Wiatka
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s. Wjatka.
Wiatka
3 Wörter, 19 Zeichen
Wiatka,
s. Wjatka.
Fluß im russ. Gouvernement Wjatka, entspringt nahe den Quellen der Kama im Glasowschen Kreis [* 3] des Gouvernements Wjatka und ergießt sich nach einem Laufe von 1066 km, von welchen 609 km schiffbar, in die Kama.
Ihre zahlreichen Zuflüsse (Choluniza, Tschepza, Pishma u. a.) sind nur flößbar.
russ. Gouvernement, von den Gouvernements Wologda im N., Perm im O., Ufa und Kasan [* 4] im S., Nishnij Nowgorod und Kostroma im Westen umgeben, umfaßt 153,106,5 qkm (2780,58 QM.). Die Oberfläche ist von niedrigen Hügeln bedeckt, die oft den Lauf der Flüsse [* 5] begleiten und durch Moräste und Sandwüsten voneinander getrennt werden. In den nördlichen Kreisen enthält der Boden Torf, in andern ist mit Sand und Thon gemischter Lehmboden, und wieder in andern Teilen herrscht Schwarzerde vor.
Die geognostische Form ist einförmig und besteht aus dem Mergel, Schiefer und Kalkstein der permischen Formation. An Mineralien [* 6] trifft man braunes Sumpfeisen, Kalkstein, Mühlstein, Gips, [* 7] im Slobodskoischen Kreis Magnetstein und im Jelabugaschen Schwefelquellen. Alle Flüsse gehören zum System der Kama, welche das Gouvernement im O. von Perm und Ufa trennt. Wjatka ist reich an Seen, die alle in den Flußthälern liegen und sich als Überreste alter Flußbetten erweisen.
Sümpfe sind fast allenthalben. Vom Areal entfallen 30,7 Proz. auf Äcker, 54,9 auf Wald, 7 auf Wiese und Weide, [* 8] 7,4 Proz. auf Unland. Die sehr ausgedehnten Wälder liegen namentlich in den nördlichen Kreisen. Bau- und Brennholz sowie Holzfabrikate aller Art werden in Masse stromabwärts in die Gouvernements der untern Wolga geflößt; in neuester Zeit sind jedoch die Wälder stark gelichtet worden. Das Klima [* 9] ist sehr rauh und kalt; die mittlere Jahrestemperatur beträgt + 2,2° C. (im Winter -12,7,° im Sommer +17,2°). Der Winter dauert ungefähr ein halbes Jahr, er fängt im Oktober an und endet gegen Mitte April.
Die Bevölkerung [* 10] belief sich 1885 auf 2,859,004 Einw., von welchen 85 Proz. Russen, der Rest auf Wotjaken, Tscheremissen, Tataren, Teptjären, Baschkiren, Permjaken, Bissermjänen, Zigeuner, Juden, Syrjänen, zum kleinsten Teil auf Polen und Deutsche [* 11] entfällt. Die griechisch-orthodoxe Konfession ist die vorherrschende (93,3 Proz.); außer dieser sind vertreten Sektierer (2,2), Heiden (0,39), Katholiken und Lutheraner (4,11 Proz.). Die Zahl der Eheschließungen war 1885: 20,287, der Gebornen 130,455, der Gestorbenen 115,110. Die Bevölkerung gehört zum größten Teil dem Bauernstand an, und Wjatka wird daher auch das Bauerngouvernement genannt.
Die Hauptbeschäftigung der Einwohner ist der Ackerbau, dem 83 Proz. der Bevölkerung obliegen. Das vorherrschende Wirtschaftssystem ist die Dreifelderwirtschaft; die Landwirtschaft steht auf einer niedrigen Stufe der Entwickelung, und von der Semstwo sind daher an mehreren Orten landwirtschaftliche Schulen und Musterfarmen begründet worden. Gebaut werden außer Getreide [* 12] auch Flachs und Hanf. Gartenbau u. Küchengärtnerei sind wegen der ungünstigen klimatischen Verhältnisse unbedeutend.
Die Ernte [* 13] ergab 1887: 12 Mill. hl Roggen, 13,4 Mill. hl Hafer, [* 14] 2,6 Mill. hl Gerste; [* 15]
andre Getreidearten und Kartoffeln in geringer Menge.
Die Viehzucht [* 16] liefert bei dem Mangel an Weiden kaum den für die Äcker nötigen Dünger; man zählte 1883: 925,086 Stück Rindvieh, 706,570 Pferde, [* 17] 1,446,377 grobwollige Schafe, [* 18] 291,312 Schweine, [* 19] 37,252 Ziegen. Bienenzucht [* 20] wird in den Kreisen Sarapul und Glasow betrieben, welch letzterer gegen 13,000 kg Honig und eine bedeutende Quantität Wachs absetzt. Die Jagd in den umfangreichen Wäldern ist eine ergiebige Erwerbsquelle; man zählt an 6000 Jäger, von denen 2500 sich mit der Vogeljagd beschäftigen.
Hasen, Eichhörnchen, Wölfe, Bären, Füchse werden am meisten gejagt, seltener Iltisse, Hermeline, Vielfraße, Fischottern, Elentiere und Luchse. Im Durchschnitt werden jährlich erlegt bis zu 130,000 Eichhörnchen, 30,000 Hasen, 300 Bären. Die jährliche Ausbeute des Hermelins beträgt ca. 600 Stück. Die Vogeljagd beschränkt sich auf Haselhühner (100,000), Rebhühner (50,000) und wilde Enten [* 21] (10,000). Die Fabrikthätigkeit, im ganzen gering, ist besonders entwickelt in den Kreisen Slobodsk, Sarapul, Wjatka und Jelabuga. Die größten und besten Fabriken gehören ¶
der Krone; es sind Gewehr- und Maschinenfabriken. In der Gießerei [* 23] von Slobodsk werden jährlich gegen 5000 Kirchenglocken gegossen. Man zählt (1881) 684 Fabriken mit 9710 Arbeitern und einem Produktionswert von 15 Mill. Rubel. Hauptsächlich besteht die Industrie in Branntweinbrennerei und Gerberei, doch sind auch die chemische Industrie, Papierfabrikation, [* 24] Glasindustrie und Maschinenbau rühmlich vertreten. Vielfach verdingen sich die Bauern als Kahnzieher, als Arbeiter auf den sibirischen Goldwäschereien, als Zimmerleute in den benachbarten Gouvernements, d. h. liegen den sogen. Wandergewerben ob. Hausindustriell wird namentlich die Leinweberei (jährlich ca. 12-14 Mill. m Leinwand) und Verfertigung von Holzwaren (Möbeln, Wagen, hölzernen Tabakspfeifen) betrieben; außerdem die Anfertigung von Fischernetzen, Sicheln, billigem Kupferzeug, Gurten, das Gerben, Drechseln etc. Oft betreibt ein ganzes Dorf nur ein Gewerbe.
Zur Hebung [* 25] dieser Industrien hat die Semstwo bei den Volksschulen Abteilungen errichtet, in welchen die Arbeiten der Tischler, Faßbinder, Radmacher, Schneider, Drechsler, Schlosser gelehrt werden; solcher Schulen gibt es zehn. Man rechnet, daß 216,000 Einw. von dieser kleinen Industrie leben. Im Handel wird ausgeführt: Getreide, Flachs, Leinsaat, Leinwand, Leder, Holz, [* 26] Salz, [* 27] Tierhäute. Die Flüsse sind die Hauptverkehrswege; größtenteils wird im Winter per Schlitten expediert. An Unterrichtsanstalten hat Wjatka (1885) 801 Elementarschulen mit 50,506 Schülern, 22 Mittelschulen mit 4393 Schülern und 4 Fachschulen mit 600 Zöglingen. Wjatka besteht aus elf Kreisen: Glasow, Jaransk, Jelabuga, Kotelnitsch, Malmysh, Nolinsk, Orlow, Sarapul, Slobodskoi, Urshum und Wjatka. Wjatka war ehemals von Wotjaken und Tscheremissen bewohnt, welche seit dem 12. Jahrh. von Einwanderern aus der Gegend von Nowgorod allmählich verdrängt wurden. Diese nannten sich selbst Wjatschare und das Land Wjatka. Sie wurden 1489 dem Großfürstentum Moskau [* 28] unterworfen.
Vgl. »Historisch-statistisches Sammelwerk des Gouvernements Wjatka« (Wjatka 1880).
Die Hauptstadt Wjatka (früher Chlynow genannt), an der Wjatka, hat 18 Kirchen (darunter eine Kathedrale mit vielen Kostbarkeiten), ein Mönchskloster (Uspenskoi Trifonow), welches, 1580 erbaut, früher 24,000 Leibeigne besaß, ein Nonnenkloster, ein klassisches Gymnasium, ein Mädchengymnasium, ein Lehrerseminar, ein geistliches Seminar, eine kleine öffentliche Bibliothek, 2 öffentliche Parke, Fabrikation von Wachs-, Stearin- und Talglichten sowie Leder, einen bedeutenden Jahrmarkt und (1886) 24,998 Einw. Wjatka ist Bischofsitz.