Titel
Wirth
,
1) Johann Georg August, polit. Schriftsteller, geb. zu Hof [* 2] in Bayern, [* 3] studierte zu Erlangen [* 4] die Rechte und praktizierte dann in Schwarzenbach a. S. und seit 1823 in Baireuth. [* 5] 1831 begab er sich nach München [* 6] und übernahm die Redaktion der Cottaschen Zeitschrift »Das Inland«, eines ministeriellen Organs, ging aber bald in das liberale Lager [* 7] über und gründete die »Deutsche [* 8] Tribüne«. Durch die Verfolgungen, denen er sich von jetzt an ausgesetzt sah, wurde er Schritt für Schritt nach der äußersten Linken gedrängt. Er ging nun nach Rheinbayern.
Aber auch hier legte ihm die
Zensur viele Hindernisse in den Weg, und im März 1832 ward seine
Zeitung vom
Bundestag verboten.
Wirth
selbst ward wegen einer beim
Hambacher Fest 27. Mai d. J. gehaltenen
Rede (neu hrsg. Kaisersl. 1872), worin er zur
Bildung
eines
Bundes der
Patrioten aufgefordert hatte, verhaftet und nach
Zweibrücken
[* 9] abgeführt. Vom Gefängnis
aus entwickelte er seine politischen
Ideen in einer
Flugschrift: »Die politische
Reform
Deutschlands«
[* 10] (Straßb. 1832). Im Juni 1833 in
Landau
[* 11] vor die
Geschwornen gestellt, ward er freigesprochen. Dagegen verurteilte ihn das
Zuchtpolizeigericht wegen
Beleidigung
inländischer und ausländischer Behörden im
November 1833 zu zweijähriger
Gefängnisstrafe, die er zu
Kaiserslautern
[* 12]
¶
mehr
verbüßte. Hier schrieb er die »Fragmente zur Kulturgeschichte der Menschheit« (Kaisersl. 1835, 2 Bde.).
Nach überstandener Strafe ward Wirth
im Dezember 1835 nach Passau
[* 14] gebracht, um dort noch eine Kontumazstrafe zu erleiden, und
sodann in Hof unter polizeiliche Aufsicht gestellt. Er flüchtete jedoch Ende Dezember 1836 nach Frankreich und 1839 nach
Thurgau,
wo er die in Konstanz
[* 15] erscheinende »Deutsche Volkshalle redigierte u.
die «Geschichte der Deutschen« (Stuttg. 1843-45, 4 Bde.; 4. Aufl.,
fortges. von Zimmermann, 1860-62) schrieb. 1847 ließ er sich in Karlsruhe
[* 16] nieder. In den preußischen Fürstentümern in die
deutsche Nationalversammlung gewählt, starb er schon in Frankfurt.
[* 17] Von seinen »Denkwürdigkeiten«
erschien nur der 1. Band
[* 18] (Leipz. 1843).
2) Johann Ulrich, Philosoph, geb. zu Ditzingen in Württemberg,
[* 19] studierte zu Tübingen
[* 20] Philosophie und Theologie, wurde
Stadtpfarrer in Kleingartach, seit 1842 zu Winnenden, wo er starb. Wirth
, ursprünglich aus der Hegelschen Schule hervorgegangen,
hat mit Weiße, Ulrici und I. H. Fichte
[* 21] die bekannte Theistenschule begründet, deren Organ, die »Zeitschrift für Philosophie
und philosophische Kritik«, er seit 1852 mit redigierte. In seinem ethischen Hauptwerk: »System der spekulativen Ethik« (Heilbr.
1841-42, 2 Bde.),
hat Schleiermacher, in seinem metaphysischen: »Die spekulative Idee Gottes« (Stuttg. 1845),
der
spätere Schelling Einfluß auf Wirth
ausgeübt;
in seinen »Philosophischen Studien« (das. 1851) hat er es als die Aufgabe der Philosophie bezeichnet, zu der induktiven (Begriffe bildenden) Methode, über welche der Empirismus, u. der deduktiven (aus Begriffen ableitenden) Methode, über welche Hegel nicht hinausgekommen sei, eine produktive (Ideale verwirklichende) hinzuzufügen, welche den Realismus des erstern mit dem Idealismus des zweiten vereinige.
3) Max, Nationalökonom, Sohn von Wirth
1), geb. zu Breslau,
[* 22] studierte die Rechte, widmete sich der journalistischen
Laufbahn, gründete in Frankfurt a. M. das Wochenblatt »Arbeitgeber«
als Organ für Nachfrage und Angebot von Arbeit, gehörte dem Vorstand des volkswirtschaftlichen Kongresses
und des Nationalvereins an, war von 1865 bis 1873 Direktor des statistischen Büreaus der Schweiz
[* 23] und lebt jetzt als Mitarbeiter
der »Neuen Freien Presse«
[* 24] u. Korrespondent des Londoner »Economist« in Wien.
[* 25] Er schrieb: »Grundzüge der Nationalökonomie« (Köln
[* 26] 1855-73, 4 Bde.; Bd.
1, 5. Aufl. 1881; Bd. 2, 4. Aufl.
1882; Bd. 3: »Handbuch
des Bankwesens«, 3. Aufl. 1883);
»Geschichte der Handelskrisen« (Frankf. a. M. 1858, 3. Aufl. 1883);
»Die deutsche Nationaleinheit in ihrer volkswirtschaftlichen, geistigen und politischen Entwickelung« (das. 1859);
»Deutsche Geschichte in der Periode der germanischen Staatenbildung« (das. 1862);
»Allgemeine Beschreibung und Statistik der Schweiz (Zürich [* 27] 1870 bis 1875, 7 Bücher); "Österreichs Wiedergeburt aus den Nachwehen der Krisis« (Wien 1876);
»Kultur- und Wanderskizzen« (das. 1876);
»Die Krisis der Landwirtschaft« (Berl. 1881);
»Das Geld« (Leipz. 1884);
»Ungarn [* 28] und seine Bodenschätze« (Frankf. a. M. 1885);
»Die Quellen des Reichtums« (Köln 1886);
ferner »Ernste und frohe Tage aus meinen Erlebnissen und Streifzügen« (das. 1884). - Seine Gattin Bettina, geborne Greiner, geb. zu München, machte sich durch die Novelle »Künstler und Fürstenkind« (Stuttg. 1876) und den Roman »Hohe Lose« (Leipz. 1883) u. a. bekannt. Sie ist der Wiener Korrespondent der Londoner »Daily News«.