Zoologische
Gärten (Tiergärten
),
Parke, in denen einheimische und ausländische
Tiere gehegt und zur
Schau gestellt
werden. Ursprünglich dienten diese Einrichtungen, wie sie an den
Höfen bestanden, teils der Jagdlust, teils der Kuriosität,
sind jedoch in der Neuzeit mit vielem Erfolg sowohl wissenschaftlichen Beobachtern als auch dem
Publikum
zugänglich gemacht worden und gehören so zu den gemeinnützigen
Unternehmungen. Zur Zeit sind sie fast alle von Privatleuten
auf
Aktien gegründet, stehen auch meist gegen Entgelt jedermann offen, gestalten sich jedoch in einzelnen
Fällen durch unnatürliche
Verbindung mit Konzerthallen und
Restaurants auch wohl zu Vergnügungsorten.
Den in ihnen untergebrachten
Tieren wird nach Möglichkeit Spielraum gelassen, so daß viele kleinere von ihnen kaum die
Freiheit
vermissen dürften. Züchtungen von den in der Gefangenschaft gebornen
Tieren geraten in vielen
Fällen sehr gut. Mit einigen
Gärten stehen Aquarien in Zusammenhang, in denen
Süßwasser- und Seetiere zur
Schau gestellt sind. Der
wissenschaftliche Nutzen der zoologischen
Gärten ist, soweit
Säugetiere und
Vögel
[* 2] in Betracht kommen, ziemlich bedeutend,
da in ihnen Gelegenheit zu biologischen
Studien gegeben ist. Mit ihrer
Hilfe ist es auch gelungen, die früher zum größten
Teil schlechten Abbildungen in zoologischen
Werken durch getreu nach dem
Leben aufgenommene zu ersetzen.
Über die zoologischen
Gärten der
Chinesen hat
Viktor
Andreä berichtet. Das heilige
Buch der
Lieder, Chi-king, der
Chinesen, erwähnt
bereits einen solchen
Garten,
[* 3] welchen der Ahnherr der Tscheu-Dynastie, Wu-Wang (1150
v. Chr.), anlegen ließ und
»Park der
Intelligenz«
benannte. Er bestand noch um die Mitte des 4. Jahrh.
v. Chr. und enthielt
Säugetiere,
Vögel,
Schildkröten
[* 4] und
Fische.
[* 5] Die Griechen und
Römer
[* 6] scheinen zoologische Gärten
nicht gekannt zu haben. Die
Spanier wurden bei der
Eroberung von
Mexiko
[* 7] durch
den Anblick der kaiserlichen
Menagerie, einer langen
Reihe von Wasserbehältern,
¶
mehr
Vogelhäusern und Käfigen mit wilden Tieren, überrascht. Besonders ausgezeichnet waren die Schmuckvögel aus allen Teilen des Aztekenreichs, doch fehlte es auch nicht an Schlangen. [* 9] Den Raubvögeln dienten 500 Truthähne täglich zur Nahrung. 300 Menschen waren mit der Pflege der Wasservögel, welche auf zehn Teichen gehalten wurden, ebensoviel mit der der Raubtiere [* 10] beschäftigt. Auch in den alten Klöstern des christlichen Abendlandes, so im 10. Jahrh. zu St. Gallen, unterhielt man »Zwinger« mit allerlei Wild, Geflügel, wie solches teils in den nahen Alpen [* 11] hauste, teils als Geschenk fremder Gäste dem Kloster verehrt worden war.
Tiergärten
zum Zweck der Jagd hatte das Mittelalter unzählige, z. B. den Hirschgraben zu Frankfurt
[* 12] a. M.,
den Tiergarten zu Münzenberg (1433) und zu Friedberg
[* 13] (1489). Bereits Harun al Raschid soll Karl d. Gr. einen Elefanten zum Geschenk
geschickt haben; häufiger kamen durch die Kreuzzüge und besonders durch die Entdeckungsreisen seit dem 15. Jahrh. fremde
Tiere nach Europa
[* 14] und wurden gehegt. 1443 wurde ein Elefant
[* 15] auf der Frankfurter Messe gezeigt. 1458 verehrte
der Rat von Nürnberg
[* 16] dem Erzbischof von Mainz
[* 17] und 1460 der Königin von Böhmen
[* 18] einen Papagei (Palaeornis torquatus). 1504 kamen
Papageien aus Indien direkt auf englischen Schiffen nach England. Im 14. und 15. Jahrh. gab es an mehreren Orten
in Holland Löwenhäuser; die Stadt Amsterdam
[* 19] z. B. erhielt 1477 und 1483 je zwei Löwen
[* 20] aus Spanien
[* 21] und Portugal von Kaufleuten
zum Geschenk und verschenkte einige Jahre später fünf an die Stadt Lübeck.
[* 22]
Kaiser Maximilian II. errichtete im Lustschloß Ebersdorf bei Wien [* 23] und später in dem zwischen 1564 und 1576 erbauten Schloß Neugebäu Menagerien. Die Schicksale der erstern sind unbekannt, die letztere wurde 1704 zerstört, von Kaiser Karl VI. aber wiederhergestellt. Prinz Eugen von Savoyen hatte 1719 auf seinem Schloß Belvedere bei Wien eine Menagerie erbaut, welche nach seinem Tod 1737 vom Kaiser angekauft und mit der kaiserlichen vereinigt wurde; 1781 aber wurde die Anstalt aufgehoben und zur Schönbrunner Menagerie geschlagen, welche 1752 errichtet wurde und noch jetzt fortbesteht. Im 16. u. 17. Jahrh. gehörte eine Menagerie zu den Requisiten des Hofs.
Wilde Tiere wurden gehalten im Tower zu London, [* 24] in Versailles, [* 25] Potsdam, [* 26] Turin, [* 27] Dresden, [* 28] Kassel, [* 29] im Haag [* 30] und zuletzt in Stuttgart, [* 31] wo die Menagerie aber nur von 1812 bis 1817 bestand. Der erste Versuch zu wissenschaftlicher Benutzung einer solchen stehenden Menagerie wurde 1794 gemacht, indem man die in Versailles gehaltenen Tiere in den Pariser Jardin des plantes brachte. Diese Sammlung vermehrte sich rasch durch Geschenke und Ankäufe und nach der Eroberung von Holland durch die aus dem Haag entführte Menagerie des Erbstatthalters.
In den »Annalen« (seit 1802) und »Mémoires du Muséum d'histoire naturelle« (seit 1815) legten die größten Naturforscher der
Zeit, G. Cuvier, Geoffroy, Lacépède, Lamarck, ihre Beobachtungen über die Tiere nieder. Die Menagerie des Earl of Derby zu Knowsley,
welche als Tiergarten für Wiederkäuer
[* 32] und Einhufer noch fortbesteht, legte den Grund zu dem im Regent's Park zu London 1828 gegründeten
zoologischen
Garten, welcher von der 1825 gebildeten Zoological Society ins Leben gerufen wurde und, indem er mit dem alten
Prinzip der Menagerien brach, zuerst den Tieren genügenden Raum bot.
Schon 1838 hatte der Garten über 1000 verschiedene Arten Säugetiere und Vögel, 1849 nahm er auch Reptilien auf, und 1852 richtete
die Direktion desselben See- und Süßwasseraquarien ein. Nachdem die niederländischen Seestädte Amsterdam (1838) und Antwerpen
[* 33] (1843) dem von England gegebenen Beispiel gefolgt waren, entstand der erste zoologische
Garten in Deutschland,
[* 34] aber wesentlich durch Staatsfonds, im Tiergarten bei Berlin.
[* 35] Auf Veranlassung des Zoologen Lichtenstein wies Friedrich Wilhelm
IV. 1843 eine Strecke des Tiergartens und die Tiere der
Fasanerie und der Pfaueninsel bei Potsdam zu diesem Zweck an. Der erste in
Deutschland auf Grund privater Teilnahme errichtete zoologische
Garten ist der zu Frankfurt a. M. Dort bildete
sich 1857 eine Zoologische
Gesellschaft mit einem Anfangskapital von über 50,000 Gulden, und 1858 konnte die Anstalt in einem 5 Hektar
großen Garten vor dem Bockenheimer Thor eröffnet werden. Hier folgt eine Übersicht der größern zoologischen
Gärten und
ähnlicher Anstalten mit Angabe der Gründungsjahre (M = Menagerie):
1552 | Ebersdorf bei Wien (M.) |
1752 | Schönbrunn bei Wien (M.) |
1794 | Paris, Jardin des plantes (M.) |
1812 | Stuttgart (M. bis 1817) |
1828 | London |
1830 | Dublin |
1838 | Amsterdam |
1843 | Antwerpen |
1844 | Berlin |
1851 | Brüssel |
1851 | Gent |
1854 | Marseille |
1857 | Madrid |
1857 | Rotterdam |
1857 | Melbourne (Akklimatisationsgarten) |
1858 | Frankfurt a. M. |
1858 | Kopenhagen |
1859 | Philadelphia |
1860 | Köln |
1860 | Paris (Bois de Boulogne, Akklimatisationsgarten) |
1861 | Dresden |
1863 | Hamburg |
1863 | Wien (bis 1866) |
1863 | München (bis 1866) |
1864 | Moskau (zoologischerund Akklimatisationsgarten) |
1865 | Breslau |
1865 | Hannover |
1866 | Karlsruhe |
1866 | Pest |
1874 | Frankfurt a. M. (Neuer zoologischerGarten) |
1874 | Philadelphia |
1874 | Basel |
1875 | Cincinnati |
1875 | Kalkutta |
1875 | Münster in Westfalen |
1876 | Düsseldorf |
1879 | Krefeld (Handelstiergart.) |
Vgl. Stricker, Geschichte der Menagerien und zoologischen
Gärten (Berl. 1880);
Zeitschrift: »Der zoologische
Garten« (Frankf. a. M.,
seit 1859).