Zemente.
Unter dem Namen Zement versteht man teils Wassermörtel überhaupt, teils Stoffe, welche, als Zuschläge zu gewöhnlichem Kalksandmörtel (Luftmörtel) gebraucht, diesem ebenfalls die Eigenschaft geben, unter Wasser steinartig zu erhärten. Wenn ein Kalk wenigstens 8% Thon enthält, also zur Klasse der Mergelkalke gehört, verhält er sich im Brennen und Löschen anders wie gewöhnlicher Kalkstein; er bildet eine erdig graue Masse, die sich mit Wasser wenig oder gar nicht erhitzt.
Solcher Kalk heißt hydraulischer und ist der zu Wassermörtel dienliche; doch gibt er nicht in allen Fällen gleichgute Resultate. Für die Praxis ist ein Thongehalt zwischen 20 und 30% erwünscht. Als vorzügliche Zusätze, welche gewöhnlichen Mörtel in hydraulischen verwandeln, sind seit langer Zeit bekannt und werden auch, soweit thunlich, verschickt: rheinischer Traß, römische Puzzolanerde, neapolitanischer Pausilippotuff, Santorinerde von der gleichnamigen griechischen Insel.
Alle sind vulkanischen Ursprungs und vom Erdfeuer tauglich präpariert, sodaß sie nicht erst gebrannt zu werden brauchen;
man nennt sie daher natürliche Zemente
, im Gegensatz zu den künstlichen, die erst durch Brennen gebildet
werden. Die Fabrikation der letztern hat jetzt eine sehr bedeutende Ausdehnung erhalten; das deutsche Fabrikat ist jetzt
ebenso gut, wie der natürliche und der englische Z., der früher den alleinigen Ruf hatte (Romanzement, Portlandzement).
Die Fabrikation des künstlichen Z. beruht darauf, daß man Thon und Kalkstein oder Kreide auf das feinste mahlt und innig mengt, mit Wasser daraus Ziegel formt, diese trocknet und brennt. Man erhält so ein gleichmäßigeres Produkt, als durch Brennen der natürlichen Mischungen der Mergel, die sehr verschieden in ihrem Thon- und Kalkgehalte sind. Das Brennen wird bis zur anfangenden hellen Weißglühhitze fortgesetzt; bei zu schwacher Hitze ist das Thonsilikat nicht genügend aufgeschlossen, bei zu starker Hitze erleidet die Masse eine anfangende Schmelzung, und ist dann als Z. unbrauchbar (totgebrannt).
Die Steine müssen nach dem Brennen noch porös sein; sie werden dann fein gemahlen. Gut gebrannter Z. hat eine grünlichgraue Farbe; er scheidet beim Übergießen mit Salzsäure Kieselgallerte ab. Man hat langsam bindenden und schnell bindenden Z.; ersterer ist der gebräuchlichere, er erhärtet erst nach einer halben Stunde und später. Für die Prüfung und einheitliche Lieferung der Z. sind von dem Vereine deutscher Zementfabriken in Gemeinschaft einiger andrer Vereine und Korporationen gewisse Normen festgestellt worden (seit 1877), nach denen sich die Fabrikanten verpflichten zu liefern. Der Abdruck derselben würde hier zu viel Raum beanspruchen; bemerkt mag nur werden, daß nur Normaltonnen von 180 kg brutto und 170 kg netto, sowie Säcke von 60 kg brutto von den Fabriken verpackt werden, sowie auch halbe Tonnen von 90 kg brutto und 83 kg netto. Streuverlust, sowie etwaige Schwankungen können bis zu 2% nicht beanstandet werden. - Die Benutzung des Z. als Wassermörtel zu Wasserbauten und zum Überkleiden der Flächen von Bassins, Gruben etc., in denen Flüssigkeiten wasserdicht aufbewahrt werden sollen, ist bekannt; ferner fertigt man aus Z. Tröge, Röhren, Fußbodenplatten, Ornamente etc., wobei der Z. stets mit Sand gemischt wird. Die Erhärtung des Z. beruht auf der chemischen Bindung von Wasser unter Bildung eines wasserhaltigen Kalkthonerdedoppelsilikates; daher ist es auch notwendig, Zementarbeiten so lange unter Wasser zu lassen, bis sie vollständig erhärtet sind. Vgl. ferner Magnesiazement. - Die eigentliche Fabrikation des Z. als Handelsware, die jetzt schon ein bedeutendes Objekt der Industrie und des Handels geworden ist, fand in England ihren Anfang mit Parker's Romanzement.
Das Material dazu gibt ein an den Themseufern vorfindlicher Thonkalk, der nur gebrannt und gemahlen zu werden braucht, um sogleich einen vorzüglichen Z. zu bilden. Er stellt ein bräunliches Pulver dar. Da die Fälle, in welchen ein Mergel schon an sich das passendste Verhältnis von Thon und Kalk zeigt, nicht eben häufig sind, so stellt man solches durch Zusatz des Fehlenden her, indem man die Rohmaterialien erst passend mischt, dann vorsichtig brennt und pulvert. Das richtige Brennen ist immer eine Hauptsache. - Aus solchen Mischungen bestehen unter andern die berühmten englischen Z. Portland und Medina.
Die englischen Waren sind viel nach Deutschland gekommen und werden noch jetzt, aber in geringerm Maße bezogen, da sich seitdem auch bei uns mehr und mehr derartige Fabriken aufgethan und die Produkte derselben zum Teil sehr guten Ruf erlangt haben, wie die von Stettin, Bonn, Ulm, Kassel etc. Die Z. können auch ohne Sandzusatz verarbeitet werden, da sie die Bedingung des Erhärtens schon in sich tragen. Die Bindung erfolgt nämlich bloß dadurch, daß sich der gebrannte Kalk und die durch das Brennen aufgeschlossene Kieselsäure des Thons unter dem ¶
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Einflüsse des Wassers chemisch zu einer festen Masse vereinigen. Daher sind auch andre durchs Feuer gegangene kieselhaltige Stoffe, wie Schlacken, Ziegelmehl. Scherben von thönernen Schmelztiegeln etc. als Ingredienzen zu Z. wohl geeignet. Die Z. dienen nicht allein zu Wasser- und Grund-, sondern auch zu Luftbauten, namentlich zu sehr dauerhaftem Häuserabputz. Immerhin macht sich doch die hydraulische Natur der Masse soweit geltend, daß die Erhärtung nur in feuchter Witterung gut erfolgt, daß bei trocknem Wetter genetzt und für Abhaltung der Sonnenstrahlen gesorgt werden muß. Die übliche Versendungsweise des Z. ist die in dichten Fässern; er ist je frischer je besser, leidet durch langes Lagern und verdirbt durch Zutritt der Luft, zumal feuchter, bis zu völliger Wertlosigkeit. Die Einfuhr von Z. in das Deutsche Reich belief sich 1881 auf 28206800 kg, die Ausfuhr auf 235031900 kg. -
Z., sowie die vorgenannten Waren daraus, zollfrei. Weniger schwer ins Gewicht fallende Zementwaren werden gem. Tarif Nr. 27 f 1 oder 2 verzollt.