Wisent
(Bison
Sund.,
Bonasus
Wagn.), Untergattung der Wiederkäuergattung
Rind
[* 2]
(Bos L.), charakterisiert
durch die kleinen, runden, nach vorn gerückten und aufwärts gekrümmten
Hörner, die mehr breite als lange
Stirn, das niedrige
Kreuz,
[* 3] die lange, wollige
Mähne an
Stirn,
Kopf und
Hals, den langen Kinnbart und die fehlende Wamme. Der europäische Wisent
(fälschlich
Auerochs,
Bison europaeus
Ow.),
das größte
Säugetier des europäischen
Festlandes, gegenwärtig 1,8 m hoch,
3,5 m lang und 600-800 kg schwer, früher aber ohne
Zweifel erheblich größer, hat einen mäßig großen, wohlgestalteten
Kopf mit hoher, sehr breiter
Stirn, plumper Schnauze, breiter
Muffel, kurzem, gerundetem
Ohr
[* 4] und mittelgroßem
Auge,
[* 5] einen sehr
kräftigen, kurzen, hohen
Hals, kräftige
Beine mit großen, länglichrunden
Hufen und ziemlich kleinen
Afterhufen und einen kurzen, dicken
Schwanz.
Die weit seitlich angesetzten zierlichen
Hörner biegen sich zuerst nach außen, dann nach
oben und zugleich etwas nach vorn,
hierauf nach innen und hinten. Den
Körper bedeckt ein überall dichter, aus langen
Grannen und filzigen Wollhaaren bestehender,
fahlbrauner
Pelz; an der Kopfseite und am
Bart ist das
Haar
[* 6] schwarzbraun, auf den
Läufen dunkelbraun und die Schwanzquaste braunschwarz.
Der Wisent
wird jetzt im
Wald von Bialowicza gehegt (1863: 874
Stück) und findet sich wild noch im
Kaukasus. Er lebt in
Rudeln von
15-20
Stück, im
Winter in kleinen
Herden, weidet hauptsächlich in den
Morgen- und Abendstunden, nährt
sich von
Gräsern, Blättern,
Knospen
[* 7] und
Baumrinde, besonders von Eschenrinde, ist ziemlich lebhaft, im
Alter höchst reizbar
und jähzornig und lebt dann auch meist einsam.
Die
Kühe kalben 9
Monate nach der Brunstzeit, gewöhnlich im Mai oder Juni, aber kaum alle 3 Jahre einmal;
das
Junge wächst sehr langsam und erreicht erst mit 8 oder 9
Jahren seine volle
Größe. Das
Alter, welches der Wisent
erreicht,
wird auf 30-50 Jahre angegeben. Zwischen Wisent
und Hausrind besteht ein heftiger Abscheu. Ehemals fand sich der Wisent weitverbreitet
in ganz
Europa
[* 8] und einem großen Teil
Asiens.
Aristoteles und
Plinius kannten ihn, nach dem
Nibelungenlied
fand er sich im
Wasgau, unter
Karl d. Gr. im
Harz und im
Sachsenland. Im 14. Jahrh. lebte er noch in
Pommern,
[* 9] und in
Preußen
[* 10] wurde
der letzte 1755 erlegt. In
Polen und
Litauen wurde er in besondern
Parken gehegt, bis eine zu Anfang des
vorigen
Jahrhunderts ausgebrochene
Seuche die meisten
Herden vernichtete. In
Ungarn
[* 11] lebte er noch 1729 und gegen Ende des vorigen
Jahrhunderts in den
Szekler Bergwaldungen.
Seit dem 17. Jahrh. wurde er mit dem
Auerochsen verwechselt, welcher vielfach neben ihm vorkam, aber früher ausstarb. Die
Jagd auf den Wisent
schildert schon
Cäsar als sehr ruhmvoll, und dies blieb sie auch im
Mittelalter. 1860 stellte
der
Kaiser von Rußland eine
Jagd an, auf welcher 15
Tiere erlegt wurden.
In den zoologischen
Gärten halten die Wisents
gut aus
und pflanzen sich leicht fort. Das
Fleisch wird sehr gerühmt und soll zwischen
Rindfleisch und Hirschwildbret
stehen.
Das
Fell gibt lockeres, schwammiges
Leder. Die schönen, festen
Hörner verwendet man zu Trinkgeschirren. Der nordamerikanische
Wisent
(Bison,
Büffel, B. americanus
Gm.), 2,6-2,9 m lang, mit 65
cm langem
Schwanz, am
Widerrist 2 m hoch, hat einen sehr großen
und etwas plumpen
Kopf und einen kurzen, hohen, schmalen
Hals, der steil zu dem unförmlich erhöhten
Widerrist
ansteigt. Die Rückenlinie fällt bis zur
Wurzel
[* 12] des kurzen, dicken
Schwanzes stark ab, und der in der Brustgegend verbreiterte
Leib verschmächtigt sich nach hinten außerordentlich. Die
Hörner sind bedeutend stärker, an der
Wurzel dicker, an der
Spitze
stumpfer und in ihrer Biegung einfacher als die des vorigen. Die
Beine sind verhältnismäßig kurz und
sehr schlank, die
Hufe und Afterhufe klein und rund.
Kopf,
Hals,
Schultern, Vorderleib und Vorderschenkel, der Vorderteil der
Hinterschenkel und die Schwanzspitze sind lang, die
¶
mehr
Schulterteile mähnig, Kinn und Unterhals bartartig, Stirn und Hinterkopf kraus, filzig, die übrigen Leibesteile kurz und
dicht behaart. Die Färbung ist ein ziemlich gleichmäßiges Graubraun. Der Wisent
bewohnte einst fast das ganze Nordamerika,
[* 14] findet sich jetzt aber nur noch im Gebiet des obern Missouri und westlich vom Mississippi, vom Großen Sklavensee
unterm 60.° nördl. Br. bis zum Rio Grande.
[* 15] Durch die fortschreitende Kultur bedrängt, ist er bis zum 65.° vorgerückt und
hat auch das Felsengebirge überstiegen. Er ist ein Bewohner der Prärien, lebt in Herden, in welchen die Stiere für sich und
die Kühe mit den noch nicht zeugungsfähigen Kälbern gesonderte Trupps bilden, und zieht vom Juli an
südwärts, um im Frühjahr wieder nach dem Norden
[* 16] zurückzukehren. Im Winter sucht er vor allem die waldigen Gegenden auf.
Das hauptsächlichste Futter bildet ein die Prärien bedeckendes niedriges Gras. Während der Brunftzeit entwickelt der Stier
einen unerträglichen Moschusgeruch, welcher auch das Fleisch durchdringt. Die Kühe kalben neun Monate
nach der Brunftzeit, gewöhnlich im März oder April. Der Wisent
ist sehr lebhaft, geht stets eiligen Schrittes, wird im Galopp
[* 17] nur mit Mühe vom Pferd
[* 18] eingeholt, schwimmt auch gut, ist geistig wenig begabt, furchtsam, nicht leicht erregbar, entwickelt
aber in der Wut große Wildheit.
Der amerikanische Wisent
war gewissermaßen das Haustier der Indianer und ist erst durch die Weißen zurückgedrängt und in weiten
Strecken ausgerottet worden. Fleisch und Fett werden gut verwertet. In der Gefangenschaft hält er sich sehr gut und pflanzt
sich regelmäßig fort, er soll sich auch mit Hausrindern paaren und fruchtbare Nachkommen erzeugen.
Vgl. Allen, The American Bisons, in »Memoirs of the Museum of comparative zoology at Harvey College« (1876, Bd. 4).