thurgau und St. Gallen, im S. an Schwyz und Zug, im W. an Aargau, im N. an Baden [* 4] und den Kanton Schaffhausen [* 5] und hat eine Fläche von 1725 qkm (31,3 QM.). In der Schweizer Hochebene gelegen, lehnt er nur im SO. sich entschieden dem Bergland an; hier erreicht er das Maximum seiner Erhebung im Schnebelhorn (1295 m), während der tiefste Punkt bei Kaiserstuhl [* 6] am Rhein liegt (332 m). Dem entsprechend, neigt sich das Land, wie die Fluß- und Thalrinnen zeigen, durchaus nach NW. zum Rhein, zu dessen Gebiet der ganze Kanton gehört.
Der voralpine Südosten, inbegriffen seine Vorstufen, bildet das Oberland, und seine beiden Flüsse [* 7] Töß und Aa (oder Glatt), am entschiedensten die letztere, treten nach NW. in die freiere Hochebene hinaus, wo das Ackerbau treibende Unter- oder Bauernland (um Bülach) sich ausdehnt. Dieselbe Richtung nehmen einerseits das Zürichsee-Limmatthal und das Knonauer Amt, d. h. das Halbthal der Reuß, [* 8] welche, den Kanton bloß streifend, mit der Limmat zur Aare geht, anderseits die aus dem Thurgau kommende Thur, die quer durch das »Weinland« zieht und direkt den Rhein erreicht.
Während das
Thal
[* 9] der
Glatt, eine breite, durchgehende Senke, wie eine Fortsetzung der
March-Gasterebene erscheint, verhalten
sich die die
Töß begleitenden Höhenzüge wie eine Vorstufe der St.
Gallen-Appenzeller Voralpenwelt, die das
Thal von
Zürichsee-Limmat
einfassenden wie eine Vorstufe der
Schwyzer Voralpen. Zu ersterer
Gruppe gehören einerseits Schnebelhorn
(1295 m), Hörnli (1135 m), Schauenberg (893 m),
Irchel (696 m), anderseits Bachtel (1119 m),
Allman (1083 m) u. a.; auf der
rechten Seite des
Zürichsees erhebt sich die
Kette des Pfannenstiels (737 m), Zürich
bergs (679 m) etc., auf der linken, durch
das enge Sihlthal von den eigentlichen Uferhöhen getrennt, die Albiskette (918 m) mit dem
Ütliberg (873
m). So bildet das Land sechs schmälere oder breitere Thalstreifen, die durch ebenso viele Hügelzüge
geschieden sind.
Der
Kanton Zürich
zählt (1888) 339,014 Einw. fast ausschließlich
deutscher Abstammung (nur 2024 mit französischer, 2112 mit italienischer und 225 mit romanischer Muttersprache)
und fast ausschließlich protestantischer
Konfession (über 30,000 Katholiken und 1000
Juden). Der Züricher
Volksschlag gilt
für arbeitsam, ordnungsliebend, sparsam, verständig, aber auch für anmaßend und gewaltthätig. Vorwiegend agrikol sind
Bauernland, Weinland und Knonauer
Amt. Am
See, bei sehr dichter
Bevölkerung
[* 10] auf den schmalen Uferstreifen, ist der
Feldbau
fast Gartenkultur, im Oberland durch die gebirgige Bodenbeschaffenheit beschränkt.
Nicht die Hälfte des Getreidebedarfs wird gedeckt, Obst dagegen ziemlich ausreichend, Wein vorzüglich im Weinland (Neftenbacher), im See- und Limmatthal (auf 41,5 qkm) gebaut. Der Wald (521,7 qkm) erzeugt trotz sorgfältiger Pflege nicht genug Bau- und Brennholz, daher starke Holz- und Kohleneinfuhr. Die Viehzucht [* 11] ist im Aufschwung begriffen; es gibt 88,531 Stück Rindvieh, 25,905 Schweine [* 12] und 18,166 Ziegen. Etwas Bergbau [* 13] findet in Käpfnach auf Pechkohle statt, während die Schieferkohle von Dürnten und Wetzikon erschöpft ist.
Die beiden allgemeinen Industriezweige sind
Baumwoll- und Seidenindustrie, jene am stärksten im Oberland, hauptsächlich
im
Töß- und Aathal, die Seidenweberei an den beiden Seeufern konzentriert. Gegenwärtig arbeiten mehr
als 620,000
Spindeln (ein Drittel der
Schweizer Gesamtzahl), etwa 7000
Webstühle
[* 14] für rohe und bunte
Baumwollgewebe, zahlreiche
Druckereien,
Färbereien,
Appreturen und
Stickereien, und über 40,000
Menschen verdienen ihr
Brot mit
[* 15] dieser
Industrie. Die Züricher
Seidenindustrie ist meist Handweberei, doch arbeiten auch mehrere Jacquardwebereien. Seit 300
Jahren hat
¶
mehr
sie sich trotz mancherlei Wechselfälle behauptet, ja fortwährend erweitert. In neuerer Zeit treten jedoch bedenkliche Krisen
ein, indem die Ausdehnung
[* 17] der nordamerikanischen Weberei
[* 18] und die mehrfach eingeführten Schutzzölle den Absatz reduzieren. Sehr
ansehnlich ist die Züricher
Maschinenfabrikation; das alte Etablissement der Neumühle in Zürich
,
das zeitweise bis 1500 Arbeiter
beschäftigte, hat in Winterthur, dem zweiten Orte des Kantons, mehrere neue Mitbewerber bekommen: Gießereien,
eine Lokomotivfabrik u. dgl. Auch arbeiten mehrere
Glockengießereien, Schriftgießereien, Papierfabriken, Seifen- und Kerzen-, Fayencefabriken etc. Die Stadt Zürich ist der erste
Handelsplatz der Ostschweiz und insbesondere ein namhafter Geldplatz.
Sie ist der Knotenpunkt eines vielstrahligen Bahnnetzes geworden (s. unten). Die Ledermesse Zurzachs ist nach Zürich übergesiedelt. Das Züricher Schulwesen steht in der Vorderreihe der regenerierten Kantone. Als höhere Volksschulen, mit fakultativem Besuch, sind Sekundarschulen gegründet. Gegenwärtig zählt man ca. 100 Sekundarlehrer und 2600 Sekundarschüler gegen 600 Primarlehrer und über 44,000 Primarschüler. Dem höhern Schulwesen dienen ein Gymnasium und eine Industrieschule in Zürich (äußerlich zur Kantonsschule vereinigt) sowie die »höhern Schulen« zu Winterthur als Vorstufe zum akademischen Unterricht, eine Tierarzneischule (seit 1819), ein Lehrerseminar (zu Küßnacht), eine Universität und das eidgenössische Polytechnikum (seit 1855), beide in der Stadt Zürich, das kantonale Technikum in Winterthur.
Ferner bestehen: eine kantonale Ackerbauschule, eine Musikschule (seit 1875), ein privates Lehrerseminar und ein städtisches Lehrerinnenseminar, eine Blindenanstalt (seit 1809, die älteste der Schweiz, 1826 mit einer neugegründeten Taubstummenanstalt verbunden), 4 Rettungsanstalten, 3 Zwangsarbeitsanstalten etc., dazu 5 Krankenanstalten: das Kantonsspital, das Kinderspital, die Gebäranstalt, die Irrenheilanstalt (im Burghölzli) und das Asyl für unheilbare Gemütskranke (Kloster Rheinau). Die öffentlichen Bibliotheken zählen 320,000 Bände (die Züricher Stadtbibliothek mit 110,000 Bänden, die Bibliotheken des eidgenössischen Polytechnikums mit 15,000 Bänden, die der Kantonallehranstalten mit 50,000, der Naturforschenden Gesellschaft mit 18,000 Bänden).
Die Verfassung vom unterstellt alle Gesetze und Konkordate sowie die Beschlüsse der Legislative (die letztern, sofern die Mehrheit es beschließt) dem Volksentscheid (Referendum); demselben unterliegen auch beträchtlichere Ausgabeposten. Einer Zahl von 5000 Votanten ist das Recht der Initiative bei der Gesetzgebung eingeräumt; dasselbe Recht steht sogar jedem Einzelnen zu, sofern er von einem Drittel der Mitglieder der Legislative unterstützt wird. Das Volk wählt nicht bloß die Legislative direkt, sondern auch die Exekutive. Jene, nun richtiger bloß als das legislatorische Organ des Volkes bezeichnet, ist einem Kantonsrat übertragen, der auf je drei Jahre in den Wahlkreisen gewählt wird, und zwar (nach der Verfassungsrevision vom je ein Mitglied auf 1500 Seelen.
Die Exekutive ist auf je drei Jahre einem Regierungsrat von sieben Mitgliedern übertragen. An der Spitze der Rechtspflege steht ein vom Kantonsrat auf sechs Jahre erwähltes Obergericht von neun Mitgliedern. Verbrechen und politische Vergehen, ebenso Preßprozesse, in welchen ein Beklagter es verlangt, werden durch Geschwornengerichte beurteilt. Der Kanton ist in elf Bezirke eingeteilt. In jedem Bezirk besteht ein Statthalter als Repräsentant der Exekutive, mit einem Bezirksrat zur Seite; ferner ein Bezirksgericht, eine Bezirksschul- und eine Bezirkskirchenpflege.
Jede Gemeinde hat ihren Gemeinderat und ihren Friedensrichter. Einer der Direktionen der Regierung ist ein Erziehungsrat beigegeben. Die evangelische Landeskirche und die übrigen kirchlichen Genossenschaften ordnen ihre Kultusverhältnisse selbständig unter Oberaufsicht des Staats; die erstere steht unter Aufsicht eines Kirchenrats. Die Staatsrechnung von 1887 weist 8,290,530 Frank Einnahmen und 8,291,161 Fr. Ausgaben, also eine Mehrausgabe im Betrag von 631 Fr., auf. Der stärkste der Ausgabeposten ist das Erziehungswesen mit 2,132,668 Fr. Für das Jahr 1887 berechnet sich das Staatsvermögen auf nahezu 59 Mill. Fr. Aktiven und 29 Mill. Fr. Passiven, also netto ca. 30 Mill. Fr. Dazu kommen 9 Separatfonds mit 16,757,000 Fr. Nettovermögen und 19 Fonds, welche vom Staat nur verwaltet werden, im Betrag von 2,223,357 Fr.
Die Stadt Zürich.
Die Stadt Zürich liegt 459 m ü. M. im Thalgrund zwischen dem Ütliberg und Zürichberg, auf beiden Seiten der Limmat, wo diese den Zürichsee verläßt, und oberhalb der Mündung der links herantretenden Sihl. Sie ist Knotenpunkt der Bahnlinien über Turgi nach Aarau, [* 19] Basel [* 20] und Waldshut, nach Winterthur, der auf beiden Seeufern nach der Ostschweiz führenden Linien und der Linie Zürich-Zug-Luzern. Die Große Stadt auf dem rechten Ufer, an den Vorstufen des Zürichbergs aufsteigend, ist uneben, meist eng und steil; die Kleine Stadt auf dem linken Ufer ist flacher und hat breitere Straßen und neuangelegte Quartiere.
Beide sind durch fünf Brücken [* 21] verbunden, unter denen die neue Kaibrücke die oberste ist und eine prachtvolle Aussicht auf den belebten See und die im Hintergrund aufsteigenden Schneeberge gewährt. Merkwürdige Bauwerke der Stadt sind: das Großmünster, eine einfache gewölbte Pfeilerbasilika aus dem Ende des 12. und dem 13. Jahrh., mit zwei unvollendeten, 1779 mit achteckigen Hauben geschlossenen Türmen, geschichtlich merkwürdig als Ausgangsstätte von Zwinglis Reformation (vgl. Frick, Das Großmünster in Zürich, Wien [* 22] 1886);
das Fraumünster, ein gotischer Bau aus dem 13. Jahrh., mit hohem Spitzturm;
die (altkatholische) Augustinerkirche, mit schönen Altarblättern;
die St. Peterskirche, an welcher Lavater Pfarrer war, und die Predigerkirche;
das 1851 aufgeführte Gebäude der Töchterschule, mit architektonisch merkwürdigem Kreuzgang;
ferner in der Großen Stadt: das Rathaus (1699 erbaut), die restaurierte Wasserkirche mit der Stadtbibliothek und antiquarischem Museum, das Theater, [* 23] das Kasino, die Irrenheilanstalt im vorstädtischen Burghölzli, das Kantonsspital, das Pfrundhaus, das neue, imposante Gebäude der Universität und des Polytechnikums (nach den Entwürfen von Semper und Wolf aufgeführt und 1864 vollendet) mit prachtvollem Vestibül, neuem chemischen Laboratorium [* 24] und neuem Physikgebäude, Naturaliensammlung und Werkstätten, die Kantonsschule, die Blinden- und Taubstummenanstalt, in der Kleinen Stadt: das Stadthaus, das Postgebäude, die Strafanstalt und der großartige Bahnhof.
Mit den Vorstädten zählt Zürich, das, als politische Gemeinde auf die City beschränkt, (1888) nur
[* 2] ^[Abb.: Wappen [* 25] von Zürich.] ¶
mehr
28,225 Seelen hat, 91,227 Einw. Wie die Stadt, der Sammelpunkt der industriellen und merkantilen Thätigkeit des Kantons, eine vielseitige eigne Industrie besitzt und das Zentrum des gesamten ostschweizerischen Handels bildet, so ist sie auch Sitz zahlreicher Schulanstalten. Die Universität zählte im Sommersemester 1888: 97 Dozenten und 579 Studierende. Das Polytechnikum umfaßt, abgesehen vom Vorkurs, sieben Fachschulen: die Bau-, die Ingenieur-, die mechanisch-technische, die chemisch-technische, die Forst-, die landwirtschaftliche, die Fachlehrerabteilung, dazu eine (philosophische) Freifächerabteilung;
im Sommersemester 1888 betrug die Zahl der Dozenten 106, die der Schüler 580 (darunter viele Ausländer, namentlich Russen und Österreicher) nebst 390 Zuhörern. (Über die andern Schulanstalten s. oben.) Zürich ist Sitz der Kantonalbehörden, einer eidgenössischen Kreispostdirektion, verschiedener gelehrter und gemeinnütziger Institute, wie einer Naturforscher-, einer Antiquarischen, einer Medizinischen, einer Landwirtschaftlichen etc. Gesellschaft, eines Gewerbevereins, einer Reihe größerer Bankinstitute etc. sowie mehrerer fremder Konsuln (darunter auch eines deutschen).
Schöne Standpunkte und Spaziergänge bieten die Promenade im Platzspitz beim Bahnhof mit dem Monument des Idyllendichters Geßner, die Hohe Promenade über der Vorstadt Stadelhofen mit dem Denkmal des Sängervaters Nägeli, der botanische Garten [* 27] mit der Plattform »Katze« [* 28] und den Büsten Konrad Gesners und De Candolles, der Lindenhof, die Bauschanze (einer der drei Landungsplätze der Dampfboote), der Stadthausgarten mit Pavillon und der neuen Seebadeanstalt, das Sihlhölzli mit Sommerwirtschaft.
Den Verkehr vermittelt ein Tramway. Neu eröffnet ist die Drahtseilbahn von der Limmat zur Terrasse des Polytechnikums. Eine sehr umfassende Aussicht bieten der Zürichberg und der Ütliberg, auf welchen seit 1875 eine Eisenbahn (70 pro Mille Steigung, ohne Zahnradsystem) führt. Als Vorstädte Zürichs sind zu betrachten die industriösen Ortschaften Unterstraß (4178 Einw.), Oberstraß (4278 Einw.), Fluntern (3580 Einw.), Hirslanden (3650 Einw.), Hottingen (6986 Einw.), Riesbach (10,620 Einw., mit prächtiger, im altgriechischen Stil erbauter Kirche), Enge (5123 Einw.), Wiedikon (4671 Einw.) u. Außersihl (19,916 Einw.).
Vgl. »Zürich und Umgebung« (hrsg. vom Lehrerverein Zürich, Zürich 1883);
»Zürich und seine Umgebung« (in den »Europäischen Wanderbildern«, das. 1888);
Wettstein, Geologie [* 29] von Zürich (das. 1885).
Geschichte des Kantons und der Stadt Zürich.
Zürich, zur Römerzeit Turicum genannt, erscheint im frühern Mittelalter als eine königliche Burg (Castrum Turicense), die von den fränkischen Königen öfters bewohnt wurde. Der Lokalsage nach war Zürich ein Lieblingsaufenthalt Karls d. Gr., dem die Gründung des Chorherrenstifts zum Großmünster zugeschrieben wird. Sein Enkel Ludwig der Deutsche [* 30] stiftete 853 die Fraumünsterabtei für seine Tochter Hildegard und stattete dieselbe mit dem königlichen Hof [* 31] Zürich und zahlreichen sonstigen Besitzungen aus.
Frau- und Großmünster genossen das Recht der Immunität. Nach dem Aussterben der Zähringer (1218), welche die Reichsvogtei über Zürich als erbliches Lehen besaßen, wurde die Stadt reichsunmittelbar und die Äbtissin gefürstet. Nach und nach gingen die meisten Herrschaftsrechte der letztern auf die Stadt selbst über, so namentlich die Wahl des städtischen Rats. Während des Interregnums brach Zürich mit Hilfe Rudolfs von Habsburg die Burgen [* 32] der seine Unabhängigkeit bedrohenden Adligen in der Umgebung; ebenso konnte es eine Verpfändung an Österreich [* 33] durch König Ludwig 1331 glücklich rückgängig machen. 1336 führte das Bestreben der politisch rechtlosen »Handwerker«, neben den »Rittern« und »Burgern«, d. h. den alt eingesessenen, Ackerbau und Handel treibenden Geschlechtern, Anteil am Regiment zu bekommen, zu einer Revolution, indem sie unter der Führung des mit seinen Standesgenossen zerfallenen Ritters Rudolf Brun eine Verfassung durchsetzten, welche die gesamte Bürgerschaft in die die alten Geschlechter umfassende Konstaffel und in die 13 Zünfte der Handwerker teilte. Die städtische Behörde bestand fortan aus den 13 Räten der Konstaffel und den 13 Zunftmeistern; die höchste Gewalt aber erhielt Brun als Bürgermeister. Eine Verschwörung des Adels in Verbindung mit dem Grafen von Rapperswyl wurde von Brun vereitelt (Züricher Mordnacht, und durch Hinrichtungen sowie die Zerstörung der Stadt Rapperswyl gerächt. Da deshalb ein Krieg mit Österreich drohte, trat Zürich in den Ewigen Bund mit Luzern [* 34] und den Waldstätten, mit denen es schon 1291 ein dreijähriges Bündnis geschlossen hatte, und bestand mit ihrer Hilfe in den nächsten Jahren wiederholte Angriffe Österreichs mit Glück.
Bald nachher erwarb sich Zürich ein ansehnliches Gebiet, indem es kauf- und pfandweise die Vogteien am See, die Herrschaften Greifensee (1402), Grüningen (1408), Regensberg (1409), die Grafschaft Kyburg (1424), die Stadt Winterthur (1467) und durch Eroberung ein Stück des österreichischen Aargaues, das »Amt«, an sich brachte (1415). Wegen seiner Ansprüche auf die Erbschaft der 1436 ausgestorbenen Grafen von Toggenburg wurde es 1439 mit Schwyz und Glarus und, da es den Schiedsspruch der übrigen Eidgenossen nicht annehmen wollte, auch mit diesen in Krieg verwickelt (der alte Zürichkrieg) und mußte, nach einer schmählichen Flucht seines Heers am Etzel, nicht nur auf seine Ansprüche verzichten, sondern auch den obern Teil des linken Zürichseeufers an Schwyz abtreten (1440). Aus Groll darüber verband es sich 1442 mit Kaiser Friedrich III. von Österreich gegen die Eidgenossen, die den Zürichern bei der Kapelle St. Jakob an der Sihl eine vernichtende Niederlage beibrachten wobei der Bürgermeister Stüßi, der Hauptanstifter des Kriegs, fiel. Im Sommer 1444 wurde Zürich selbst von 20,000 Eidgenossen belagert, die erst abzogen, nachdem 1200 der ihrigen den vom Kaiser herbeigerufenen Armagnaken bei St. Jakob an der Birs erlegen waren Erst kam ein Vergleich zu stande, vermöge dessen Zürich seinem Bund mit Österreich entsagte, dafür aber sein Gebiet zurückerhielt.
Nach den Burgunderkriegen erlangte Zürich durch seinen Bürgermeister Hans Waldmann, den Helden von Murten, eine vorörtliche Stellung in der Eidgenossenschaft. Das Streben der Regierung, die wirtschaftlichen Privilegien der Stadt und die obrigkeitlichen Befugnisse auf Kosten der verbrieften Rechte der unterthänigen Landschaft zu erweitern, dem auch Waldmann huldigte, bewirkten einen Aufruhr des Landvolkes, welchen seine Feinde in der Stadt benutzten, um ihn aufs Schafott zu bringen Die neue Regierung mußte die Rechte des Landvolkes in den »Waldmannschen Spruchbriefen« aufs neue bestätigen. 1519 begann Zwingli in Zürich seine welthistorische Wirksamkeit. Der unglückliche Ausgang, welchen die kriegerische Politik der von ihm beeinflußten Regierung in der Schlacht von Kappel nahm zwang diese, in dem »Kappeler Brief« zu versprechen, ¶
Im Geographisches Lexikon der SCHWEIZ, 1902
Titel
Zürich.
Kanton.
1. Lage, Ausdehnung, Grenzen.
Der Kanton Zürich liegt im NO. der Schweiz, umschlossen von den Kantonen Thurgau und St. Gallen im O. und SO., Schwyz und Zug im S., Aargau im W. und Schaffhausen im N., wo auch noch deutsches Gebiet angrenzt. Das Kantonsgebiet erstreckt sich zwischen 6° 1' 2" und 6° 39' 40" OL. von Paris und zwischen 47° 10' und 47° 41' nördl. Breite. Es bildet auf der Karte ein nur am N.-Rand und im äussersten S. etwas gegliedertes, in der Richtung NNW.-SSO. schwach gestrecktes Parallelogramm.
Die Bodenfläche beträgt nach der Ermittelung von 1901: 1724,76 km2. Der Kanton Zürich steht damit im 7. Rang unter den Schweizerkantonen. 93,9% dieses Areals sind produktives Land mit Wald, Wiese und Weide, oder als Acker, Garten und Weinberg bebaut; 6,1% (105 km2) sind unproduktiv (Gewässer, Ortschaften).
Die Grenzen sind zum kleineren Teil von der Natur gegeben: ein Stück Thur nördl. von Thalheim-Altikon, die Sihl von Hütten bis Sihlbrugg, Lorze und Reuss bei Obfelden-Ottenbach, zwischen Rudolfstetten und Dietikon ein kurzes Stück Reppisch und längere Partien des Rheinlaufes im N. Wohl folgt die O.-Grenze über Hörnli-Schnebelhorn im allgemeinen der Kette zwischen Töss- und Thurgebiet, aber es liegt in der Natur dieser nur durch künstliche Systematik zu einer Sammelkette gestempelten Bergregion, dass sie in der Längserstreckung durch zahlreiche, in der innern Architektur bedingte Querrippen und -thälchen gegliedert erscheint. Von Feldbach zieht die Grenze dicht vor dem st.-gallischen Rapperswil und nördl. der schwyzerischen Inseln Lützelau und Ufenau über den See gen Richterswil und buchtet dann südwärts zum Hohen Ronen aus, wo Zürich, Schwyz ¶
mehr
und Zug zusammentreffen (Dreiländerstein). Mit im einzelnen ebenso unruhiger Linie wie im Oberland verläuft sie im W. über die Hügelzone zwischen Reppisch und Reuss und quer über das untere Limmatthal und die Lägernkette zum Rhein. Am bewegtesten ist die nördl. Grenzlinie, wo der Kanton Zürich mehrfach an grossherzoglich-badisches Gebiet stösst: von dicht ob dem aargauischen Städtchen Kaiserstuhl bis gegen Eglisau, dann wieder von Ellikon bis gegenüber Dachsen und endlich auf ein kaum 500 m langes Stück bei Langwiesen oberhalb Schaffhausen gegen die badische Enklave Büsingen;
dabei bildet stets der Rhein die Grenze.
Rechtsrheinisch liegt zürcherisches Kantonsgebiet nördl. von Eglisau (Rafzerfeld), grossenteils von badischem Gebiet umschlossen, und die schmale, ihrerseits von deutschem Land und Schaffhausergebiet begrenzte Zone von Nol gegenüber Dachsen. Bei Schlieren liegt rechts der Limmat die kleine aargauische Enklave des Frauenklosters Fahr, rings von zürcherischem Kantonsgebiet eingeschlossen.
Neben den entsprechenden Blättern des topographischen Atlasses der Schweiz gibt es eine eigene Topographische Karte des Kantons Zürich im Maasstabe 1:25000, 32 Blätter in Kurvenmanier (10 m Aequidistanz), welche in den Jahren 1843-65 unter Leitung des Zürcher Professors J. Wild aufgenommen wurde und wohl für den Siegfriedatlas als Vorbild gedient hat. Diese ausserordentlich genaue Aufnahme darf nicht unerwähnt bleiben. Von älteren Karten beschlägt hauptsächlich den Kanton Zürich die berühmte und für jene Zeit unglaublich genaue Karte von Hans Konrad Gyger aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, im Maasstab von ungefähr 1:32000, neu herausgegeben von Hofer und Burger in Zürich.
2. Orographie; Bodenbeschaffenheit.
Die winterliche Nebeldecke, welche fast jedes Jahr einige Wochen lang das schweizerische Mittelland überzieht, zeichnet als natürliche Reliefschneidemaschine die vertikale Gliederung auch des Kantons Zürich aus. Wer etwa vom Randenplateau, bei 800 m gerade über dem schwach wallenden Dunstmeer stehend, den Blick nach S. wendet, dem ragen vor dem schneeigen Hochgebirgskranz aus der die Thäler füllenden weiss-glänzenden Decke bloss wenige zürcherische Inselberge als waldige Kuppen oder Gräte empor.
Das ganze Bild erscheint ungeheuer tot: das ebene Irchelplateau, der schmale Lägernberg, der Albiskamm, in den tiefe Nebelbuchten hineinrecken, vom Utogipfel bis südl. zum Hohen Ronen hinauf;
links vorne wenden sich schiefgebänderte Bergnasen gegeneinander oder kehren sich voneinander ab: Bachtel-Allmann und Tössstock-Schnebelhorn-Hörnli des Oberlandes, - alles fast siedelungslos;
die freundlichen Dörfer der untern Gehänge und die Thalböden mit ihren blauen Seeaugen und blanken Häuserreihen der grössern Orte und Städte deckt der Wolkenteppich.
Löst die Frühlingssonne diesen Bann, so tauchen auch die niedrigeren, flachen Plateauberge aus der Landschaft auf: der Kohlfirst mit seiner Nagelfluh-Deckplatte, der Stadler- und Raaterberg gegen die Lägern hin, die abgestutzt kegelförmigen Plateaureste des mittlern Tössthales, der ruhig geformte Pfannenstiel vor der Albislinie, den Zürichsee verdeckend;
das helle Grün der breiten Thalebenen im Thur- und Rheingebiet, und im Glattthal mit dem Kleinkram enger Flussschlingen oder Schulhaus- und Kirchen gekrönter Moränenhöcker.
Einzig der See-Typus mit seinem Obst- und Gartenbau fehlt, und die südl. exponierten Rebberge des Weinlandes kehren sich ab, sonst wären die gesamten zürcherischen Landschaftscharaktere in diesem Ueberblick vertreten.
Der höchste Punkt des Kantons Zürich ist das Schnebelhorn mit 1295 m. Der nahebei südwestl. gelegene Tössstock erreicht 1155 m. Ueber beide zieht die Grenzlinie gegen den Kanton St. Gallen. Der höchste Gipfel dieser Gruppe, die Kreuzegg (1317 m), gehört bereits dem Kanton St. Gallen an. Im Hörnli sinkt die Höhe auf 1135 m. Analog zu diesen das oberste Tössthal rechts flankierenden Bergen erhebt sich westl., zwischen Tössthal und Glattthal, die sog. Allmannkette (Allmann 1083 m) mit dem Bachtel (1019 m) als südlichstem, aussichtsreichen Gipfelpunkt. Sie wird nach N. zu einer breitschultrigen Wasserscheide, die sich über Tannenberg, ¶
Lief. 279.
GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ
Verlag von Gebrüder Attinger, Neuenburg.
^[Karte: 6° 20’ O; 47° 20’ N; 1:300000]
Attinger sc
KANTON ZÜRICH ¶
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First, Kiburg u. s. w. nach NW. allmählig senkt und von den scharfen Windungen der Töss und ihrer seitlichen Zuflüsse zu grotesken halbinselartigen Vorsprüngen aus-genagt wird oder in breite Plateauberge und schmälere Einzelkegel aufgelöst erscheint. (Hügellandschaft von Winterthur).
Wie die Berge des Zürcher-Oberlandes den östl. Rahmen des südlichen Kantonsteiles bilden, so umrandet ihn der Albis westwärts bis zum Uetliberg hinunter. Im Bürglenstutz erreicht er 918 m und im Schnabel (Hochwacht) 880 m; wenig nordwestl. überwindet die breite Passstrasse bei 793 m den Albis. Der Uetliberg bei Zürich ist mit 874 m die letzte Gipfelerhebung des Albiskammes, der von da energisch zum Limmatthal absinkt. Am prägnanten Rücken des Hohen Honen (1209 m) hat der Kanton Zürich nur einen beschränkten Anteil.
Nahezu Uetliberghöhe erreicht auch der Pfannenstiel (853 m), die sog. Gebirgskette, welche das Zürichseethal vom höher gelegenen Glattthal trennt und bei Zürich im Zürichberg und (durch die Einsattelung des Milchbuckes abgetrennt) im Käferberg ihre letzten Ausläufer hat. Während frisch erodierte Berg- und Thalformen die Tössthalerberge und den Albis kennzeichnen, an dessen Flanken Sihl und Reppisch nagen, ist der Pfannenstiel ein breiter, welliger Rücken, dem unbedeutende Bächlein kleine Querschluchten (Tobel) eingeschnitten haben; die Erosionsarbeit ist an ihm in der Hauptsache längst fertig.
Im Lägerngrat scheiden sich Zürich und Aargau just am höchsten Gipfel, dem Burghorn (863 m). Der zweite, östl. Gipfelpunkt, die 859 m hohe Hochwacht, liegt ganz auf zürcherischem Kantonsgebiet. Nennen wir noch den Irchel (696 m), Stadlerberg (631 m) und Kohlfirst (574 m), so dürften die wichtigsten Erhebungen des Kantons aufgezählt sein. Lägern und Hörnli sind trigonometrisch Punkte erster Ordnung im schweizerischen Dreiecksnetz.
Nach Entstehung, Bau und dadurch bedingten Landschaftstypen wären diese Berge jedoch in andrer Gruppierung aufzuzählen als nach der blossen topographischen Situation. Diese gliedert die Landkarte parallel zu den dem Rhein zustrebenden Flussrinnen und Thalflächen (Thur, Töss, Glatt, Limmat) in SO.-NW. gerichtete Wasserscheiderücken. Die innere Architektur aber prägt eine südliche, allerdings mehrfach unterbrochene Zone aus den dislozierten Nagelfluhmassen.
Hoher Ronen-Richterswil, Stäfa-Rapperswil (Kt. St. Gallen), Bachtel-Hörnli bilden die Isoklinalkamm- und Isoklinalthälchen-Landschaft der schief aufgerichteten Molassebänke. Nördl. folgt mit dem allmähligen Feinerwerden der Gesteinsstruktur die Sandsteinlandschaft der horizontalen Molasse: die Tafelberge des mittleren Tössthales, Pfannenstiel, und der scharfkantigere (weil erst vor kurzem - geologisch gesprochen - wieder von Flüssen in Arbeit genommene) Albis-Uetliberggrat.
In den Thälern und an den Abhängen liegt Glazialschutt, der manchen interessanten Miniatur-Landschaftstypus bedingt, bei grössern Anhäufungen auch das Bild umprägen konnte: Moränen-Parallelzüge bei Hütten und im Amt westl. vom Albis, Quermoränen in Zürich und bei Killwangen (Aargau), Hügellandschaft (Drumlins) im Glattthal, bei Effretikon und bei Obfelden, mit Absperrung des Greifen- und Pfäffikersees, Katzensees u. a. durch Moränen;
Hügelgebiete an der Thur und gegen den Kohlfirst;
Wasserscheidenbild im Wehnthal - in ihrer Anordnung wiederum an die allgemeine Entwässerungsrichtung nach NW. gebunden.
Deckenförmige Nagelfluhaufsätze aus älteren Eiszeiten (Uto, nördl. der Lägern, Irchel, Kohlfirst u. a.) schützen im NW. des Kantons manche ¶
Im Geographisches Lexikon der SCHWEIZ, 1902
* Zürich
(Kanton).
Errata. Seite 742, Spalte I, Zeile 20 und 21: Glattmündung bei Rheinfelden 335 m anstatt 350 m.