Woronesh
,
russ. Gouvernement, wird von den Gouvernements Tambow, Saratow, dem Lande der Donischen Kosaken, Charkow, Kursk und Orel umschlossen und hat ein Areal von 65,893,6 qkm (1196, QM.). Das Land ist im allgemeinen flach, mit leichten Wellungen und Kreidehügeln. Der Boden besteht in den westlichen Teilen aus Schwarzerde (Tschernosem), in den östlichen aus lehmigem Sand; indessen zieht sich auch dort zwischen den Flüssen Ussman und Bitjug ein breiter Strich Schwarzerde hin. In geologischer Beziehung gehört der Norden [* 2] des Gouvernements zum devonischen System, der Süden zum Kreidesystem.
Unfern
Pawlowsk am
Don hat man 1857 eine erratische Granitmasse gefunden, bemerkenswert, weil sie als die äußerste
südöstliche
Grenze der Verbreitung erratischer
Blöcke in Rußland gilt. Die
Ebenen sind trocken und bieten ergiebigen Ackerboden
dar.
Drei schiffbare
Flüsse,
[* 3] der
Don, der Woronesh
und der
Choper, durchströmen das
Gouvernement. Die wenigen
Seen sind unbedeutend.
Das
Klima
[* 4] ist mild und gesund (mittlere Jahrestemperatur +6,4° C.). Vom
Areal entfallen 69 Proz. auf
Acker,
8,7 auf
Wald, 16,2 auf
Wiese und
Weide,
[* 5] 6,1 Proz. auf Unland.
Die Einwohnerzahl betrug 1885: 2,538,719 Seelen, 38 auf 1 qkm. Die Bevölkerung [* 6] besteht außer einer geringen Zahl deutscher Kolonisten (Riebensdorf) und Zigeuner im S. aus Kleinrussen, im N. aus Großrussen. Die Zahl der Eheschließungen war 1885: 22,693, der Gebornen 126,328, der Gestorbenen 84,170. Das Pflanzenreich liefert alle Getreidearten und Gartengewächse, Kartoffeln, Sonnenblumen, Runkelrüben, Tabak, [* 7] Arbusen und Melonen. Die ehemaligen großen Eichenwaldungen sind jetzt fast ganz ausgerottet. Das Tierreich bietet außer den gewöhnlichen Haustieren viel ¶
mehr
Geflügel u. Bienen, aber wenig Fische. [* 9] Die Landwirtschaft (bei den Deutschen auch Gartenbau) ist die hauptsächlichste Beschäftigung der Einwohner. Die Ernte [* 10] war 1887: 12,2 Mill. hl Roggen, 7,6 Mill. hl Hafer, [* 11] 3,8 Mill. hl Weizen, 3,7 Mill. hl Kartoffeln, 1,5 Mill. hl Hirse, [* 12] 1,3 Mill. hl Gerste, [* 13] andre Cerealien, auch Hülsengewächse in geringerer Menge. Herrliche Wiesen und Weiden begünstigen die Viehzucht, [* 14] die hier auf einer sehr hohen Stufe steht. An dem Fluß Bitjug findet die bedeutendste und beste Pferdezucht [* 15] in Rußland statt.
Der Viehstand umfaßte 1885: 649,125 Stück Rindvieh, 535,481 Pferde, [* 16] 1,348,087 grobwollige, 440,820 feinwollige Schafe, [* 17] 315,007 Schweine, [* 18] 32,598 Ziegen. Die Industrie ist im Fortschreiten begriffen und wurde 1884 in 807 Fabriken mit 8139 Arbeitern und einem Produktionswert von 20,6 Mill. Rubel betrieben. Die ansehnlichsten Industriezweige sind: Branntweinbrennerei, Getreidemüllerei und Runkelrübenzuckerfabrikation. In fünf Fabriken wurden 1886-87: 77,900 Doppelztr. weißer Sandzucker produziert.
Der Handel führt hauptsächlich Getreide
[* 19] jeder Art nach Rostow am Don, Wolle nach Charkow, Vieh nach Petersburg
[* 20] und Charkow, Pferde nach verschiedenen Gouvernements. Die Hauptsitze des Handels sind Woronesh
und Ostrogoshsk. An Unterrichtsanstalten
hat Woronesh
(1885) 539 Elementarschulen mit 42,791 Schülern, 20 Mittelschulen mit 4913 Schülern und 4 Fachschulen mit 766 Zöglingen.
Das Gouvernement, 1779 errichtet, zerfällt in zwölf Kreise:
[* 21] Birjutsch, Bobrow, Bogutschar, Korotojak, Nishnedjewitzk,
Nowochopersk, Ostrogoshsk, Pawlowsk, Sadonsk, Semljansk, Waluiki und Woronesh.
- Die Hauptstadt Woronesh, unweit des Einflusses des Woronesh
in den Don und an der Eisenbahn Koslow-Woronesh-Rostow, hat 22 Kirchen, 3 Klöster, ein klassisches und ein Militärgymnasium, eine
Realschule, ein weibliches Gymnasium, ein Lehrer- und ein geistliches Seminar, bedeutende Wollwäschereien
und Gerbereien, Handel mit Getreide, Zucker
[* 22] und Sonnenblumenöl und (1885) 56,177 Einw. Sie ist Sitz eines Bischofs. Woronesh
wird schon
zu Ende des 12. Jahrh. in den Chroniken erwähnt; 1586 wurde es zum Schutz gegen die Tataren ausgebaut, erhielt aber erst Bedeutung
seit Peter d. Gr., der 1694 hier große Werften anlegen ließ, und dem 1860 ein Denkmal errichtet wurde.