Titel
Welt
(althochd. weralt, mittelhochd. werld),
im allgemeinen Sprachgebrauch die
Erde und das sie bewohnende Menschengeschlecht, daher
Weltteile,
Weltkunde,
Weltgeschichte
etc.; im philosophischen
Sinn der Inbegriff alles Seienden, die existierenden
Dinge in ihrer
Totalität
und daher Gegenstand der
Kosmologie (s. d.); auch das Welt
gebäude oder Weltall
(Universum,
Kosmos), die Gesamtheit der Welt
körper,
d. h. aller
Fixsterne,
[* 2]
Planeten,
[* 3]
Nebenplaneten und
Kometen,
[* 4] die in ihrer
Verbindung und
Ordnung als ein
Ganzes das
Weltsystem bilden,
unter welcher Bezeichnung man aber auch zugleich die verschiedenen
Ansichten über eine solche
Verbindung
der Welt
körper, namentlich der
Körper unsers
Sonnensystems, begreift.
Der
Mehrzahl der
Philosophen des klassischen
Altertums galt der
Kosmos für ein beseeltes
Wesen, der ionischen, eleatischen, peripatetischen
und stoischen
Schule als die höchste
Gottheit selbst. Den Platonikern war er dagegen ein erzeugtes
Ebenbild
des höchsten
Gottes, ein Wunderwerk von
Schönheit und
Harmonie; Anaximander und die
Epikureer nahmen eine Vielheit von Welten
an. Mit dem
Glauben an eine Beseelung des
Kosmos hing die
Vorstellung zusammen, die Teile und
Glieder
[* 5] organischer
Wesen in den
Teilen und
Gliedern des
Kosmos wiederzufinden, eine Vorstellungsweise, die in späterer Zeit von
Paracelsus
u. a. dahin erneuert wurde, daß man die Welt
für einen menschlichen
Organismus im großen
(Makrokosmos), den
Menschen für eine
Welt
im kleinen
(Mikrokosmos) erklärte, womit die
Annahme von einem Einfluß der
Bewegungen der
Gestirne auf das
Leben und die
Schicksale der
Menschen zusammenhing. Um die
Bewegungen der Himmelskörper geometrisch zu erklären, dachte
sich
Eudoxos
Sonne,
[* 6]
Mond,
[* 7] die
Planeten und die
Fixsterne an selbständig beweglichen hohlen
Kugeln befestigt, und aus dieser
Theorie
der homozentrischen
Sphären (s.
Eudoxos) entwickelte sich dann im
Altertum die
Idee, daß die
Erde mit konzentrisch-kristallenen
Kugelschalen umgeben sei, welche die
Gestirne tragen und deren
Bewegung erzeugen. Die Zahl dieser
Sphären
vermehrte man im
Lauf der
Jahrhunderte, bis im 16. Jahrh. Fracastoro deren 77 zählte.
Tycho Brahe rechnete es sich zum besondern
Verdienst an, durch seine Untersuchungen über die
Kometen die Unmöglichkeit solider
Sphären dargethan zu haben. Im Volksglauben
erhielt sich diese
Vorstellung sehr lange, trotzdem daß das
Ptolemäische
Weltsystem (vgl.
Planeten, S.
108) die Himmelskörper frei im Weltraum
schweben ließ. Dieses im spätern
Altertum und im
Mittelalter herrschende
System wurde
durch
Kopernikus gestürzt, der im
Altertum in
Aristarchos (s. d. 1) einen
Vorläufer hatte, dessen heliozentrisches
System aber
erst nach den
Entdeckungen
Galileis und den
Arbeiten
Keplers und
Newtons
[* 8] allgemein herrschend wurde.
Mit dem
Sieg der neuen
Theorie drängten sich zugleich
Fragen auf, welche das
Altertum nur berührt hatte, wie die, ob die Welt
vielleicht
ohne
Grenze sei und sich völlig ins Unendliche erstrecke, ob die andern Weltkörper außer unserm Erdball ebenfalls
bewohnt seien. Die letztere glaubten aus Wahrscheinlichkeitsgründen besonders
Fontenelle in den berühmten
»Entretiens sur
la pluralité des mondes« (1686) und
Kant in seiner »Allgemeinen
Naturgeschichte und
Theorie des
Himmels« (1755) bejahen zu müssen.
Die von Mädler aufgestellte Theorie, einen Fixstern im Sternbild der Plejaden für den Zentralpunkt des Universums (Zentralsonne) anzusehen, um welchen unsre Sonne im Geleit ihrer Planeten und Kometen eine regelmäßige, der der Planeten um die Sonne entsprechende Bahn beschreibe, hat nicht durchzudringen vermocht. Die Ansicht von einer Beseelung des Weltalls ist durch Schelling: »Über die Weltseele« (Jena [* 9] 1798),
und dann spezieller durch Fechner: »Zendavesta, oder über die Dinge des Himmels und des Jenseits« (Leipz. 1851),
erneuert worden.
Über die Entstehung des Weltgebäudes hat Kant im zweiten Teil seiner »Allgemeinen Naturgeschichte und Theorie des Himmels« (Königsb. 1755) eine Hypothese aufgestellt, deren erste Grundzüge sich bei Swedenborg (»Principia rerum naturalium«, Dresd. u. Leipz. 1734) und ausführlicher bei Wright (»An original theory or new hypothesis of the universe«, 1750) finden, und welche noch jetzt als in der Hauptsache zutreffend betrachtet wird. Kant handelt am angegebenen Ort »von dem ersten Zustand der Natur, der Bildung der Himmelskörper, den Ursachen ihrer Bewegung und der systematischen Beziehung derselben sowohl in dem Planetengebäude überhaupt als auch in Ansehung der ganzen Schöpfung«. Zwar schildert er nur die Entwickelung des Sonnensystems; man erkennt aber, daß andre ähnliche Systeme im Weltgebäude in ganz derselben Weise entstanden sein müssen. Eine wesentlich damit identische Hypothese hat 41 Jahre später Laplace am Schlusse seiner »Exposition du système du monde« (Par. 1796) vorgetragen, und hauptsächlich dieser, übrigens weniger eingehenden Darstellung ist die Verbreitung der Kenntnis dieser kosmogonischen Hypothese zu verdanken, die man nicht selten mit Laplaces Namen belegt.
Ihre Hauptgedanken sind folgende. Ursprünglich war die ganze Masse des Sonnensystems bei sehr hoher Temperatur in fein verteiltem, dunstförmigem Zustand in einem Raum verbreitet, der weit über die heutigen Bahnen der Planeten hinausging. Unter dem Einfluß der allgemeinen Massenanziehung bildete sich in dieser Dunstmasse ein dichterer Kern, der Embryo unsrer Sonne. Dieser Kern mit der ihn umgebenden Dunsthülle rotierte um eine Achse, und durch die Zentrifugalkraft [* 10] erhielt die Hülle eine stark abgeplattete, der verlängerten Äquatorebene des Kerns sich anschließende Gestalt.
Die Rotation erscheint bei Laplace als gegeben, während Kant sich bemüht, dieselbe als eine notwendige Folge des Spiels der zwischen den einzelnen Massenteilchen thätigen Attraktions- und Repulsionskräfte nachzuweisen. So wie nun in dem ursprünglich gleichförmigen Urstoff die Sonne durch Kondensation gebildet wurde, so entstanden nach Kant auch später um gewisse Attraktionszentren Massenanhäufungen, die sich dann loslösten und in derselben Richtung um den Kern laufen, in welcher dieser selbst rotiert.
Laplace aber erinnert daran, daß infolge der allmählichen Erkaltung durch Ausstrahlung die platt gedrückte Dunsthülle sich zusammenziehen mußte, und daß sich nun in der Äquatorialebene ringförmige Zonen loslösten, aus denen sich an der jeweiligen Grenze der Dunsthülle oder Sonnenatmosphäre Planeten bildeten. Auf diese Weise erklären sich die Erscheinungen, daß alle Planeten in gleicher Richtung um die Sonne laufen, nämlich im Sinn der Sonnenrotation, daß ihre Ebenen nahezu kreisförmig und nur schwach gegen den Sonnenäquator geneigt sind. Daß die Bahnen nicht genaue Kreise [* 11] sind, findet nach Kant seine Erklärung ¶
mehr
darin, daß die Teilchen, welche sich zu einem Planeten zusammenballen, je nach ihrem ursprünglichen Abstand vom Kern der rotierenden Masse eine verschiedene Geschwindigkeit besitzen, daher die Tangentialgeschwindigkeit des aus diesen Teilchen gebildeten Planeten nicht genau die Größe erhält, die zur Entstehung einer kreisförmigen Bewegung nötig ist. Der Überschuß der Geschwindigkeit der von der Sonne entferntern Teilchen über die der nähern bewirkt auch die Rotation der Planeten um ihre Achse, die daher bei allen in gleicher Richtung erfolgt.
Auch die Thatsache, daß die Planetenbahnen nicht genau in einer Ebene liegen, erklärt sich ungezwungen, wenn man bedenkt, daß die abgeplattete Dunstmasse eine gewisse Dicke besaß, innerhalb welcher es dem Zufall überlassen blieb, an welcher Stelle sich die zur Bildung eines Planeten günstigen Umstände vorfanden. Die von der Hauptmasse abgesonderten, um ihre Achsen rotierenden Planeten machten nun einen analogen Prozeß durch wie die ganze Masse; es sonderten sich von ihnen Ringe (beim Saturn) und Monde ab. Kant behandelt ausführlich die Bildung der Saturnringe aus der Atmosphäre des Planeten »vermittelst der von seinem Umschwung eingedrückten Bewegungen« und berechnet auf Grund dieser Hypothese die Zeit seiner Achsendrehung, die er für den innern Ringrand gleich 10 Stunden findet (Herschel fand 1790: 10½ Stunden).
Auch das Zodiakallicht [* 13] verdankt nach Kant seine Entstehung einem Ring, der sich in gleicher Weise von der bereits stark erkalteten und zusammengezogenen Sonnenatmosphäre abgesondert hat. Was endlich die Kometen betrifft, so denkt sich Kant, daß sie aus den feinsten und leichtesten Massenteilchen »in der obersten Gegend des Weltgebäudes« gebildet sind. In seinen »Photometrischen Untersuchungen« (1865) hat Zöllner versucht, sämtliche Erscheinungen, welche die Himmelskörper außer den Ortsveränderungen darbieten, auf Grund der Kantschen Hypothese zu erklären. - Unter Welt versteht man endlich noch das Endliche und Kreatürliche im Gegensatz zum Unendlichen, Ewigen, zum Geist.