Wiedertäufer
(Anabaptisten), christliche Sekte, welche die Einwilligung des gläubigen Täuflings zur Vorbedingung der Taufe macht, daher die Kindertaufe verwirft und bei den ihr Beitretenden die Taufhandlung wiederholt. Schon lange vor der Reformation bestritten mehrere reformatorische Sekten die Kindertaufe; im Zeitalter der Reformation fand sich in der gemeinsamen Opposition gegen die Kindertaufe alles zusammen, was radikaler als die Reformatoren zu Werke zu gehen und das subjektive Prinzip, von welchem diese selbst ausgegangen waren, einseitig und konsequent bis ans Ende zu verfolgen unternahm.
Diese besonders in der
Schweiz,
[* 3]
Deutschland
[* 4] und
Holland auftauchenden Wiedertäufer
waren meist religiöse und politische
Schwärmer und
verbanden mit der
Forderung der Wiedertaufe auch die der Aufrichtung eines
Reichs
Christi auf
Erden, Einführung
der
Gütergemeinschaft,
Glauben an ihre
Offenbarungen u. dgl. Mit derartiger »Geisttreiberei«
versuchten es in
Deutschland 1521 die sogen.
Zwickauer
Propheten
(»himmlische Propheten«) in
Sachsen,
[* 5] an deren
Spitze
Nikolaus
Storch
aus
Zwickau,
[* 6]
Markus Stübner und
Thomas
Münzer (s. d.) standen.
Letzterer entzündete in
Sachsen,
Franken und
Thüringen den
Bauernkrieg (s. d.), so daß die
Sache der Wiedertäufer
durch die
Schlacht bei
Frankenhausen hier ihr vorläufiges Ende fand. Dagegen traten in
Bayern
[* 7] um 1527 als Wiedertäufer
auf
Joh.
Hutter,
Jak. Kürsner
und
Siegmund Sallin in
Augsburg
[* 8] und fanden ungeachtet der Verfolgungen viele Anhänger. In der
Schweiz wurde
ein besonders harter
Kampf geführt, in welchem die Wiedertäufer
dem von
Zwingli in
Bewegung gesetzten weltlichen
Arm unterlagen.
In den
Niederlanden wirkte
David Joriszoon (s. d.), in
Westfalen,
[* 9]
Holstein und
Ostfriesland Melchior
Hoffmann und Melchior
Rinck.
Kaiser
Karl V. gab schon 1528 den Befehl, daß alle Wiedertäufer
mit
Gewalt unterdrückt werden sollten, und seitdem
wurden ihrer unzählige enthauptet, ertränkt oder verbrannt. Dadurch steigerte sich aber nur der
Fanatismus der Verfolgten,
welche man Stäbler (Baculares, Stablaru) nannte, weil sie meinten, ein
Christ dürfte keine
Waffen,
[* 10] sondern nur einen
Stab
[* 11] tragen. Am schlimmsten trieben ihr
Wesen die aus
Holland vertriebenen Wiedertäufer
seit 1533 in
Münster,
[* 12] wo der protestantische
Geistliche Rothmann und die
Bürger
Knipperdolling und Krechting, zu denen sich noch
Johann von Leiden (s. d.), Gerrit Kippenbroek
von
Amsterdam
[* 13] und Matthys gesellten, ein neues Staatswesen mit einem Zionskönig an der
Spitze, mit
Gütergemeinschaft,
Vielweiberei
u. dgl. einführten und ein blutiges
Regiment handhabten, bis endlich durch mehrere protestantische
Fürsten im
Verein mit dem
Bischof die Stadt eingenommen und durch die
Hinrichtung der Anführer dem neuen
Reich ein blutiges Ende gemacht wurde.
Vgl. Hast, Geschichte der Wiedertäufer
(Münst.
1835);
Hase, [* 14] Neue Propheten (2. Aufl., Leipz. 1860);
Cornelius, Geschichte des Münsterschen Aufruhrs (das. 1855-1860, 2 Bde.);
Derselbe, Die niederländischen Wiedertäufer
während der Belagerung
Münsters 1534-35
(Münch. 1869);
Keller, Geschichte
der Wiedertäufer
und ihres
Reichs zu
Münster (Münst.
1880);
Bouterwek, Zur Litteratur und Geschichte der Wiedertäufer
(Bonn
[* 15] 1864).
Eine neue, dem stürmischen
Charakter der ersten direkt entgegengesetzte
Periode in der Geschichte der
Wiedertäufer
beginnt mit Ubbo
Philipps, welcher, früher katholischer
Priester in
Leeuwarden, 1534 ein
Haupt der Wiedertäufer
geworden war u. seinen
Bruder
Dirk,
David Joriszoon u.
Menno (s. d.) zu
Geistlichen der
Sekte geweiht hatte.
Letzterer stiftete eine
Gemeinde
Gottes, deren
Mitglieder seit 1570 nach ihm
Mennoniten genannt wurden, jetzt aber, nach Vereinigung der prädestinatianischen
Apostolen und der arminianischen
Galenisten, gewöhnlich
Taufgesinnte (Doopsgezinden) sich nennen. Weiteres s.
Mennoniten.