Wolle
,
nach Nathusius diejenigen tierischen
Haare,
[* 2] die sich stapeln, d. h. auf dem Körper des
Tieres durch die Eigentümlichkeit
ihrer Kräuselung eine so innige
Verbindung erlangen, daß sie auch nach der
Trennung vom Körper ihren regelmäßigen
Bau und
einen mehr oder wenig festen Zusammenhang behalten. Am meisten gilt dies von dem
Haar
[* 3] des Schafes. Rauf-
oder Gerberwolle
heißt die in Gerbereien mittels Kalk abgelöste Wolle, die von gefallenen
Tieren Sterblingswolle.
Die Querschnittsfläche
des
Haars bestimmt die Feinheit. Um die Feinheit genau zu bestimmen, wurden
Wollmesser (s. d.) konstruiert.
Die Dicke des Wollhaars beträgt 10-80 Mikromillimeter. Wenn man von Länge des Wollhaars spricht, so setzt man voraus, daß sein Wachstum ein Jahr gedauert hat. Die Dehnbarkeit ist die Eigenschaft des Wollhaars, vermöge deren dasselbe über seine wahre wirkliche Länge im spannungslosen, jedoch ungekräuselten Zustande ausgedehnt werden kann; es soll die Dehnbarkeit zwischen 11,1 und 15,2 Proz. bei feinen Merinoschafen schwanken. Eine sehr wichtige Eigentümlichkeit ist die Kräuselung;
deren Form ist verschieden: die Kräuselung ist normal, wenn sie halbe Kreisbögen darstellt;
die Wolle
ist hochbogig, wenn die Kräuselungsbogen höher sind;
die Kräuselung ist flach, wenn sie den halben Kreis [* 4] nicht erreicht;
überbogig oder gemascht, wenn die Kräuselungsbogen sich ganz der Kreisform nähern.
Nach den Kräuselungsbogen kann man die Feinheit bestimmen:
Feinheitsortiment | Kräuselungsbögen auf 25 mm = 1 rhein. Zoll |
---|---|
Superelecta plus | 32 u. darüber |
Superelecta | 28-32 |
Electa I | 26-28 |
Electa II | 24-26 |
Prima I | 23-24 |
Prima II | 21-23 |
Secunda I | 19-20 |
Secunda II | 16-19 |
Tertia | 13-16 |
Quarta | -13 |
Über die mikroskopische Beschaffenheit des Wollhaars s. Gespinstfasern [* 5] und die dazugehörige [* 1] Fig. 4. ¶
mehr
Das einzelne feine Wollhaar hätte nicht die Kraft,
[* 7] für sich allein frei in die Höhe zu wachsen. Es schließen sich stets
mehrere Haare aneinander an und bilden ein Strähnchen. Mit Hilfe des Fettschweißes, der die einzelnen Haare umgiebt, wird
die Verbindung oft so innig, daß das Strähnchen das Ansehen eines einzigen Haars bekommt. Von den Strähnchen
schließen sich dann mehrere zu Büschelchen zusammen, die sich wieder zu größern Bündeln vereinigen. Die ganze, aus solchen
Bündeln gebildete Hautbedeckung nennt man Stapel. Das Vließ entsteht nun durch Verbindung der Stapel durch Bindehaare. Die
chem. Zusammensetzung der Wolle:.
Wollsorte | Kohlenstoff | Wasserstoff | Stickstoff | Schwefel | Sauerstoff |
---|---|---|---|---|---|
Zaupelschaf1 | 50,687 | 7,012 | 17,870 | 2,441 | 21,900 |
Merino1 | 50,661 | 7,062 | 17,518 | 3,636 | 21,123 |
Desgl.2 | 50,65 | 7,02 | 17,71 | 2,31 | 22,31 |
Zwei Rambouillet (Vollblut)3 | 49,58-50,46 | 7,19-7,37 | 15,54-15,73 | 3,43-3,69 | 21,01-24,00 |
1 Nach Hoffmann. 2 Nach Scherer. 3 Nach Schulze und Märker.
Der Fettschweiß hat nach Fuchs [* 8] folgende Zusammensetzung: schwefelsaures Kalium 2,5 Proz., kohlensaures Kalium 44,5, Chlorkalium 3, organische Stoffe 50 Proz.
Die zu tuchartigen Stoffen bestimmte Wolle
soll einen Faden
[* 9] geben, an dessen Oberfläche möglichst viele Haarenden liegen, und
soll sich verfilzen lassen. Die zu glatten Stoffen bestimmte Wolle
soll einen Faden geben, an dessen Oberfläche möglichst wenig
Haarenden liegen, und braucht die Eigenschaft der Filzbarkeit nicht zu besitzen.
Die Streichgarnspinnerei verlangt vor allen Dingen Krimpkraft der Wolle
, normale Kräuselung, Treue (d. h. gleichmäßige Dicke)
im Haar, auch Wellentreue der Strähnchen. Die Kammgarnfabrikation verlangt flachbogige schlichte Wolle
(denn je
flachbogiger, desto weniger Krimpkraft), keine zu kurzen Wolle
(7-9 cm). Gute Wolle
soll
eine Reißlänge (s. d.) von 8 bis 10 km haben. (S. Wollindustrie und Wollspinnerei.)
Infolge des hohen Wollpreises zu Anfang dieses Jahrhunderts war die Produktion von Wolle
in Deutschland
[* 10] sehr groß. 1805 wurde
der Centner sächs. Elektoralwolle
mit 300 Thlrn. bezahlt. Hauptproduktionsländer der feinen
Wolle
bis zur Mitte dieses Jahrhunderts waren Sachsen,
[* 11] Schlesien,
[* 12] Böhmen,
[* 13] Spanien.
[* 14] Sobald aber der erste überseeische
Ballen Wolle
nach Deutschland kam, sanken die Preise.
Die Wollpreise betrugen pro Centner in Mark:
Jahr | Hochfein | Fein | Mittelfein | Ordinär |
---|---|---|---|---|
1856 | 409 | 338 | 300 | 256 |
1863 | 321 | 282 | 249 | 216 |
1871 | 319 | 270 | 214 | 172 |
1896 | 186 | 150 | 118 | 101 |
Deutschland ist in der Wollproduktion sehr zurückgegangen; es züchtet mehr auf Fleisch, früher begünstigt durch die Ausfuhr von Schafvieh nach Frankreich und England. Nach Angabe der Reichsstatistik wurden 1883 gegen 1451770 Stück Schafe [* 15] mit Einschluß der Lämmer exportiert, welche einen Wert von 41603000 M. repräsentierten, 1896 dagegen nur noch 334818 Schafe und 7995 Lämmer im Gesamtwerte von 5113000 M. Der Centralpunkt für feinere Wolle in Deutschland bleibt immer noch Breslau, [* 16] dann kommt Berlin, [* 17] auch Posen, [* 18] Thorn, [* 19] Stettin, [* 20] Kirchheim unter Teck, Paderborn [* 21] und Augsburg; [* 22] bei andern Städten kommen die Wollmärkte kaum noch in Betracht.
Die Hauptproduktionsländer für Wolle sind Australien, [* 23] Argentinien, Nordamerika, [* 24] Uruguay, [* 25] Kapland, Rußland, besonders Südrußland. In Österreich-Ungarn, [* 26] Deutschland, England und Frankreich ist mit der Abnahme der Schafzucht die Erzeugung von Wolle stetig gesunken. In Deutschland wurden 1861 noch 28016000 Schafe gezählt, 1892 war deren Anzahl auf 13589000 gesunken; 1861 betrug die deutsche Wollproduktion 34500 t, 1892 nur noch 21800 t. In der Qualität der Wolle steht Deutschland obenan, da die deutsche Wolle vermöge der Kraft fast unentbehrlich ist. Die europ. Wollproduktion schätzt man ungefähr auf 410 Mill. kg, es kommen auf Rußland 190, England 80, Frankreich 40, Deutschland 22, Österreich-Ungarn 20, Spanien 25, Italien [* 27] 10, das übrige Europa [* 28] gegen 23 Mill. kg; die außereurop. Wollproduktion beträgt 830 Mill. kg. Australien liefert 290, Nordamerika 180, Südamerika [* 29] 200, Asien [* 30] 90 und Afrika [* 31] 70 Mill. kg. Gesamtproduktion der Erde demnach etwa 1240 Mill. kg im ungefähren Werte von 2500 Mill. M.
In den Ländern, die in der Wollindustrie eine größere Bedeutung haben, betrug die Einfuhr von Rohwolle in Tonnen:
Länder | 1890 | 1896 |
---|---|---|
Großbritannien | 287450 | 356789 |
Frankreich | 168807 | 260096 |
Deutschland | 128614 | 193679 |
Belgien | 35020 | 37266 |
Österreich-Ungarn | 24213 | 24598 |
Vereinigte Staaten von Amerika | 129317 | 102304 |
Vgl. Heyne, Die technische Verarbeitung der Wolle. Für Landwirte bearbeitet (Berl. 1891).
S. auch Schaf. [* 32]