Titel
Zähne.
[* 2] Vergleichende
Studien der
Entwickelungsgeschichte
[* 3] haben ergeben, daß die Zähne
der
Wirbeltiere den
Fischschuppen
analoge Hautgebilde sind, die aus einer
Verkalkung von Hautpapillen entstehen und daher bei manchen
Fischen
einen großen Teil der Mundhaut,
Gaumen und
Kiefer in dichter, mehrreihiger Pflasterung überziehen, während sie bei höhern
Wirbeltieren auf eine einfache, die Kieferränder umsäumende
Reihe von Kauwerkzeugen beschränkt sind. Man glaubte bisher,
daß die ältesten verkalkten Wirbeltierzähne
bei den kiefermündigen
Fischen (Gnathostomi) auftreten, und daß die tiefer
stehenden
Rundmäuler, zu denen die
Neunaugen gehören, nur unverkalkte Hornzähne
besäßen.
Aber
Beard zeigte 1888, daß zwei schmarotzende Rundmäulergattungen (Bdellostoma und Myxine) in der hornigen
Hülle ihrer
Zähne
einen längsgestreiften kalkigen
Kern besitzen, der in eine
Krone von Dentin oder
Email ausgeht.
In den
Klassen der niedern
Wirbeltiere behalten die Zähne
dann meist einfache kegelförmige, einwurzelige
Formen, deren
Fläche höchstens
am
Rande einige Einkerbungen und
Furchen aufweist, und solche einfache, immer nachwachsende, meist sehr zahlreiche Kegelzähne
bewaffnen den
Rachen der
Fische,
[* 4]
Amphibien,
Reptilien sowie der ältesten
Vögel
[* 5]
(Zahnvögel) und
Säugetiere in langen
Reihen, ohne
daß eine andere Differenzierung einzutreten pflegt, als daß sich bei einigen
Reptilien einzelne Zähne
stärker
als die andern zu
Hauern, Reißzähnen
u. dgl. ausbilden. Im
allgemeinen aber findet die
Ausbildung einer weitern
Arbeitsteilung und Verunähnlichung der Zähne
erst bei den
Säugetieren statt,
wo die Zähne
sich in einfache, einwurzelige Vorderzähne und mehrwurzelige Backenzähne mit zusammengesetzter Kronenbildung
sondern, die je nach der Ernährungsweise eine besondere Form erhalten, ein begrenztes Wachstum zeigen
und in zwei
Schüben
(Milchzähne und bleibende Zähne
) auftreten. Im allgemeinen hat mit dieser Verbesserung des
Gebisses eine
Verminderung der Zahl der Zähne
stattgefunden, sei es, weil sich die
Entwickelung der Zahnkeime jetzt in mehreren
Schüben vollzieht,
oder weil die stärker gewordenen Backenzähne
Raum und
Nährstoff mehrerer ältere Zahnkeime beanspruchen; die eocänen Säuger
besaßen der großen
Mehrzahl nach ein viel zahnreicheres
Gebiß als die spätern.
Bei diesem Sachbefund war es nun lange als eine rechte Schwierigkeit empfunden worden, daß diejenigen heute lebenden
Säugetiere,
die man nach ihrem gesamten
Bau, Fortpflanzungsweise, niederer Blutwärme etc. als Vertreter der niedersten
und ältesten
Formen auffassen mußte, die
Schnabeltiere, statt des nach der eben erörterten Verminderungsregel vorauszusetzenden
zahnreichen
Gebisses gar keine echten Zähne
in ihrem
Schnabel besaßen, sondern statt dessen einige Hornzähne.
Obwohl man nun allgemein auf das Verschwundensein eines ehemals vorhandenen Gebisses wie bei den Walen schloß, so erregte es doch großes Interesse, als Poulton 1888 im Rachen eines jungen Schnabeltiers einige wohl ausgebildete, dentinhaltige, mit mehreren Spitzen versehene Zähne fand, die das Zahnfleisch noch nicht durchbrochen hatten. Poulton glaubte, daß sie es überhaupt nicht durchbrachen, und daß hier ein ähnlicher Fall vorlage wie bei gewissen Walen, wo die Zähne nur beim Embryo erscheinen und nachher, ohne ans Licht [* 6] getreten zu sein, wieder resorbiert werden.
Aber Thomas, der 1889 etwas ältere Schnabeltiere untersuchte, fand, daß diese Zähne während längerer Zeit benutzt werden, nachdem sie wie gewöhnlich das Zahnfleisch durchbrochen haben, daß sie dann aber durch Reibung [* 7] mit Nahrung und Sand, ähnlich wie die Milchzähne andrer Tiere, herausgebrochen und nicht mehr ersetzt werden. An ihrer Stelle entwickeln sich sodann aus dem Mundepithel Hornzähne (Cornula) und zwar so, daß in den Platten die Alveolen sichtbar bleiben. Derselbe Beobachter fand bei ganz jungen Erdferkeln (Orycteropus afer) ein Milchgebiß, welches nicht in Funktion tritt, sondern von dem definitiven Gebiß alsbald abgelöst wird.
Über die Art und Weise, wie aus dem einfachen Kegelzahn der niedern Säuger (Edentaten, Walen etc.) sowie der niedern Wirbeltiere überhaupt der vollkommenere, einer Zerkleinerung härterer Nahrung gewachsene Höckerzahn entstanden ist, haben Cope und neuerdings Osborn vergleichende Untersuchungen angestellt. Da die Schneidezähne dem alten Typus der Einwurzeligkeit getreu bleiben und die Veränderung der Krone nur in der Verbreitung des Kegels zu einer Schneide besteht, so handelt es sich hierbei hauptsächlich um die Fortbildung der Backenzähne, unter denen der dreihöckerige Typus vorherrscht. Osborn unterscheidet hierbei vier ebenso vielen Stufen entsprechende Typen (s. Figur):
1) den Haplodontentypus mit einfacher Wurzel [* 8] und beiderseits kegelförmiger Ausgestaltung. In idealer Reinheit sind solche Zähne bei keinem Säugetier bekannt, da sie nur bei den allerältesten
[* 1] ^[Abb.: Haplodonten-, Protodonten-, Triconodonten-, Trituberkular-Typus.] ¶
mehr
vorauszusetzen wären. Indessen geben manche Wal- und Edentatenzähne wenig veränderte Nachbilder.
2) Den Protodontentypus, bei welchem die zusammengedrückten kegelförmigen Zähne spitze Seitenauswüchse zeigen, wie ein schmales, tiefgesägtes Pflanzenblatt mit 3-4 Seitenzähnen. Solche Zähne befinden sich beim Dromatherium, einem der ältesten bekannten Säuger aus den amerikanischen Triasschichten. Eine Furche der Wurzel deutet die Anfänge einer Teilung derselben an. 3) Triconodontentypus, zwei der im vorigen Typus unregelmäßigen Seitenzacken haben sich zu Kegeln entwickelt, die mehr und mehr dem ursprünglich einzigen Konus, der nun zum Mittelkegel wird, in Größe gleichkommen. Die Zahnkrone besteht demnach aus drei nahezu in einer Ebene liegenden Kegeln, von denen der mittlere die seitlichen wenig oder gar nicht überragt. Aus der gefurchten Wurzel der vorigen Gruppe ist eine geteilte geworden. Die typische Form findet sich bei der Gattung Triconodon aus den englischen Purbeckschichten (Übergang von der Jura- zur Kreideformation). [* 10]
4) Den Trituberkulartypus; die mittlere Zahnspitze ist aus der Ebene der seitlichen herausgewichen, die Zahnkrone dadurch dreieckig geworden mit den in ihre drei Ecken gedrängten Zahnhöckern. Man kann sich diese schon bei Spalacotherium (Jura) auftretende Hauptform, die nun allen weitern wesentlichen Verbesserungen zu Grunde liegt, aus der Notwendigkeit entstanden denken, daß die Spitzen der obern und untern Backenzähne ineinander greifen müssen, um eine vollkommene Wirkung zu erzielen.
Damit aber die Höcker des einen in die Vertiefung des andern eingreifen können, war eine Verdrängung des mittlern Höckers aus dem Zentrum nötig. Nicht in diese Hauptreihe gehört der seltenere Vielhöckertypus (Multituberkulartypus), der schon bei Plagiaulax (Purbeckschichten) auftritt. Bei den fortschreitenden Formen wird die Grundgestalt mehr und mehr in Zahnschmelz versenkt, der die Vertiefungen ausfüllt und der Krone ihre Widerstandsfähigkeit verleiht, besonders stark bei den Raubtieren, die dadurch befähigt werden, harte Knochen [* 11] zu zerbeißen.