Die Bodenform ist in der Hauptsache bedingt durch die beiden Bergreihen, die durch das Tössthal getrennt werden. Rechts,
d. h. nördl. der Töss liegen der Schauenberg (893 m), Eschenberg (595 m), Lindberg, Wolfensberg, Taggenberg und Irchel (696 m);
links, d. h. südl. der Töss die BrüttenerHöhe (642 m) und der Blauen (613 m). Nach N. lehnen sich niedere
Hügel an, zwischen denen breite Flächen in der Höhe von 400-450 m Höhe liegen. Auch die beiden Hauptthäler zeigen ähnliche
Höhe: die Töss fällt von 552 m bei Turbenthal auf 380 m bei Dättlikon und die Eulach von 582 m bei Waltenstein auf 428 m
bei Wülflingen.
Die beiden Thäler zeigen aber verschiedenen Charakter: das Tössthal ist auf seiner ganzen Länge ein enges Erosionsthal;
das Eulachthal dagegen zeigt im Verhältnis zur Grösse des Flüsschens breite Aufschüttungsflächen.
Die Grundlage des
Bodens bilden überall die wagrechten Schichten der oberen Süsswassermolasse (Sandsteine und Mergel); darüber lagern
unregelmässig die Glazialgebilde als Moränen und fluvioglaziale Kiese. Diese fehlen aber im Tössthal; zudem ist ein Teil
desselben (Sennhof-Wülflingen) ganz jung (postglazial), indem die Moränen des Rhein- bezw. Thurgletschers die Töss von ihrem
alten Thalstück Sennhof-Winterthur-Wülflingen ablenkten. Daher der Gegensatz zwischen dem engen Tössthal und dem breiten,
aufgefüllten Eulachthal.
Der Bezirk hat 12630 Haushaltungen in 7027 Häusern; zusammen 57269 Ew., wovon 43463 Reformierte, 8576 Katholiken
und 120 Israeliten; 55543 Ew. sprechen Deutsch, 368 Französisch, 1152 Italienisch und 61 Romanisch. Auf 1 km2 Fläche
kommen 227 Ew. Seit 1888 beträgt die Zunahme der Bevölkerung 20,8%, d. h. weniger als im ganzen Kanton
mit 27,8%. Die Landwirtschaft ist immer noch von grosser Bedeutung, namentlich Wein- und Getreidebau. Das zeigen folgende
Zahlen:
Die Bedeutung der Viehzucht ergibt sich aus den Viehzählungen:
1896
1901
1906
Rindvieh
13622
12869
14874
Pferde
1073
1205
1318
Schweine
3467
3578
3157
Schafe
270
283
106
Ziegen
3099
3066
2973
Bienenstöcke
3005
2905
-
Am wichtigsten aber ist die vielseitige Industrie, deren Anfänge sich an die Wasserkräfte der Töss
und Eulach knüpfen. Von Turbenthal bis Sennhof und von Töss bis Pfungen treibt die Töss eine ununterbrochene Reihe von Fabriken.
Baumwollindustrie und Maschinenbau dominieren, besonders in Winterthur selbst. Dieses bildet auch den Knotenpunkt der Verkehrslinien,
von denen die einen den Thalrichtungen folgen (Winterthur-Bülach-Waldshut, Winterthur-Bauma-Wald, Winterthur-St. Gallen und
Winterthur-Romanshorn), während die andern quer dazu verlaufen (Winterthur-Schaffhausen, Winterthur-Singen
und Winterthur-Zürich).
(Kt. Zürich).
447 m. Stadt und Hauptort des gleichnamigen Bezirkes. 27 km nö. Zürich
47° 30' 44" nördl. Br. und 8° 44'
59" östl. L. von Greenw.
Ausdehnung und Lage.
Winterthur, die zweite Stadt des Kantons Zürich
gewährt von erhöhtem Standpunkt aus den Anblick eines in anmutiger
Thalebene gebetteten, von seinem ursprünglichen Kern nach allen Richtungen kräftig ausgreifenden Ortes. Der von W. nach
O. sich ziehende ebene Thalboden ist im N. ziemlich gradlinig begrenzt durch den Lindberg und den Wolfenberg.
Im S. erhebt sich, als Fortsetzung der KiburgerHöhe, aber von dieser durch das enge Tössthal abgeschnitten,
der breite Rücken des bewaldeten Eschenberges, der noch einen nasenförmigen Ausläufer mit Hochwacht und Heiligenberg nordwärts
aussendet
und so die Ebene stark einschnürt. In dieser Thalenge, die etwa 1,2 km Breite hat, liegt der alte Stadtkern in
Form eines länglichen Trapezes mit Richtung W.-O., einer Länge von 700 m und einer Breite von 300 m.
Von dieser Einschnürung an verbreitet sich die Ebene rasch nach O. und nach W. Die westl. Erweiterung wird jedoch durch den
isoliert dastehenden breiten Brühlberg in zwei Arme gegabelt, deren einer westwärts zieht und unterhalb Wülflingen in
die Tössebene übergeht, während der andre sich südwestl. gegen Töss hinwendet.
Die umgebenden Hügel erreichen eine Höhe von 100-150 m über der Thalsohle, die selbst in rund 440 m Höhe liegt. Ihren Untergrund
bildet eine Kiesbank von 20 m Mächtigkeit, die hie und da von Sandschichten durchzogen ist. Früher nur
als Strassenbaumaterial verwendet, wird dieser Kies jetzt an zugänglichen Stellen als vorzügliches Baumaterial ausgebeutet.
Ein tiefliegender starker Grundwasserstrom von ziemlich konstantem Niveau bewegt sich mit einer Schnelligkeit von 2 m per
Minute thalabwärts.
Von O. her kommt, am Buchenrain bei Waltenstein-Schlatt entspringend, ein bescheidenes Flüsschen, die Eulach. Ihre Hauptquelle
ist einst bei Waltenstein durch das Heidenthal nach der Töss zu abgeflossen, aber vermutlich schon von
den Römern nach der N.-Seite abgelenkt und für so die Stadt gewonnen worden. Das Flüsschen zeichnet sich aus durch eine
konstant bleibende und selbst bei grösster Trockenheit nie versiegende Wassermenge und wird industriell stark ausgenutzt,
aber auch verunreinigt. Es trieb in früherer Zeit auf Stadtgebiet sechs Mühlen. Im Zusammenhang mit der erwähnten künstlichen
Ablenkung stand jedenfalls die Tatsache, dass Winterthur seit unbekannten Zeiten das Hoheitsrecht über die Eulach von deren
Quelle bei Waltenstein bis zur unteren Stadtgrenze besass. Dieses Hoheitsrecht ist 1892 durch Vertrag an
den Staat abgetreten worden. Von Seen her erhält die Eulach als Zufluss den Mattenbach. Die Töss berührt das Stadtgebiet bloss
am S.-Abhang des Eschenbergs, wo sie die Gemeindegrenze bildet.
Der geographischen Lage entsprechend treffen in Winterthur die Hauptstrassen von Zürich,
Bülach, Schaffhausen,
Frauenfeld-Bodensee (die ehemalige
Römerstrasse), St. Gallen
und vom Tössthal her zusammen. Letztere Strasse verlässt bei Sennhof den Flusslauf und
übersteigt in der Richtung auf Winterthur die Moräne bei Seen. Winterthur war von jeher ein natürlicher Knotenpunkt bedeutender
Verkehrswege und ist es auch im Zeitalter der Eisenbahnen geblieben.
Das Landschaftsbild von irgend einem der vielen Aussichtspunkte aus ist ein sehr anmutiges. Die auffallend
reich bewaldeten oder an der S.-Flanke mit Weinreben bestandenen zahlreichen Hügel geben in Verbindung mit der eigenartigen
Gliederung der Thalebene dem Bilde ein wechselvolles Relief. Am Stadtbild selbst, in welchem wir deutlich den alten Kern und
die äussern Quartiere unterscheiden, überrascht den Fremden das in üppiger Fülle zwischen den Gebäuden
emporquellende Grün der Gärten. In das Landschaftsbild hinein drängen sich etwas pretentiös als Wahrzeichen der Industriestadt,
aber ohne Schaden für den Gesamteindruck, die zahlreichen Hochkamine der industriellen Etablissemente.
Das Gemeindegebiet hat einen Flächeninhalt von 1556 ha, das Bebauungsgebiet einen solchen von 593 ha. Die Stadt verfügt
über einen Grundbesitz von 1325 ha; davon sind Waldungen 1176, Wiesen und Feld 107,67, Reben 4,51, Pünten (Gemüseland) 24,17,
unproduktives Land und Gebäudegrundflächen 11,33 ha. Von diesem Grundbesitz liegen 225 ha Wald und Reben in den Gemeinden
Oberwinterthur, Wiesendangen, Wülflingen, Neftenbach, Zell und Turbenthal. Im Gemeindegebiet befinden sich 3230 Gebäude, wovon 762 im
Rayon der Altstadt. Der Stadt gehören 110 Gebäude, wovon 23 nicht realisierbare (Stadthaus, Schulhäuser, Turnhallen, Friedhofkapelle
etc.) mit einem Flächeninhalt von 60 ha und einem Gesamtwert von Fr. 3245700. Die realisierbaren Liegenschaften stehen im
Inventar mit Fr. 4019000.
Topographie und bemerkenswerte Bauwerke.
Scharf von einander heben sich ab der alte, zusammengebaute
¶
Stadtkern und die mit Ausnahme der Wartstrasse durchwegs offen gebauten neuen Quartiere. Die Grenze zwischen beiden Gebieten
bildet eine die ganze Altstadt umfassende Ringstrasse, zusammengesetzt aus Bahnhofplatz-Museumstrasse-Platanenstrasse-Kasernenstrasse
und Eulachstrasse. Die Altstadt hat die Form eines länglichen Trapezes mit Richtung von O. nach W. Seine Länge beträgt 720 m,
die grösste Breite 300 m, die geringste 50 m. Die Altstadt schneiden in der Richtung S.-N. zwei breite
Strassen, Graben und Kasinostrasse-Neumarkt, in drei Teile.
Der annähernd quadratische mittlere Teil stellt die ursprüngliche Stadt vor, die einst ohne Zweifel in diesem Umfang mit
Mauern umgeben war. Etwa in der Mitte des 14. Jahrhunderts wurden im O. die «Neustadt», im W. das Untertorquartier
angebaut und die Stadtmauern entsprechend erweitert. Durch die Stadt führt, als Fortsetzung der Zürcherstrasse und beim
Obertor in die Römerstrasse übergehend, das von Häuserreihen eingeschlossene Stück einer uralten Verkehrsstrasse (Zürich-Bodensee),
die Marktgasse, jetzt noch die Hauptverkehrsader der Stadt.
Sie bietet architektonisch nicht viel bemerkenswertes. Als einzige Ueberreste der alten Zeit und älterer
Bauart sind zu erwähnen die gotische Fassade der Kunsthalle und die Fassade des alten Rathauses (jetzt Gerichtshaus) im
Spätrenaissancestil. Parallel zur Marktgasse erstreckt sich südl. der Stadtkirche die Hintergasse (jetzt in Steinberggasse
umgetauft) von beträchtlicher Breite, aber mangels richtiger Zufahrten nicht oder wenig vom allgemeinen
Verkehr berührt.
Wir bemerken hier das Pfarrhaus und das Geburtshaus von Jonas Furrer. Der inmitten des Häuserblocks befindliche Kirchplatz
kann nur mittels schmaler Zugänge erreicht werden. Hier steht die 1501-15 erbaute Stadtkirche, vor der Reformation dem h.
Laurentius geweiht. In den Formen sehr einfach gehalten, ist sie immerhin ein imponierender gotischer
Bau. Im Innern sind sehenswert eine Transfiguration von Raphael (Kopie von Weckesser), die dekorativen Malereien von Wildermuth
und die prächtigen Glasmalereien.
Die Orgel stammte in ihrer ursprünglichen Gestalt aus dem Kloster Salmannsweiler (Grossherzogt. Baden) und ist einige Male
umgebaut worden. Sie zählt 52
Register und ist die erste, welche nach der Reformation in ein zürcherisches
Gotteshaus Einzug hielt. Die beiden Türme erhielten ihre Höhe von 65 m und ihre jetzige Gestalt 1659, bezw. 1794. Ihre eigentümlichen
Formen machen sie zu einem recht charakteristischen Wahrzeichen der Stadt. Der südliche kann seine Herkunft
aus der Zopfzeit nicht verleugnen.
Das sehr harmonische Geläute stammt aus 1869. Die bemerkenswertesten Bauten liegen an der Ringstrasse, deren schönstes
Stück, die schönste Strasse der Stadt überhaupt, die Museumstrasse ist. Wir finden da die Gebäude der Kantonalbankfiliale
(früher eidg. Postgebäude), der schweizer. Volksbank, der Bank in Winterthur und der Hypothekarbank.
Das der Stadt gehörende Kasino mit Theater- und Konzertsaal etc. wirkt durch seine einfachen Formen. Etwas weiter oben stehen
zwei grosse Schulgebäude: das Museum, zugleich Gymnasium und Industrieschule, und ein Primarschulhaus.
Auf dem Vorbau des 1842 erstellten Museums stehen vier Sandsteinfiguren: Ulrich Zwingli, Konrad Gessner, Heinr. Pestalozzi
und J. G. Sulzer. Hinter diesem Gebäude befinden sich die prächtigen Anlagen des Stadtgartens. Gleich
oberhalb auf freiem Platze an drei Strassen steht das Stadthaus. Es wurde 1865-69 nach dem Plan von Gottfried Semper erbaut
und gilt als eine der besten Arbeiten des berühmten Meisters. Grossartig dominiert der besonders vornehm wirkende Mittelbau
mit der viersäuligen Vorhalle korinthischer Ordnung, dem Giebel und seinen Aufsätzen, dem Standbild der Pallas Athene und
der vorgelagerten doppelarmigen Freitreppe.
Die Gesamterscheinung ist vornehm wie selten bei einem öffentlichen Gebäude. Das Stadthaus enthält im Mittelbau den Gemeindesaal
in Form einer Basilika. In den Seitenflügeln ist die Stadtverwaltung untergebracht. Die Fontäne vor
dem Stadthaus wird bei festlichen Anlässen mit Volldruck springen gelassen und steigt dann bis über den Giebel des Mittelbaues
empor. An der Platanenstrasse steht das Primarschulhaus Geiselweid. An der Kasernenstrasse gewahren wir zunächst die alte
Kaserne, beachtenswert als Fachwerk- oder Riegelbau. Unweit davon die Gebäude des kantonalen Technikums.
Das ältere Hauptgebäude tritt nunmehr etwas zurück vor dem 1907/08 erstellten
¶