auch Scheelium (Scheel) und Katzenzinn genannt (chem. Zeichen W,
Atomgewicht 184), ein metallisches chem.
Element, das als Wolframsäure an
Eisen- und
Manganoxydul gebunden im Scheelit
[* 2] (s. d.), an
Bleioxyd gebunden
im
Wolframbleierz (s. d.) vorkommt. Das Wolfram, durch Reduktion der
Wolframsäure mit
Wasserstoff oder
Kohle erhalten, bildet ein eisengraues, sprödes, sehr hartes Metall von 18,2 spec. Gewicht
und wird in neuerer Zeit vielfach als
Legierung mit
Stahl unter dem
NamenWolframstahl angewendet.
Auch die Oxydationsstufen des Wolfram, das Wolframoxyd, WO2, und das Wolframsäureanhydrid,
WO3, haben vielfache Verwendung gefunden; das wolframsaure Natrium als Schutz gegen die Leichtentzündlichkeit der Gewebe,
[* 3] die Wolframsäure als Mineralgelb, wolframsaures Wolframoxyd als Mineralblau oder Mineralindig, wolframsaures Wolframoxydnatrium
als Safranbronze, wolframsaures Wolframoxydkalium als rote Magentabronze und wolframsaurer
Baryt als Bleiweißsurrogat, das
ebenso gut wie
Bleiweiß
[* 4] deckt und ebenso beständig ist wie Zinkweiß. Man stellt mittels Wolfram auch rote
und blaue Porzellan- und Glasfarben dar. Wolfram wurde wegen seines hohen specifischen Gewichts als Material für
Gewehrgeschosse vorgeschlagen; doch steht sein seltenes Vorkommen und hoher Preis dieser Verwendung im Wege.
von
Eschenbach, neben
Walther von der Vogelweide der größte mittelhochdeutsche Dichter ritterlichen Geschlechts,
nennt sich selbst einen
Bayern
[* 5] und stammte aus
Eschenbach (Mittelfranken), wo noch im Anfang des 17. Jahrh. sein Grabmal zu
sehen war. Seine
Armut zwang ihn, herumziehend Herrengunst zu suchen; er hatte
Beziehungen zu den
Grafen
von Wertheim und fand spätestens 1203 eine dauernde
Stellung am
Hofe des kunstliebenden, freigebigen Landgrafen
Hermann von
¶
mehr
Thüringen; hier traf er auch mit Walther von der Vogelweide freundschaftlich zusammen. Aus Andeutungen seiner Werke hat man
mit Recht geschlossen, daß er in glücklicher, nicht kinderloser Ehe gelebt habe. Seinen Gönner, den Landgrafen Hermann (gest.
April 1217), scheint er nicht lange überlebt zu haben. - Wolfram war der letzte ungebildete große Dichter
der Weltlitteratur; er konnte nach seiner vielleicht übertreibenden Aussage weder lesen noch schreiben; doch wurde ihm durch
Vorlesen und Übersetzen eine nicht geringe Menge deutscher, franz. und auch lat.
Litteratur zugänglich, die er im Gedächtnis festhielt.
Außer acht Liedern, meist sog. Tageliedern, Balladen von leidenschaftlicher Glut, hat er nur Epen gedichtet.
Das älteste und bedeutendste ist der Parzival (s. d.), zwischen 1200 und 1210 gedichtet und stückweise (zuerst 6 von 16 Büchern)
veröffentlicht. In ihm verbindet sich die Sage vom heil. Gral (s. d.), der bei Wolfram der Inbegriff alles Menschenglücks ist,
mit einem kelt. Märchen vom glücklichen, schönen und guten Dümmling (Naiven), der schließlich das
Glück erwirbt, und mit den Sagen von Artus' Tafelrunde. Wolfram beruft sich auf ein franz. Gedicht des Provençalen Kyot; aber sein
Bericht ist so widerspruchsvoll und abenteuerlich, daß es mehr als wahrscheinlich ist, er habe diesen Kyot nur erfunden. (Vgl.
Zarncke in den «Beiträgen zur Geschichte der deutschen
Sprache
[* 7] und Litteratur», Bd. 3, Halle
[* 8] 1876.) Dagegen benutzte er sicher den unvollendeten «Perceval»
des Chrétien de Troyes; aber er gestaltete ihn mit selbständiger Künstlerhand um und fügte eine Einleitung in zwei Büchern
hinzu, die Parzival an das Geschlecht von Anjou anknüpft (vielleicht ein Kompliment für Otto IV., der mütterlicherseits
mit den Anjous verwandt war), sowie einen Schluß von vier Büchern, der den christl. Gralsritter Parzival mit dem Weltkinde
Gawan, dann mit seinem Halbbruder, dem Heiden Feirefiz, kämpfen, endlich die Gralskrone erwerben läßt und die Sage von Lohengrin
(s. d.) anschließt. Ein Vergleich mit Chrétiens flachem Abenteuerroman (vgl. Kupp in der «Zeitschrift
für deutsche Philologie», Bd. 17) lehrt, wieviel höher W.s eminent
symbolische Dichtung steht.
Aus dem bunten, liebenswürdigen, aber äußerlichen weltlichen Rittertum, dessen Hauptvertreter Gawan ist, hebt sich Parzivals
Gestalt bedeutend hervor, der sich aus naiver Kindlichkeit durch Glück und Pein, ja durch den Zweifel
an Gott selbst dank seiner staete (Beharrlichkeit des Charakters) zum Ziele durcharbeitet; der Sieg der reinen Menschlichkeit
über den Unterschied von Religionen und Rassen, der Sieg des Herzens, des Mitgefühls über gesellschaftliche Konvention, das
Lob treuer Ehe sind Themata, die Wolfram allein schon damals so warm verficht: und das alles ist mit einer kühnen
Sprachgewalt, einem bald liebenswürdigen, bald grotesken Humor, einem Reichtum lebendigster Anschauung, einer Macht der Charakteristik
so interessant und packend dargestellt, daß man dem genialen Manne übermütige Geschmacklosigkeiten gern verzeiht.
Eine Episode desselben Stoffs, die Liebe Schionatulanders und der Sigune, behandelt der sog. «Titurel» in zwei Liedern,
deren künstliche Strophenform, die Titurelstrophe, aber nur dem Glanz der lyrischen Partien günstig war; sie erfuhren 50-60
Jahre später im «JüngernTiturel» eine ungeheure, gelehrte Fortsetzung, die unter W.s Namen viel Bewunderung und Nachahmung
fand.
Auch sein drittes Epos, der unvollendete «Willehalm» (vgl.
San-Marte, Über Wolframs Rittergedicht Wilhelm von Orange, Quedlinb. 1871),
der die Kämpfe des heil. Wilhelm von Orange gegen die Heiden und episodisch die Schicksale seines Schwagers, des kindlichen,
aber ungeschlachten Naturburschen Rennewart, in freiem Anschluß an die franz. chanson «La
bataille d'Alichanz» (hg. von Rolin, Lpz. 1894) erzählt, wurde später durch Ulrich von Türheim und Ulrich von
dem Türlin fortgesetzt; auch an diesem Stoffe fesselte Wolfram die menschliche Lösung des Gegensatzes von Christen und Heiden.
W.s originelle gedankenschwere Dichtung wurde von Gottfried von Straßburg
[* 9] im «Tristan» als seltsam und dunkel verspottet. Aber
die Nachwelt urteilte alsbald anders: «Laienmund nie baß gesprach», sagt
schon sein Zeitgenosse Wirnt von Grafenberg, und im Wartburgkrieg ist Wolfram das Urbild ungelehrter
Gottesweisheit im Gegensatz zu dem Zauberer Klinschor und dem Teufel selbst.
Eine meisterhafte Ausgabe der Werke veranstaltete Lachmann (Berl. 1833; 5. Ausg. 1891);
eine Auswahl gab Piper (in Kürschners «Deutscher Nationallitteratur», Stuttg. 1891 fg.),