Zinn
(Stannum, frz. étain; engl. tin). Dieses, im reinen
Zustande dem
Silber an Farbe und Glanz nahekommende, Metall findet sich nur an wenig Punkten der
Erde, nie gediegen und
nur
in wenigen Verbindungen. Das einzige in Betracht kommende Erz ist das Zinnoxyd
, der Zinnstein, der in
reinem Zustande aus 78,6% Metall und 21,4 Sauerstoff besteht. Dieses Mineral hat seinen ursprünglichen Sitz in quarzreichen
kristallinischen Massengesteinen, z. B.
Granit,
Porphyr, Gneis, Grünstein.
Solche zinn
führende Granitkuppen heißen Zinnstöcke. Das Oxyd tritt teils als schwerer harter Stein,
teils in wohlausgebildeten Kristallen von ungemeiner Härte auf (Zinn
graupen), die gewöhnlich nicht weiß, sondern durch
Eisen mehr oder weniger braun gefärbt sind. Aber auch der ganze
Granit der Zinn
stöcke ist mit mikroskopischen Partikeln von
Oxyd durchsetzt und die Verarbeitung dieser Massen, um das Oxyd zu isolieren, ist eine der schwierigsten
Berg- und Hüttenarbeiten.
Das von Zinn
stöcken gewonnene Metall, das sog. Bergzinn
, ist nicht das beste; es wird übertroffen
von dem Wasch- oder Seifenzinn
, das auf viel leichtere Weise erreichbar ist. Die Natur hat an manchen Orten die ursprünglichen
Muttergesteine zertrümmert, pulverisiert und verwaschen und solchergestalt das schwere Zinnoxyd
so ausgeschieden,
wie es durch Menschenhände nur mit großer Mühe ermöglicht werden kann. Hier besteht also die Gewinnungsarbeit lediglich
im Abschlemmen des Erdreiches mit Wasser, bis das Oxyd rein ist, und im Ausschmelzen desselben unter Zuschlag des allgemeinen
Reduktionsmittels, Kohle.
Bei der Bergwerksarbeit wird das zinn
haltige Gestein mit Pulver gesprengt oder durch Feuersetzen mürbe
gemacht, geröstet, durch Pochen in seines
Mehl verwandelt, wieder geröstet und auf Waschwerken bearbeitet, bis der Zinn
gehalt
etwa 50-70% beträgt. In Sachsen kürzt man die Reinigungsarbeit ab durch Ausziehen des Pochmehles mit
Salzsäure. Das Ausschmelzen
des Oxydes ist ebenfalls schwierig und verlangt außer Kohle noch andre Zuschläge, um die fremden Metalle
zu verschlacken. In den Zinn
werken des sächsischen Erzgebirges kann man nur diese Arbeit betreiben, da dort Zinnseifen
nicht vorhanden sind; im englischen Zinn
distrikt gewinnt man Wasch- und Bergzinn nebeneinander, in Indien kannte man bis
vor wenigen Jahren nur das erstere, doch sind in neurer Zeit auch abbauwürdige Zinn
stücke nachgewiesen
und in Angriff genommen worden.
Das Zinnoxyd
findet sich dort in Körnchen und als feiner Staub in außerordentlicher Menge im Sande bis auf 3-5, ja selbst 9 m
Tiefe; die Gewinnung ist reine Schlemmarbeit. Für Europa ist die Hauptfundstätte des Z. Cornwall und Devonshire im südöstlichen
England. Von dort aus wurde schon in den ältesten Zeiten das Z. zu den Mittelmeervölkern gebracht und bildete einen Haupthandelsartikel
der Phönicier. Doch soll damals das Metall auch in Spanien oder Portugal gewonnen worden sein. Das Z. bildet bekanntlich
einen Bestandteil, der im Altertume eine so große Rolle spielenden
Bronze (s. d.) Seit so langen Zeiten
haben also Englands Gruben vorgehalten und ergeben noch jetzt gegen 9-10 Mill. kg jährlich. Von den erzgebirgischen Werken
zu Altenberg und
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Zinnwald
, die seit dem 12. und 13. Jahrhundert im Betriebe sind und anfänglich sehr reich waren, ist das letztere wegen
Unergiebigkeit ganz ins Stocken gekommen, das erste noch im Bau und vertritt die sächsische Produktion jetzt fast allein,
denn es kommen hierzu nur noch ein paar kleinere Beiträge von Marienberg und Johanngeorgenstadt. Der
Gesamtertrag beläuft sich auf etwa 130000 kg im Jahre. Im benachbarten Böhmen wird in Schlaggenwald, Joachimsthal, Graupen,
welches letztere 1876 207400 kg lieferte, Z. gewonnen.
Von größter Bedeutung für den Handel ist das indische Z. Die zinn
haltigen Anschwemmungen finden sich auf der Ost- und
Westküste der malaiischen Halbinsel in weiter Erstreckung, sowie auf einigen benachbarten Inseln, vor
allen Banca, das nebst Billiton den Holländern gehört und wo das Metall in bester Güte und großen Mengen gefunden wird.
Das Z. von der Halbinsel wird von den Engländern ausgeführt und bildet das Malakkazinn (bei den Engländern straits tin).
Banca- und Billitonzinn gehen über Batavia nach Holland und werden dort in periodischen Auktionen versteigert. Die Sendungen betrugen noch vor 10-12 Jahren jährlich zwischen 4 und 5000 Tons à 1000 kg. Bis zum Jahre 1870 machten Holland und England die Zinnpreise. Mit diesem Jahre tritt aber Australien mit den Provinzen Victoria, Neu-Südwales und Queensland als Produzent auf und erreichte bereits im Jahre 1875 eine Ausbeute von mehr als 7000 Tons; d. i. mehr als 68% der früheren Gesamtproduktion.
Dadurch sind die Zinnpreise in neurer Zeit herabgegangen, zeitweise sogar sehr bedeutend. Aber auch der durch Einführung der Anilinfarben, bei deren Verwendung keine Beize erforderlich ist, geringer gewordene Bedarf an Zinnsalzen hat mit zum Preisrückgange beigetragen. Amerikanisches Z. kommt in unbedeutenden Quantitäten nach Europa von Chili, Peru und Mexiko. Nach Kupelwieser wurde 1874 an Z. erzeugt in Großbritannien 9767, in Österreich 160, in Deutschland 57 Tons.
Queensland lieferte an Z. und Zinnerzen mit 70% Gehalt über 6000, Neusüdwales 7 bis 8000 Tons. Deutschland produzierte 1878: 83100 kg Z. im Werte von 107947 Mk. -
Das Z. kommt in den Handel in allerlei gestempelten Formen von Blöcken, Platten, Kuchen, Barren, Brocken, kleinen Stangen, aufgerollten Tafeln etc. Die Engländer gießen ihr Werkzinn in Blöcke (Blockzinn), während sie dem Waschzinn eine eigentümliche Form geben. Das Metall wird, wenn es rein ist, in einer Hitze, die seinem Schmelzpunkte nahe liegt, in hohem Grade spröde, sodaß es, wenn man es mit Hämmern schlägt oder aus geringer Höhe herabwirft, in eine Menge rundlicher Stückchen mit kristallinischen Flächen zerspringt; diese Kristallisation dient als Zeichen der Reinheit.
Die Ware heißt in dieser Form Körnerzinn. Das reinste Z. kommt von Malakka, Banca und Billiton in Pyramiden, fingerdicken Stangen oder Blöcken von 20-25 kg oder 60-65 kg. Das nächstbeste ist das englische refined tin in Blöcken von 150 kg; es enthält nur wenig Eisen, kein Kupfer, Arsen und Blei. Das englische common tin enthält etwa 0,2% Eisen und bis 1% Kupfer und steht dem ersteren nach. Das sächsische und böhmische Z. folgen dann; ihre Qualität hat sich, seit die gepochten Erze mit Salzsäure behandelt werden, bedeutend gebessert, namentlich ist der Wolframgehalt bis auf 0,1% herabgegangen. Peruanisches Z. enthält häufig größere Mengen Wolfram, Blei und Arsen, sodaß es vor der technischen Verwendung raffiniert werden muß. Australisches Z. ist meistens wolframhaltig, übrigens rein. -
Die technische Verwendung des Z. ist eine vielseitige. In seinem Gebrauche zu Zinngießereiwaren erhält es stets einen Zusatz von Blei, weil es dadurch leichter gießbar, härter und wohlfeiler wird. Das mäßigste Mischungsverhältnis ist 32 Tle. Z. und 1 Tl. Blei (vierstempliges Z.), aber die Verhältnisse gehen herab bis zu 1 Tl. Z. und 1 Tl. Blei (einpfündiges Z.). Enthält die Mischung nicht mehr als ⅓ Blei, so wird sie gewöhnlich als für Speisegeschirr tauglich angesehen.
Das Z. der Orgelbauer enthält immer auch Blei, gewöhnlich im Verhältnis von 2 zu 5; bei Zinnfiguren ist meist die volle Hälfte Blei. Weiteres über die Verbindungen des Z. mit andern Metallen s. u. Legierungen. Für manche Zwecke der Färberei, Farbenfabrikation u. dgl. braucht man Kessel, Pfannen, Destillierblasen etc. von feinem Z. Andrerseits dient das Metall hauptsächlich zum Verzinnen von Kupfer, Eisen und Blei. Weißblech (s. Bleche) ist ein bedeutender Artikel dieser Art. Bleierne Wasserröhren werden durch Verzinnung unschädlich gemacht; Stecknadeln (s. Nadeln) sind meistens verzinnt. -
Bei der Weichheit des Metalles läßt es sich leicht zu dünnen Blättern - Zinnfolie oder Staniol - auswalzen. Diese Blätter dienen mit Quecksilber zum Belegen der gewöhnlichen Spiegel und außerdem zum Einhüllen von Stoffen, die vor Einwirkung der Luft geschützt werden sollen. Insoweit diese Stoffe Genußmittel, wie Schokolade und Schnupftabak, sind, soll die Folie bleifrei sein, ist es aber gewöhnlich doch nicht; es gibt sogar Folie, die aus zwei Zinnplatten und einer dazwischen liegenden Bleiplatte gewalzt ist.
Über die Verwendung des Z. zu unechtem Blattmetall und Musiv-Gold und -Silber s. d. Art. -
Auch in seinen Salzen und andern Präparaten ist das Metall von Wichtigkeit. Zinnoxyd entsteht erstlich durch Schmelzen des Z. an der Luft, wobei sich das Metall in ein graues Pulver verwandelt, das sich durch Schlemmen in unverändertes Metall und weißes Oxyd scheiden läßt, welches in diesem Falle Zinnasche heißt und ein ausgezeichnetes Schleif- und Poliermittel, namentlich für Stahl, ist. Das Zinnoxyd ist außerdem noch zu erhalten durch Ausfällen aus einer Zinnsalzlösung durch Alkali, sowie direkt durch Eintragen des zerkleinerten Metalles in Salpetersäure, die es sofort in ein weißes Pulver verwandelt. Das Oxyd geht in Glasflüsse ein und macht sie weiß und undurchsichtig; es ist daher das Mittel zur Darstellung von Email und weißen Glasuren. - Wegen der ausgezeichneten Fähigkeit des Oxydes, Farbstoffe zu binden und auf Zeugen zu fixieren (s. Lackfarben), sind ¶
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mehrere Zinnpräparate unentbehrlich für die Färberei und werden fabrikmäßig dargestellt. Sie dienen außer dem genannten Zwecke häufig zugleich zum Nüancieren der Farben. Es sind dies namentlich Zinnsalz (Einfach-Chlorzinn, Zinnchlorür), erhalten durch Auflösen des Z. in heißer Salzsäure bis zur Sättigung, und Zweifach-Chlorzinn (Zinnchlorid) durch Eintragen von Z. in Königswasser. Für Fälle, wo die Zinnpräparate nicht sauer sein dürfen, hat man das Pinksalz (s. d.) und das Zinnoxydnatron oder zinnsaure Natron (Sodastannat), eine Verbindung des Oxyds mit Ätznatron. Da das erstere hier dem Natron gegenüber an Stelle einer Säure steht, so nennt man es auch Zinnsäure. - Zoll: Zinnerz, rohes Z., auch mit Blei, Spießglanz oder Zink legiert, altes Bruchzinn und Zinnpräparate zollfrei. Zinnplatten, sowie Zinnwaren s. Tarif Nr. 43 b, c, d. Legierungen von Z. mit andern als den vorstehend genannten unedlen Metallen gehören der Tarifnummer 19 an.