1) griech. Geschichtschreiber, geboren um 434 v. Chr. zu Athen, Schüler des Sokrates, begab
sich nach Beendigung des Peloponnesischen Kriegs zu dem jüngern Kyros nach Sardes und begleitete denselben auf dem Zug,
den er gegen
seinen Bruder Artaxerxes Mnemon unternahm (401). Nach der unglücklichen Schlacht bei Kunaxa führte er die 10,000 Griechen,
welche einen Teil vom Heer des Kyros ausgemacht hatten, aus Mesopotamien durch das Hochland von Armenien auf
einem fast 4000 km langen Weg nach der Küste des Schwarzen Meers und von da nach dem Hellespont zurück, nahm dann am Zug
des Agesilaos
(396) in Kleinasien teil, begleitete letztern 394 auch auf seinem Zug
durch Thrakien und nach Böotien und focht
bei Koroneia auf seiten der Lakedämonier.
Wegen seiner Vorliebe für Sparta hatten ihn die Athener schon vorher verbannt. Die Spartaner schenkten ihm dafür ein Landgut
bei Skillus in Elis. Von hier nach der Schlacht bei Leuktra (370) verjagt, brachte er den übrigen Teil seines Lebens
auch nach Aufhebung der Verbannung in Korinth zu und starb nach 355. Seine Schriften, deren Hauptvorzug in der klaren und lichtvollen
Sprache besteht, sind teils historischen oder historisch-politischen, teils philosophischen, teils technischen Inhalts. Zu
der ersten Gattung gehören: die »Anabasis« oder »Expeditio Cyri«. 7 Bücher, eine Schilderung des Rückzugs der
10,000 Griechen unter Xenophon, herausgegeben von Hug (Leipz. 1878),
Krüger (7. Aufl., Berl. 1888),
Vollbrecht (8. Aufl., Leipz.
1886) und Rehdantz (6. Aufl., Berl. 1888);
die »Cyropädie« oder »De institutione Cyri«, 8 Bücher, die Geschichte des ältern
Kyros, die jedoch mehr eine Tugendlehre für den Beherrscher eines großen Staats als ein Geschichtswerk
ist, herausgegeben von Hug (Leipz. 1878),
Breitenbach (3. Aufl., das. 1878) und Hertlein (4. Aufl.,
Berl. 1886);
die »Hellenika« oder »Historia graeca«, 7 Bücher, eine Fortsetzung der Geschichte des Thukydides vom Jahr 411 bis
zur Schlacht bei Mantineia (362 v. Chr.),
herausgegeben von Breitenbach (2. Aufl., Berl. 1884),
Büchsenschütz
(5. Aufl., Leipz. 1884);
»Agesilaos«, ein Panegyrikus, von zweifelhafter Echtheit, herausgegeben von Sauppe (Helmst. 1841);
»Über die Staatsverfassung der Lakedämonier« herausgegeben von Haase (Berl. 1833);
»Über die Staatsverfassung der Athener«,
herausgegeben von Kirchhoff (das. 1874) und M. Schmidt (Jena 1876);
»Über Staatseinkünfte«, herausgegeben von Zurborg (Berl.
1874);
»Hiero«, ein Gespräch über die Mittel, wodurch ein Herrscher sein Land glücklich machen könne.
Zu den philosophischen Schriften gehören: die »Apomnemoneumata« oder »Memorabilia«, 4 Bücher, eine Darstellung der Lehren des
Sokrates in Gesprächsform, herausgegeben von Kühner (4. Aufl., Leipz. 1882) und Breitenbach (Berl. 1854);
die »Apologie des
Sokrates«, von zweifelhafter Echtheit, herausgegeben von
Bornemann (Leipz. 1824) u. Herbst (Halle 1830);
das »Symposion«, eine Schilderung des Sokrates in der heitern Geselligkeit eines Mahls;
der »Oeconomicus«, Gespräch über die
Verwaltung des Hauswesens.
Technischer Art sind: »Hipparchicus«, Anweisungen für einen athenischen Reiterobersten;
Ȇber
die Reitkunst«, herausgegeben von Courier (Par. 1818) u. von Jacobs (Gotha 1825);
»Über die Jagd«. Gesamtausgabe
von Schneider (Leipz. 1790-1815; neueste, zum Teil von Bornemann und Sauppe besorgte Auflage, das. 1825-49, 6 Bde.),
von Bornemann, Kühner und Breitenbach (Gotha 1828, 4 Bde.), Dindorf (Oxf. 1857, 5 Bde.), Sauppe (Leipz. 1865, 5 Bde.) u.
Schenkl (Berl., bis jetzt 2 Bde.).
Unter den deutschen Übersetzungen sind die von Tafel, Christian und Osiander (Stuttg. 1827-31, 16 Bdchn.;
neue Bearbeitung 1854 ff.) und von Zeising, Forbiger u. a. (das. 1854-72, 12 Bde.)
hervorzuheben. Sturz verfaßte ein »Lexicon Xenophonteum« (Leipz.
1801-1804, 4 Bde.),
Sauppe einen »Lexilogus Xenophontis« (das.
1868).
Vgl. Krüger, De Xenophontis vita (»Historisch-philosophische Studien«, Bd. 2, Berl.
1851);
Ranke, De Xenophontis vita et scriptis (das. 1851);
Roquette, De Xenophontis vita (Königsb. 1884);
Hertzberg, Der Feldzug
der zehntausend Griechen (2. Aufl., Halle 1870);
Strecker, Über den Rückzug der Zehntausend (Berl. 1886).
2) Griech. Erotiker, aus Ephesos, verfaßte wahrscheinlich gegen Ende des 2. Jahrh. n. Chr. einen »Ephesiaca« (ephesische Geschichten)
betitelten Roman in 5 Büchern, welcher die Abenteuer des jungen Ehepaars Anthia und Abrokomes in leichter und einfacher Sprache
schildert und für die folgenden Romanschreiber mehrfach Vorbild gewesen ist. Er wurde zuerst herausgegeben von Couhi (Lond.
1726), außerdem von Peerlkamp (Haarlem 1818) und in den Sammlungen der griechischen Erotiker von Hirschig
(Par. 1856) und Hercher (Bd. 1, Leipz. 1858);
ins Deutsche übersetzt von Bürger (das. 1775) und Krabinger (Münch. 1831).
griech. Schriftsteller, der Sohn des Gryllus aus Athen, geb. wahrscheinlich um 430 v. Chr., schloß sich
an Sokrates an, dessen treuer und dankbarer Schüler er sein ganzes Leben lang blieb. 401 wurde er bewogen,
den Cyrus auf dessen angeblich gegen die Pisider, in Wahrheit gegen seinen Bruder, den Perserkönig Artaxerxes Mnemon, gerichteten
Heerzuge zu begleiten. Nach der unglücklichen Schlacht bei Kunara wurde er von den etwa 10000 Mann starken griech. Hilfstruppen
zum Anführer gewählt.
Unter den größten Mühseligkeiten und Gefahren führte er sie aus dem innern Asien mitten durch feindliche
Völkerschaften und unwirtliche Landschaften nach Byzanz zurück, wo er mit ihnen in die Dienste des thrakischen Fürsten
Seuthes trat. Da dieser aber das Heer um einen Teil des Soldes betrog, führte Xenophon die Söldnerschar wieder
nach Pergamon und übergab sie dem spart. Feldherrn Thimbron, da die Spartaner sie in Sold genommen hatten. Hernach begleitete
Xenophon im Frühjahr 396 den spart.
König Agesilaus auf dessen Zuge nach Asien, kehrte mit ihm nach Griechenland zurück und war auch in der Schlacht bei Koronea
(394) gegen seine eigenen Landsleute in dessen Gefolge. Wenn Xenophon nicht schon früher aus
Athen verbannt war, so geschah das damals. Er begleitete Agesilaus nach Sparta. Später ließ er sich in Skillus bei Olympia
in Elis nieder und siedelte von da später nach Korinth über, wo er auch nach Aufhebung des Verbannungsdekrets bis zu
seinem, im höchsten Alter (um 354 v. Chr.) erfolgten Tode seinen Wohnsitz behielt.
Seine zahlreichen Schriften, an welchen schon die Alten besonders die Einfachheit, Klarheit und Anmut der Darstellung rühmten,
Vorzüge, die ihm den Beinamen der «attischen Biene» eingebracht haben, zerfallen in historische und historisch-politische,
philosophische und praktische. Unter den historischen ist die bedeutendste die «Anabasis», die Erzählung
des Rückzugs der 10000 Griechen, welche er, um unparteiischer zu erscheinen, unter einem fremden Namen (dem des Themistogenes)
herausgab, wie er auch von sich immer in der dritten Person spricht.
Ferner gehören dahin: die «Hellenika», deren zwei erste Bücher das Geschichtswerk des Thucydides bis
zum Ende des Peloponnesischen Krieges fortsetzen, während Buch 3‒7 die griech. Geschichte vom Ende dieses Krieges bis zur
Schlacht bei Mantinea (362) vom spart. Parteistandpunkt aus erzählen; die «Cyropädie»
(d. i. Erziehung des ältern Cyrus),
ein moralisch-polit. Roman, worin das Ideal eines nach Sokratischen Grundsätzen gebildeten
Monarchen dargestellt wird, und die kleinern Schriften «Agesilaus» (Lobschrift auf diesen König),
«Vom
Staate der Lacedämonier» und «Vom Staate der Athener», von denen aber wenigstens die erste höchst wahrscheinlich und die letztere
sicher nicht von Xenophon herrührt (diese ist von einem ältern Politiker bald nach dem Beginn des Peloponnesischen Krieges verfaßt).
Philosophischen Inhalts sind die «Apomnemoneumata» («Memorabilia
Socratis»),
denkwürdige Gespräche und Aussprüche des Sokrates, die Xenophon größtenteils selbst aus dessen Munde vernommen
haben will; doch geht aus ihrer innern Beschaffenheit wie aus Zeit und Anlaß der Abfassung
mehr
hinlänglich hervor, daß er sich dieser Einkleidung bedient hat, um seine eigenen Ansichten vorzutragen, die in vielem gewiß
den Sokratischen glichen, vielfach aber auch von denselben abwichen. Eine Art Anhang dazu bildet die jedenfalls nicht von Xenophon herrührende
«Apologie des Sokrates». Echt Xenophontisch dagegen sind: das «Symposion» (Gastmahl),
welches den Sokrates
in heiterer und fröhlicher Geselligkeit vorführt;
der «Oeconomicus», ein Gespräch, in dem Sokrates eine Unterhaltung erzählt,
die er mit einem Ischomachus über die beste Art der Verwaltung des Hauswesens und des Vermögens gehabt habe, und der «Hiero»,
ein Gespräch zwischen dem Fürsten Hiero von Syrakus und dem Dichter Simonides über die Vorzüge des
Fürsten- und des Privatlebens und die Kunst des Herrschens.
Rein praktischer Natur endlich sind die kleinen Abhandlungen über
die athen. Finanzen und die Mittel zu ihrer Hebung, über die Reitkunst, über die Obliegenheiten eines Anführers der athen.
Reiterei und über die Jagd (wenn letztere echt).
Die besten Gesamtausgaben der Werke X.s sind die von Schneider (neue Ausgabe, zum Teil von Bornemann und
Sauppe bearbeitet, 6 Bde., Lpz. 1805‒49),
die von Bornemann, Kühner und Breitenbach (4 Bde., Gotha und Erfurt 1838 fg.; zum Teil in 2. Aufl., Lpz. 1863), die vonL. Dindorf
(Par. 1839), von G. Sauppe (Lpz. 1865‒66) und die
von Schenkl begonnene (Berl. 1869 fg.). Von Ausgaben einzelner Schriften mit erklärenden Anmerkungen sind zu nennen die der
«Anabasis» von Krüger (7. Aufl., besorgt von Pökel, Lpz.
1888),
Hertlein (3. Aufl., ebd. 1855),
Kühner (Gotha 1852),
Vollbrecht (8. Aufl., Lpz. 1887 fg.),
Rehdantz und Carnuth
(6. Aufl., Berl. 1888 fg.);
der «Hellenika» von Büchsenschütz (1. Bdchn., 6. Aufl., Lpz. 1891; 2. Bdchn., 4. Aufl.,
1880),
Breitenbach (Bd. 1, 2. Aufl.,
Berl. 1884; Bd. 2, 1874; Bd.
3, 1876) und Gilbert (Lpz. 1889);
der «Cyropädie» von Hertlein und Nitsche (Bd.
1, 4. Aufl., Berl. 1886; Bd.
2, 3. Aufl., 1876) und Breitenbach (3. Aufl., Lpz. 1875 fg.);
der Schrift «Vom Staate der Lacedämonier» von Haase (Berl. 1833);
der «Memorabilien» von Kühner (4. Aufl., Lpz. 1882),
Breitenbach (6. Aufl., Berl. 1889) und Seyffert (4. Aufl.,
Lpz. 1883);
von kritischen Ausgaben einzelner Schriften noch die der «Anabasis» (2. Aufl., Leid. 1873),
«Cyropädie»
(3. Aufl. 1881) und der «Hellenika» (2. Aufl.,
Leid. 1880) von Cobet und die der «Anabasis» (Lpz. 1878) und der «Cyropädie»
(ebd. 1882) von Hug, sowie die der Schrift über die Finanzen der Athener von Zurborg (Berl. 1876).
Wiederholt ist insbesondere
die Schrift «Vom Staate der Athener» bearbeitet und untersucht worden; so von Kirchhoff (Berl. 1874, 1878,
1881), Wachsmuth (Gött. 1874), M. Schmidt (Jena 1876), Rettig (Wien 1877), Müller-Strübing Gött. (1880) ^[richtig (Gött.
1880)], Belot (Par. 1880), Ludw.
Lange (Lpz. 1882). Unter den deutschen Übersetzungen ohne griech. Text sind die von Walz, Campe, Hertlein, Fincke u. a.
bearbeitete (Stuttg. 1854 fg.) und die von Forbiger u. a. (ebd.
1879) hervorzuheben.
Eine biogr. Skizze schrieb Krüger (Halle 1822). –
Vgl. Ranke, De Xenophontis vita et scriptis (Berl. 1851);
Croiset, Xenophon, son
caractère et son talent (Par. 1873);
Roquette, De Xenophontis vita (Königsb. 1884);
Hartmann, Analecta Xenophontea (Leid.
1887).
Über den Zug
der Zehntausend vgl. außer Moltkes «Briefen aus dem Orient» die Schriften von Koch (Lpz. 1850),
Hertzberg (Halle 1861; 2.
Aufl. 1870), Strecker und Kiepert (Berl. 1870), Robiou (Itinéraire des Dix-mille, Par. 1873),
Strecker (Berl. 1886), von Treuenfeld (Naumb. 1890).