Xenŏphon,
griech. Schriftsteller, der Sohn des Gryllus aus Athen, geb. wahrscheinlich um 430 v. Chr., schloß sich an Sokrates an, dessen treuer und dankbarer Schüler er sein ganzes Leben lang blieb. 401 wurde er bewogen, den Cyrus auf dessen angeblich gegen die Pisider, in Wahrheit gegen seinen Bruder, den Perserkönig Artaxerxes Mnemon, gerichteten Heerzuge zu begleiten. Nach der unglücklichen Schlacht bei Kunara wurde er von den etwa 10000 Mann starken griech. Hilfstruppen zum Anführer gewählt.
Unter den größten Mühseligkeiten und Gefahren führte er sie aus dem innern Asien mitten durch feindliche Völkerschaften und unwirtliche Landschaften nach Byzanz zurück, wo er mit ihnen in die Dienste des thrakischen Fürsten Seuthes trat. Da dieser aber das Heer um einen Teil des Soldes betrog, führte Xenophon die Söldnerschar wieder nach Pergamon und übergab sie dem spart. Feldherrn Thimbron, da die Spartaner sie in Sold genommen hatten. Hernach begleitete Xenophon im Frühjahr 396 den spart.
König Agesilaus auf dessen Zuge nach Asien, kehrte mit ihm nach Griechenland zurück und war auch in der Schlacht bei Koronea (394) gegen seine eigenen Landsleute in dessen Gefolge. Wenn Xenophon nicht schon früher aus Athen verbannt war, so geschah das damals. Er begleitete Agesilaus nach Sparta. Später ließ er sich in Skillus bei Olympia in Elis nieder und siedelte von da später nach Korinth über, wo er auch nach Aufhebung des Verbannungsdekrets bis zu seinem, im höchsten Alter (um 354 v. Chr.) erfolgten Tode seinen Wohnsitz behielt.
Seine zahlreichen Schriften, an welchen schon die Alten besonders die Einfachheit, Klarheit und Anmut der Darstellung rühmten, Vorzüge, die ihm den Beinamen der «attischen Biene» eingebracht haben, zerfallen in historische und historisch-politische, philosophische und praktische. Unter den historischen ist die bedeutendste die «Anabasis», die Erzählung des Rückzugs der 10000 Griechen, welche er, um unparteiischer zu erscheinen, unter einem fremden Namen (dem des Themistogenes) herausgab, wie er auch von sich immer in der dritten Person spricht.
Ferner gehören dahin: die «Hellenika», deren zwei erste Bücher das Geschichtswerk des Thucydides bis zum Ende des Peloponnesischen Krieges fortsetzen, während Buch 3‒7 die griech. Geschichte vom Ende dieses Krieges bis zur Schlacht bei Mantinea (362) vom spart. Parteistandpunkt aus erzählen; die «Cyropädie» (d. i. Erziehung des ältern Cyrus),
ein moralisch-polit. Roman, worin das Ideal eines nach Sokratischen Grundsätzen gebildeten Monarchen dargestellt wird, und die kleinern Schriften «Agesilaus» (Lobschrift auf diesen König),
«Vom Staate der Lacedämonier» und «Vom Staate der Athener», von denen aber wenigstens die erste höchst wahrscheinlich und die letztere sicher nicht von Xenophon herrührt (diese ist von einem ältern Politiker bald nach dem Beginn des Peloponnesischen Krieges verfaßt). Philosophischen Inhalts sind die «Apomnemoneumata» («Memorabilia Socratis»),
denkwürdige Gespräche und Aussprüche des Sokrates, die Xenophon größtenteils selbst aus dessen Munde vernommen haben will; doch geht aus ihrer innern Beschaffenheit wie aus Zeit und Anlaß der Abfassung
mehr
hinlänglich hervor, daß er sich dieser Einkleidung bedient hat, um seine eigenen Ansichten vorzutragen, die in vielem gewiß den Sokratischen glichen, vielfach aber auch von denselben abwichen. Eine Art Anhang dazu bildet die jedenfalls nicht von Xenophon herrührende «Apologie des Sokrates». Echt Xenophontisch dagegen sind: das «Symposion» (Gastmahl),
welches den Sokrates in heiterer und fröhlicher Geselligkeit vorführt;
der «Oeconomicus», ein Gespräch, in dem Sokrates eine Unterhaltung erzählt, die er mit einem Ischomachus über die beste Art der Verwaltung des Hauswesens und des Vermögens gehabt habe, und der «Hiero», ein Gespräch zwischen dem Fürsten Hiero von Syrakus und dem Dichter Simonides über die Vorzüge des Fürsten- und des Privatlebens und die Kunst des Herrschens.
Rein praktischer Natur endlich sind die kleinen Abhandlungen über die athen. Finanzen und die Mittel zu ihrer Hebung, über die Reitkunst, über die Obliegenheiten eines Anführers der athen. Reiterei und über die Jagd (wenn letztere echt).
Die besten Gesamtausgaben der Werke X.s sind die von Schneider (neue Ausgabe, zum Teil von Bornemann und Sauppe bearbeitet, 6 Bde., Lpz. 1805‒49), die von Bornemann, Kühner und Breitenbach (4 Bde., Gotha und Erfurt 1838 fg.; zum Teil in 2. Aufl., Lpz. 1863), die von L. Dindorf (Par. 1839), von G. Sauppe (Lpz. 1865‒66) und die von Schenkl begonnene (Berl. 1869 fg.). Von Ausgaben einzelner Schriften mit erklärenden Anmerkungen sind zu nennen die der «Anabasis» von Krüger (7. Aufl., besorgt von Pökel, Lpz. 1888),
Hertlein (3. Aufl., ebd. 1855),
Kühner (Gotha 1852),
Vollbrecht (8. Aufl., Lpz. 1887 fg.),
Rehdantz und Carnuth (6. Aufl., Berl. 1888 fg.);
der «Hellenika» von Büchsenschütz (1. Bdchn., 6. Aufl., Lpz. 1891; 2. Bdchn., 4. Aufl., 1880),
Breitenbach (Bd. 1, 2. Aufl., Berl. 1884; Bd. 2, 1874; Bd. 3, 1876) und Gilbert (Lpz. 1889);
der «Cyropädie» von Hertlein und Nitsche (Bd. 1, 4. Aufl., Berl. 1886; Bd. 2, 3. Aufl., 1876) und Breitenbach (3. Aufl., Lpz. 1875 fg.);
der Schrift «Vom Staate der Lacedämonier» von Haase (Berl. 1833);
der «Memorabilien» von Kühner (4. Aufl., Lpz. 1882),
Breitenbach (6. Aufl., Berl. 1889) und Seyffert (4. Aufl., Lpz. 1883);
von kritischen Ausgaben einzelner Schriften noch die der «Anabasis» (2. Aufl., Leid. 1873),
«Cyropädie» (3. Aufl. 1881) und der «Hellenika» (2. Aufl., Leid. 1880) von Cobet und die der «Anabasis» (Lpz. 1878) und der «Cyropädie» (ebd. 1882) von Hug, sowie die der Schrift über die Finanzen der Athener von Zurborg (Berl. 1876).
Wiederholt ist insbesondere die Schrift «Vom Staate der Athener» bearbeitet und untersucht worden; so von Kirchhoff (Berl. 1874, 1878, 1881), Wachsmuth (Gött. 1874), M. Schmidt (Jena 1876), Rettig (Wien 1877), Müller-Strübing Gött. (1880) ^[richtig (Gött. 1880)], Belot (Par. 1880), Ludw. Lange (Lpz. 1882). Unter den deutschen Übersetzungen ohne griech. Text sind die von Walz, Campe, Hertlein, Fincke u. a. bearbeitete (Stuttg. 1854 fg.) und die von Forbiger u. a. (ebd. 1879) hervorzuheben.
Eine biogr. Skizze schrieb Krüger (Halle 1822). –
Vgl. Ranke, De Xenophontis vita et scriptis (Berl. 1851);
Croiset, Xenophon, son caractère et son talent (Par. 1873);
Roquette, De Xenophontis vita (Königsb. 1884);
Hartmann, Analecta Xenophontea (Leid. 1887).
Über den Zug der Zehntausend vgl. außer Moltkes «Briefen aus dem Orient» die Schriften von Koch (Lpz. 1850), Hertzberg (Halle 1861; 2. Aufl. 1870), Strecker und Kiepert (Berl. 1870), Robiou (Itinéraire des Dix-mille, Par. 1873), Strecker (Berl. 1886), von Treuenfeld (Naumb. 1890).