Zölle
(Mauten, v. mittellat. muta; griech.
telos, engl. toll) nannte man ursprünglich jede
Abgabe, welche beim Überschreiten einer Grenzlinie von
Personen oder
Sachen erhoben wurde. Man konnte demgemäß auch von
Strom-,
Fluß-, Wege-, Brückenzöllen
reden, welche bei Benutzung
oder Überschreitung von
Fluß, Weg und
Brücke
[* 2] zu zahlen waren, und die heute als
»Geld« (Wege-,
Chausseegeld) oder
Gebühr bezeichnet
werden und meist den
Charakter einer
Steuer verloren haben.
Brücken II

* 3
Brücken.
Dann kannte die frühere Zeit eine große Zahl
Binnenzölle, welche beim Übergang von einem Landesteil in den andern oder
beim Eingang in einen bewohnten
Ort entrichtet wurden. Dieselben hatten ursprünglich einen echt lokalen
Charakter als private
oder grundherrliche
Abgaben, welche als Entgelt für gewährte Unterstützung und
Geleit, für Unterhaltung
von
Brücken
[* 3] und
Straßen etc. dienten und nach der
Lex Salica auch nur als solches erhoben werden durften. Hieraus entwickelte
sich ein eigentümliches Zollrecht als Inbegriff mannigfaltiger, vielfach freilich usurpierter Einzelrechte, auf
Grund deren
häufig auch Zölle
ohne jedwede Gegenleistung erhoben wurden.
Das
Zollregal des deutschen
Kaisers umfaßte die Beaufsichtigung und Überwachung des Zollwesens zur Verhütung ungerecht erhobener
Zölle
, das
Recht, auf eignem Gebiet Zölle
zu errichten und zu erheben und dieselben auf andre zu
übertragen, ferner
Grundherren auf
eignem Gebiet die
Erhebung von Zöllen
zu gestatten und endlich Zollfreiheiten zu erteilen.
Dieses
Zollregal
ging mit
Entwickelung der
Landeshoheit an die
Landesherren über und wurde denselben auch mehrfach vom
Kaiser ausdrücklich bestätigt.
Geschichtskarten von D

* 5
Deutschland.Mit Verstärkung [* 4] der die Territorialstaaten aufsaugenden Zentralgewalt und mit zunehmender Entwickelung von Handel und Verkehr wird mehr und mehr mit den Binnenzöllen aufgeräumt und dem Zollwesen seine heutige rechtliche Gestaltung gegeben. Doch haben sich auch in den größern Einheitsstaaten innere Zollschranken noch lange erhalten. Colbert suchte dieselben in Frankreich zu beseitigen, was ihm 1664 jedoch nur in einem Teil des nördlichen Frankreich gelang, während erst die Revolution 1791 das ganze Land zu einem einheitlichen Zollgebiet gestaltete.
Deutschland [* 5] mit seinen verwickelten staatsrechtlichen Verhältnissen folgte diesem Beispiel erst später. Preußen [* 6] hatte noch 1817 in seinen verschiedenen Landesteilen 60 verschiedene Zoll- und Accisetarife. 1818 wurden alle Binnenzölle aufgehoben, das ganze Staatsgebiet wurde ein einheitliches Zollgebiet. Mit Begründung und Erweiterung des Zollvereins wurde die Freiheit des deutschen Binnenverkehrs auf ein immer größeres Gebiet ausgedehnt. Nachdem nun auch die Rheinschiffahrtsabgaben 1861, die Elbzölle 1870 aufgehoben worden sind, werden, wenn wir von den Übergangsabgaben, die zur Ausgleichung von Verbrauchssteuern dienen, dann von dem Oktroi, welches eine kommunale Verbrauchssteuer darstellt, absehen, nur noch Grenzzölle, d. h. Abgaben erhoben, welche beim Übergang über die Grenze zu entrichten sind.
Den
Grenzzöllen der modernen
Staaten fehlt das dem ältern Zollbegriff eigentümliche Merkmal des Entgelts
für eine Leistung vollständig. Sie werden dem entsprechend auch nur von
Waren erhoben. Man unterscheidet, je nachdem die
Zölle
bei der Einfuhr, der Ausfuhr oder der
Durchfuhr erhoben werden, Eingangs-,
Ausgangs- und
Durchgangs- (oder
Transit-) Zölle.
Durchfuhrzölle bestehen wohl nirgends mehr. Bei der heutigen Verkehrsentwickelung mußte man meist schon
deswegen auf dieselben verzichten, weil sie die
Waren einen andern Weg einzuschlagen genötigt hätten.
Schweiz

* 7
Schweiz.Verschiedene Passagezölle (z. B. der Sundzoll) wurden vertragsmäßig gegen Entschädigung beseitigt. Die letzten Durchfuhrzölle wurden in Deutschland 1861 aufgehoben, hier wie in der Schweiz, [* 7] Österreich [* 8] etc. hat man auch formell gesetzlich auf dieselben verzichtet. Auch die Ausfuhrzölle sind heute in vielen Ländern ganz beseitigt, während sie in andern eine untergeordnete, seltener bei monopolistischer Stellung des Landes eine wichtigere Rolle spielen (vgl. Ausfuhr).
Zölle (Finanz- und Sch

* 9
Seite 16.953. Der
Zweck der Zölle
kann ein doppelter sein. Sie können einmal dazu dienen, dem
Staat eine
Einnahme abzuwerfen,
und heißen dann
Finanzzölle
(Steuerzölle), oder sie sind dazu bestimmt, einen Einfluß auf Gestaltung einzelner Produktionszweige
auszuüben, einen
Damm gegen Überfluß oder ein Schutzmittel gegen Mangel zu bilden, und heißen alsdann
Schutzzölle. Beide
Gattungen von Zöllen
kommen nicht immer rein vor. Ist der
Zoll so hoch bemessen, daß fremde
Waren überhaupt
nicht mehr eingeführt werden, so wirkt er lediglich als
Schutzzoll und wird mit Rücksicht auf die durch ihn hervorgerufene
Verhinderung der Einfuhr Prohibitivzoll genannt. Gelangt der
Zoll aber zur wirklichen
Erhebung, indem er gleichwohl eine Minderung
der Zufuhr veranlaßt und dadurch schützend wirkt, so bildet er als
Schutzzoll im engern
Sinn im
Gegensatz
zum Prohibitivzoll auch eine Einnahmequelle. Umgekehrt übt
¶
mehr
auch der echte Finanzzoll auf Gang [* 10] von Erzeugung, Verkehr und Haushalt einen Einfluß aus.
Im allgemeinen trägt jede Abgabe den Charakter eines Schutzzolles, welche auszuführende Waren, deren die heimische Produktion bedarf, besteuert, ohne daß die heimischen Erzeugnisse überhaupt oder gleich hoch belastet werden, oder welche eingeführte trifft, die auch im Inland hergestellt, jedoch gar nicht oder geringer besteuert werden. Höhe und Dauer des Zolles sind von der Schutzbedürftigkeit der Industrie abhängig zu machen, welche erhalten oder emporgebracht werden soll.
Seine Wirkung würde eine um so bessere sein, je früher auf ihn Verzicht geleistet werden kann. Für Auflegung und Höhe des Finanzzolles sind dagegen Staatsbedarf und Grundsätze der Steuerverteilung maßgebend. Er ist um so geeigneter, je ergiebiger er ist, auch soll er eine möglichst dauernde Quelle [* 11] von Einnahmen abgeben. Ein echter Finanzzoll liegt vor, wenn er das Äquivalent einer auch von heimischen Waren erhobenen Steuer bildet, wobei der Zoll nach Maßgabe der größern Belästigungen und Kosten, welche durch Zahlung der letztern erwachsen, höher zu bemessen ist (ist er noch höher, so wird er Schutzzoll), dann, wenn er einen im Inland überhaupt nicht hergestellten Verbrauchsgegenstand (Kolonialwaren), ferner, wenn er auszuführende Waren trifft, bei deren Erzeugung das Inland eine Monopolstellung einnimmt, welche zu gunsten der Staatskasse ausgebeutet wird.
Die Finanzzölle gehören zur Gattung der indirekten und zwar der Verbrauchssteuern. Im allgemeinen gelten für sie die gleichen Grundsätze wie für die letztern überhaupt, doch gestattet ihre besondere Erhebungsform mancherlei Abweichungen, zumal in der Richtung, daß sie eine größere Zahl von Waren zu besteuern ermöglicht. Vor den innern Verbrauchssteuern zeichnen sie sich dadurch aus, daß sie Industrie und Verkehr weniger belästigen, weniger Mühe und Kosten bei Erhebung und Kontrolle verursachen, daß sie den Steuerträgern mehr aus den Augen gerückt sind und eine ergiebige Einnahmequelle darstellen, Vorteile, welche freilich wesentlich bedingt sind durch Beschaffenheit des Grenzgebiets, Ausformung der Grenze, Art der Verkehrsmittel und der zu verzollenden Waren.
Bevölkerungsstatistisc

* 12
Bevölkerung.Als besonders geeignete und darum auch beliebte Steuerobjekte erscheinen die Artikel, welche auch von den ärmern Schichten der Bevölkerung [* 12] verbraucht und darum in großen Massen eingeführt werden. Die Besteuerung derselben führt freilich leicht zu einer umgekehrt progressiven Belastung. Ob sie trotzdem zulässig sind, hängt ab von Staatsbedarf und Steuersystem, welches die Wirkung der umgekehrten Progression an andern Stellen wieder aufheben kann. Im Interesse gerechter Steuerverteilung und auch aus Gründen der Moral hat allgemein der Grundsatz Geltung erlangt, daß unentbehrliche Lebensmittel freizulassen und möglichst die Gegenstände des breitesten Volksluxus zu treffen sind. Grundsätzlich wären auch die kostbaren Luxusartikel und zwar hoch zu belasten. In der Praxis allerdings kann das Steuersystem es gestatten und die Zolltechnik sogar dazu zwingen, von der Besteuerung derselben abzusehen. Überhaupt scheitert die Durchführung des Grundsatzes abstrakter Gerechtigkeit an der Unvollkommenheit der zu Gebote stehenden Mittel.
Vereinigte Staaten von

* 13
Vereinigten.Eine richtige Bemessung des Steuerfußes ist außerordentlich schwierig. Im allgemeinen würde die Abstufung der Zollsätze nach dem Werte der Waren (Wertzölle, Zölle ad valorem) die angemessenste für eine richtige Steuerverteilung sein, wie sie in den Vereinigten Staaten [* 13] besteht und in dem französischen Zolltarif vorherrscht. Doch ist dieselbe allzu schwierig, umständlich und kostspielig. Die Einschätzung durch Beamte ist ebenso mißlich wie die Deklarationspflicht der Steuerzahler in Verbindung mit dem den Zollbeamten eingeräumten Recht auf Vorkauf zu dem angegebenen Wert, wenn ihnen derselbe als zu niedrig erscheint. In vielen Ländern (Deutschland, England etc.) zieht man deshalb den zu allerlei Schikanen Anlaß gebenden Wertzöllen die nach Maß und Gewicht (früher in Deutschland u. Österreich nach einem besondern Zollgewicht, dem Zollzentner und Zollpfund) bemessenen Stück- u. Gewichtszölle (sogen. spezifische Zölle) vor. Dabei kann innerhalb weiterer Grenzen [* 14] auch der Verschiedenheit der Qualität durch Abstufung der Tarifsätze (Staffeltarife) Rechnung getragen werden, was schon insofern geschieht, als nicht alle Warenarten gleich besteuert werden.
Gleichheit - Gleichsch

* 15
Gleichgewicht.In den meisten Ländern kommen Finanz- und Schutzzölle miteinander verbunden vor. Ausnahmen bilden England und die Schweiz. Die Zölle der letztern tragen insofern ein finanzielles Gepräge, als sie dazu bestimmt sind, das Gleichgewicht [* 15] im Bundeshaushalt aufrecht zu erhalten. England hatte früher eine übermäßig verwickelte Zollgesetzgebung, welche eine große Zahl Artikel belastete. In den 20er Jahren vereinfacht, zählte das Zollsystem 1841 doch noch 862 zollpflichtige Warenarten auf, von denen 17 Artikel 94 Proz., 29: 4 Proz. und alle übrigen (816) nur 2 Proz. des Zollertrags abwarfen.
Die Erkenntnis der Übelstände eines verwickelten Zollwesens mit seinen Schwierigkeiten, Kosten, Belästigungen und Schikanen sowie der Druck der nun herrschend gewordenen freihändlerischen Strömung führten noch zu weitern Vereinfachungen in dem Maß, daß heute fast der gesamte Zollertrag (97 Proz.) aus nur fünf Warengruppen (Tabak, [* 16] geistige Getränke, Thee, Kaffee und Rosinen nebst Korinthen) gewonnen wird. Echt schutzzöllnerische Länder sind Frankreich, Rußland, die Vereinigten Staaten etc. Das deutsche Zollwesen wurde seit 1818 wesentlich verbessert und vereinfacht (vgl. Zollverein), bildete aber schon seit jener Zeit einen Zankapfel entgegengesetzter Interessen.
Mit Beginn der 60er Jahre (Tarif von 1865) wurde der deutsche Zolltarif im freihändlerischen Sinn umgearbeitet und fortgebildet bis 1873. Die nun folgende wirtschaftliche Krisis, insbesondere aber die Notwendigkeit einer finanzpolitischen Reform führten zu einem Umschwung der herrschenden Meinung und zum Tarif von 1879, in welchem der Gedanke der allgemeinen Zollpflicht, auch von Rohstoffen, im Interesse der nationalen Arbeit sich Geltung verschaffte.
Die Zollpolitik des Merkantilsystems (s. d.) stützte sich auf dessen eigentümliche Anschauungen über die Handelsbilanz und die Mittel, dieselbe günstig zu gestalten. Ihre Maßregeln spitzten sich darauf zu, die Einfuhr fertiger Produkte, zumal wenn sie im Inland hergestellt werden konnten, möglichst durch Zollbelastung zu beschränken, dagegen die Ausfuhr, insbesondere von kostbaren Produkten des heimischen Kunstfleißes, zu fördern, demgemäß auch die Ausfuhr von Rohstoffen und Lebensmitteln zu erschweren, deren Einfuhr zu begünstigen. Die verständigern Merkantilisten nahmen den Standpunkt der nationalen Genügsamkeit ein. Man solle vorlieb nehmen mit dem, was das eigne Land biete, auch wenn es von geringerer Qualität sei. Die heimische Betriebsamkeit werde unter dem Schutz der Regierung später schon Besseres liefern.
Zölle (die deutsche Zo

* 17
Seite 16.954.Der Gedanke, die Industrie durch den Zollschutz ¶
mehr
leistungsfähiger zu machen, wurde durch Fr. List weiter ausgebaut, welcher eine förmliche Erziehungstheorie aufstellte. Nach List kann in einem Lande, das noch keine Industrie besitzt, eine solche nicht entstehen, wenn sie mit übermächtigen, industriell vorgeschrittenen Ländern zu konkurrieren hat. Letztere können sie im ersten Keim leicht unterdrücken. Darum ist Schutz notwendig, der in Form eines genügend hoch bemessenen Einfuhrzolles zu gewähren ist.
Bei heimischem Wettbewerb werden allmählich die jungen Kräfte erzogen und gebildet, die junge Industrie erstarkt mit der Zeit in dem Maß, daß sie auch ohne Schutz bestehen kann. Alsdann ist der Zoll fallen zu lassen, und der Schutz war nur ein Mittel, die Handelsfreiheit anzubahnen. Die Landwirtschaft bedarf nach List keines Schutzes, da sie einen solchen einmal in den Transportkosten genieße, dann aber auch die beste Stütze in einer stark entwickelten Industrie finde.
In der Regel wird durch den Schutzzoll ein Interesse verletzt, doch kann ein solcher Nachteil aufgewogen werden, sobald der Zoll den erwähnten Erfolg hat. Allerdings kann die letztere Bedingung nur erfüllt werden, wenn es sich um Ausgleichung von Kulturverschiedenheiten handelt. Beruht dagegen die Überlegenheit einer fremden Industrie aus von der Natur gebotenen Vorteilen (Bau von Thee, Baumwolle [* 18] etc.), so ist der Versuch, ihr gleichzukommen, verfehlt, weil er dem Lande dauernde Opfer auferlegt, ohne daß das erstrebte Ziel erreicht werden kann.
Die Durchführung eines richtigen Zollschutzes ist mit nicht geringen Schwierigkeiten verknüpft. Schwierig ist zunächst die Bestimmung der schutzbedürftigen Industriezweige, welche wirklich Aussicht auf Gedeihen bieten. Dieselbe wird leicht durch Vorurteil und Interesse getrübt, praktisch auch meist durch finanzpolitische Erwägungen beherrscht, wie denn in der Zollpolitik der Praxis der Staatsbedarfe meist die wichtigste Rolle spielt. Ferner ist es nicht leicht, den Zeitpunkt festzusetzen, wann Zölle in Wegfall kommen und größere Anforderungen an die seither geschützte Industrie gestellt werden dürfen.
Überhaupt ist ein Protektionssystem, welches sich nicht in den Schranken weiser Mäßigung hält, mit der Gefahr verbunden, daß es nicht allein die Begehrlichkeit anreizt und die Interessen gegeneinander in Spannung versetzt, sondern auch zu künstlichen, verfehlten Schöpfungen führt. Daß unter Zollschutz Industriezweige herangewachsen und kräftig geworden sind, läßt sich nicht in Abrede stellen. Ebensowenig aber ist zu verkennen, daß Industrien auch ohne solchen Schutz sich mächtig entwickelt haben.
In der neuern Zeit (1879) gelangte in Deutschland der Gedanke der allgemeinen Zollpflicht zur Herrschaft; es sollte zur Wahrung der Solidarität der Interessen allen gleichmäßig Schutz geboten und damit eine selbständige nationale Wirtschaftsentwickelung gesichert werden. Alle zu schützen, ist jedoch unmöglich, schon weil nicht alle des Schutzes bedürfen. Dann legt, wie dies auch List betont hat, der Zoll Opfer auf, die, wenn auch vorübergehend, getragen werden müssen.
Allerdings wurde wohl hervorgehoben, daß diese Opfer von den Fremden getragen würden. Doch würde dann im besten Fall jedes Land seine Opfer auf die andern Länder abwälzen. Übrigens ist jene Annahme nicht allgemein zutreffend. Ist auch eine Überwälzung auf Fremde unter besondern Umständen ganz oder zum Teil möglich, so ist dies dann nicht der Fall, wenn bei Abnahme von Einfuhrartikeln eine Konkurrenz zu bestehen ist, jene Artikel mithin eine Art Weltmarktpreis haben.
Eine durch hohen Zollschutz bewirkte nationale Abschließung führt auch nicht unbedingt zu einer von Störungen freien Selbständigkeit. Wenigstens ist es unwahrscheinlich, daß dieselbe mehr Garantie für eine normale Entwickelung bietet als ein örtlicher Arbeitsteilung entsprungener lebhafter Verkehr. Hat doch gerade das moderne Transportwesen den Menschen vom Wechsel zwischen Gunst und Ungunst der Natur unabhängiger gemacht, einen vollständigern örtlichen und zeitlichen Ausgleich von Mangel und Überfluß und damit größere Preisstetigkeit ermöglicht.
Vollständige wirtschaftliche Selbständigkeit durch nationale Abschließung zu erzielen, ist heute unmöglich und verkehrt. Das Protektionssystem kann darum nur darauf Anspruch erheben, geeignete wichtigere Industriezweige zur Entwickelung zu bringen oder gefährdete zu erhalten. Gerade dieser letztere Gedanke wird in der Neuzeit mehr vertreten. Der Zoll soll dazu dienen, vorhandene Kräfte zu erhalten und Existenzen zu schützen gegen die Gefahr eines durch Änderung des Verkehrswesens, der wirtschaftlichen Technik, der Gesetzgebung etc. bewirkten plötzlichen Ansturms, welchem dieselben erliegen müßten.
Der Zoll hätte demnach die Bedeutung eines vorübergehenden Schutzes, welcher während einer Übergangsperiode gewährt wird. Von diesem Gesichtspunkt aus hat man auch ganz vorzüglich in der neuern Zeit die der Landwirtschaft zugestandenen Zölle gerechtfertigt. Derselbe könnte auch bei einer Arbeiterschutzgesetzgebung geltend gemacht werden, welche den Unternehmern große Opfer auferlegt. Auch sind Fälle denkbar, in welchen die Erhaltung selbst dauernd unrentabler Produktionszweige nötig ist, weil dieselben in andern Beziehungen von hoher Bedeutung sind (z. B. Schutzwald).
Der volkswirtschaftlichen Zollpolitik gehören die Begriffe der Differenzial-, Retorsions- und auch großenteils der Rückzölle an. Differenzialzölle (Unterscheidungszölle) nennt man solche, welche Waren einer Gattung in der Praxis mehr, oder nur solche, welche gleichartige Waren verschieden belasten. So können Unterschiede gemacht werden, je nachdem die Waren zu Wasser oder zu Lande eingeführt werden. Diese Unterscheidung kann in der Zolltechnik ihre Begründung finden (geringe, schwer kontrollierbare Einfuhr auf dem einen Weg), ebenso aber auch in der Zollpolitik, welche einen besondern Weg oder ein Land begünstigen will.
Schiff I

* 19
Schiff.Der Zoll kann ferner verschieden bemessen sein, je nach dem Lande der Herkunft (direkte und indirekte Einfuhr von Kolonien, Begünstigung des einen Landes vor dem andern), nach der Flagge, welche das Schiff [* 19] trägt (Zuschlag für Flaggen [* 20] andrer Völker etc.; vgl. Zuschlagszölle). Solche Unterscheidungszölle sind auch oft das Ergebnis von Handelsverträgen, indem durch Vereinbarungen zwischen zwei Ländern zu gunsten des einen oder beider Abweichungen von den Zollsätzen des allgemeinen Tarifs verabredet wurden.
Retorsionszölle (v. lat. retorquere = zurückdrehen, erwidern) sind solche Zölle, welche als Akt der Wiedervergeltung (Vergeltungszölle) zu ungunsten eines andern Landes aufgelegt werden, wenn dasselbe durch Zoll- oder andre Maßregeln die Angehörigen des eignen Landes benachteiligt; da diese Zölle meist den Zweck haben, bessere Bedingungen zu erkämpfen, so nennt man sie wohl auch Kampfzölle. Derartige Kampfzölle haben die Zollgesetze der meisten Länder, so auch das deutsche von 1879 (§ 6), vorgesehen. Nach dem Kampfzollparagraphen des deutschen Zollgesetzes können Waren, welche aus ¶