Welfen
oder Guelfen,
Name eines Fürstenhauses, das eine Zeit lang über mehrere deutsche
Provinzen herrschte, jetzt
aber nur noch in der früher königl. Linie des Hauses Hannover
[* 2] fortbesteht
, dem auch die engl.
Königsfamilie angehört. Zu
Karls d. Gr. Zeit waren sie in Oberdeutschland reich begütert,
Graf Welf (I.) wurde 819 durch seine Tochter
Judith
Kaiser
Ludwigs des Frommen Schwiegervater. Während er durch seinen Sohn
Konrad Ahnherr der burgund. Könige wurde, stammten durch Eticho und
Heinrich die deutschen Welfen
von ihm ab. Dieser
Heinrich,
bald als sein Sohn, bald als sein Enkel bezeichnet, soll zuerst gegen ein
Lehn von 4000 Morgen des
Kaisers
Dienstmann geworden sein.
Welf II. verbündete sich mit Herzog Ernst II. von Schwaben gegen Kaiser Konrad II., wurde besiegt und des Landes verwiesen, aber wieder zu Gnaden angenommen. Sein Sohn Welf III. wurde 1047 mit dem Herzogtum Kärnten und der Mark Verona [* 3] belehnt. Er starb 1055 kinderlos und soll seine Erbgüter an Weingarten und andere Klöster vermacht haben. Doch seine Mutter Irmengard bewog den Gemahl ihrer Tochter Kunigunde, Azzo II. von Este, seinen Sohn zur Besitzergreifung der welfischen Güter nach Deutschland [* 4] zu schicken.
Dieser, Welf IV. (als Markgraf) oder Welf I. (als
Herzog), nahm die
Güter in
Besitz und wurde
Stifter der
jungem welfischen Linie (Welf-Este
). Nach seines Schwiegervaters
Otto von Nordheim Absetzung wurde er von
Kaiser
Heinrich IV. 1071 mit
dem Herzogtum
Bayern
[* 5] belehnt, und er erbte nach seinem
Vaters
Tode auch die
Güter und
Länder des Hauses
Este. Nach dem Bannspruch
gegen
Heinrich IV. fiel er von diesem ab, söhnte sich aber später wieder mit ihm aus und starb bei dem unglücklichen Kreuzzug
von 1101 auf der
Insel Cypern.
[* 6]
Sein Sohn Welf V. (II.) heiratete 1089 die 43jährige Mathilde von Tuscien (s. d.), um sich deren reiche Güter in Oberitalien [* 7] zu erwerben, verließ sie aber wieder, als er erfuhr, daß sie schon 1079 für den Todesfall ihre Eigengüter dem päpstl. Stuhl vermacht habe. Er vererbte, da er kinderlos war, 1120 Bayern und seine sämtlichen Güter an seinen Bruder Heinrich IX. (s. d.), der Wulfhild, die Tochter des Herzogs Magnus von Sachsen, [* 8] heiratete und mit ihr einen Teil der billungschen Erbgüter in Sachsen erhielt.
Auf Heinrich den Schwarzen folgte in Bayern 1126 Heinrich X. (s. d.) der Stolze, der durch seine Vermählung mit Kaiser Lothars einziger Tochter Gertrud das Erbrecht in den ansehnlichen braunschw., nordheim. und supplinburg. Erbgütern gewann. Der Kaiser gab ihm später zu Bayern noch das Herzogtum Sachsen und hoffte ihm auch die Nachfolge im Reich zuwenden zu können. Aber die Fürsten wählten den Hohenstaufen Konrad III., Heinrich verfiel 1138 der Reichsacht und mußte Bayern herausgeben.
Sein
Bruder Welf VI. (III.) pflanzte den welfischen
Stamm noch eine Zeit lang in einer
Nebenlinie fort.
Tapfer und mächtig, kämpfte er nach seines
Bruders
Heinrich
Tode (1139) um
Bayern, wurde zwar von Konrad III. 1140 bei
Weinsberg
geschlagen (daß die Parteinamen Welfen
und
Waiblinger damals entstanden, ist späte Überlieferung, s. Ghibellinen), versöhnte
sich aber erst spät mit ihm. Dagegen diente er
Kaiser
Friedrich I. treu und begleitete ihn zweimal nach
Italien.
[* 9] Er starb zu Memmingen
[* 10] kinderlos,
da sein einziger Sohn Welf VII. 1167 ihm im
Tode vorangegangen war, und
vererbte seine großen
Güter in
Deutschland und
Italien den Hohenstaufen. (Vgl.
Adler,
[* 11]
Herzog Welf VI. und sein Sohn, Hannov.
1881.)
Heinrichs des
Stolzen Sohn
Heinrich (s. d.) der Löwe behauptete im Kampfe gegen
Kaiser
Friedrich I.
zuletzt nur die sächs. Erbgüter. Von seinen
Söhnen wurde
Heinrich Pfalzgraf bei Rhein (1195-1227),
Otto, der 1198 zum deutschen
König gewählt wurde (s.
Otto IV.), erhielt
Braunschweig,
[* 12] Wilhelm (gest. 1213) erhielt die über der
Elbe liegenden welfischen
Lande und wurde der Stammvater des Welfen
hauses (s.
Otto das
Kind,
Herzog von
Braunschweig). -
Vgl.
Adler,
Zur ältesten
Geschichte des Welfen
stammes (Hannov. 1882).
Die weitere Geschichte des Welfen
hauses berichtet von zahlreichen
Teilungen ihrer sächs. Erblande, bis endlich die beiden
Linien
Braunschweig-Wolfenbüttel und
Braunschweig-Lüneburg (Hannover) übrigbleiben (s.
Braunschweig, Geschichte). Die ältere
(erstere) erlosch mit dem
Tode des
Herzogs Wilhelm von
Braunschweig; die jüngere hannov. Linie
erhielt durch die Bemühungen des
Herzogs Ernst
August 9. bis die neunte Kur. Sein Sohn
Georg
Ludwig bestieg als
Georg
I. (s. d.) 1714 den großbritann.
Thron.
[* 13] Unter seinen Nachfolgern wurden die Herzogtümer
Bremen
[* 14] und
Verden
[* 15] (1719), das Land Hadeln (1731),
Osnabrück
[* 16] (1803) den hannov. Erblanden einverleibt. Diese wurden zum Königreich erhoben, unter Hinzulegung der
Fürstentümer Hildesheim,
[* 17] Goslar,
[* 18]
Ostfriesland samt dem
Harlingerlande, Meppen, Emsbühren, Lingen. Mit dem
Tode des Königs
Wilhelm IV. erfolgte die
Trennung der großbritann. Königskrone von der Hannovers (s. d.,
Geschichtliches); erstere übernahm die einzige Tochter des
Herzogs Eduard von
Kent, Victoria,
[* 19] letztere der
Herzog von
Cumberland als
König Ernst
August (s. d.). Von diesem Zeitpunkt an bildete sich eine eigene welfische
Politik, im Gegensatz zu dem nach größerer Einheit und
Freiheit strebenden deutschen
Volke. Ernst
Augusts
Sohn,
Georg V. (s. d.), verlor 1866 seinen
Thron an
Preußen.
[* 20] Sein einziger Sohn und jetziges Haupt des Welfen
hauses ist der
Herzog Ernst
August von
Cumberland (s. d.).