Welfen
,
Name eines berühmten Fürstenstammes, welcher in der deutschen Geschichte eine bedeutende
Rolle spielte und in einer
Linie noch jetzt fortbesteht (s. unten). Der Ursprung der
Familie reicht in die frühsten
Zeiten zurück.
Schon unter
Karl d. Gr. tritt ein
Graf,
Warin von
Altorf, auf, dessen Sohn Isenbrand seinem
Geschlecht den
Namen Welfen
(d. h. junge
Hunde)
[* 3] gegeben haben soll.
Sein Sohn Welf I. (gestorben um 824), der
Stifter der ältern welfischen
Linie,
führte diesen
Namen zuerst und wurde durch seine Tochter
Judith Schwiegervater
Kaiser
Ludwigs des
Frommen.
Die Nachkommen seines
Sohns
Konrad wurden
Könige von Oberburgund; von seinem Sohn Elicho stammten die deutschen Welfen
ab.
Graf
Welf II., der Erbauer von
Ravensburg,
[* 4] verband sich mit dem
Herzog Ernst von
Schwaben gegen den
Kaiser
Konrad
II., während derselbe in
Italien
[* 5] abwesend war, wurde aber 1027 besiegt und verlor einen Teil seiner Besitzungen.
Sein Sohn
Welf III. wurde 1047 mit dem Herzogtum
Kärnten und der
Mark
Verona
[* 6] belehnt, starb aber 1055 und vermachte seine
sämtlichen
Erbgüter dem
Kloster
Weingarten.
Welf IV. (als Herzog Welf I.) jedoch, der Sohn seiner Tochter Kunigunde und Azzos aus dem Haus Este, des Gebieters von Mailand, [* 7] Genua [* 8] und andern Städten, nahm auf Betrieb seiner Mutter die Güter in Besitz und wurde Stifter der jüngern welfischen Linie. Nach Ottos von Northeim [* 9] Absetzung wurde er von Kaiser Heinrich IV. 1070 mit dem Herzogtum Bayern [* 10] belehnt. Gegen Heinrich IV. verhielt er sich trotzdem aus Ehrgeiz und Habsucht treulos und kämpfte offen gegen ihn für den Papst und die Gegenkönige.
Erst 1095 versöhnte er sich mit dem Kaiser und starb 1101 auf einem Kreuzzug auf Cypern. [* 11] Sein Sohn Welf V. (II.) hatte 1089 mit der 25 Jahre ältern Mathilde von Tuscien eine Scheinehe geschlossen, um ihre reichen Güter zu erwerben, trennte sich aber 1095 von ihr, als er erfuhr, daß sie alles dem Papst vermacht habe. Er folgte seinem Vater in der bayrischen Herzogswürde, war ein eifriger Anhänger Heinrichs V. und starb kinderlos 1119. Die gesamten welfischen Besitzungen fielen nun an seinen Bruder Heinrich den Schwarzen (gest. 1126). Dieser vermählte sich mit Wulfhild, der Tochter des Herzogs Magnus von Sachsen, [* 12] und erwarb dadurch die Hälfte der Billungschen Erbgüter, darunter Lüneburg. [* 13]
Durch den
Ehrgeiz seines
Sohns
Heinrich des
Stolzen (gest. 1139), welcher durch seine Vermählung mit des
Kaisers
Lothar einziger Tochter,
Gertrud (1127), das
Erbrecht in den ansehnlichen braunschweigischen, northeimischen und supplingenburgischen
Gütern erhielt und durch die
Gunst seines kaiserlichen Schwiegervaters zum Herzogtum
Bayern noch das Herzogtum
Sachsen hinzufügte,
ward der
Haß zwischen Welfen
und
Hohenstaufen entzündet, und sein Sohn, der berühmte
Heinrich der
Löwe, trug
durch Eroberungssucht und übermütigen Trotz nicht wenig dazu bei, ihn zu schüren.
Daher wurde der
Name Welfen
(ital.
Guelfen)
Parteiname der Gegner der
Hohenstaufen, in
Italien, wo er sich lange erhielt,
Name der päpstlichen antikaiserlichen
Partei überhaupt
(s.
Ghibellinen). - Ein andrer Sohn
Heinrichs des
Schwarzen, Welf VI., kämpfte nach dem
Tod seines
Bruders
Heinrich des
Stolzen um das diesem entzogene Herzogtum
Bayern mit glücklichem Erfolg, bis er von König
Konrad III. in der
Schlacht
bei
Weinsberg 1140, wo die Parteinamen
Guelfen und
Ghibellinen
(Waiblinger) aufgekommen sein sollen, besiegt
ward.
Welf söhnte sich später mit Konrad III. aus, begleitete ihn 1147 auf seinem Kreuzzug und erhielt von seinem Schwestersohn Friedrich I. zu den Besitzungen des Hauses Este in Oberitalien [* 14] noch ansehnliche Reichslehen, wie Tuscien, Spoleto u. a., in Mittelitalien. Nach dem frühen Tod seines einzigen Sohns, Welf VII. (starb 1167 in Rom), [* 15] trat er, geldbedürftig, dem Kaiser, welcher ihm mit einer ansehnlichen Summe zu Hilfe kam (Heinrich der Löwe zögerte, dies zu thun), seine italienischen Besitzungen sofort ab und sicherte ihm auch die reichen Stammgüter in Schwaben nach seinem Tod zu. Er starb kinderlos und Heinrich VI. gab die welfischen Besitzungen in Schwaben samt diesem Herzogtum seinem dritten Bruder, Konrad.
Vgl. Behrens, Herzog Welf VI. (Braunschweig [* 16] 1829);
Adler, [* 17] Herzog Welf VI. und sein Sohn (Hannov. 1881). -
Heinrichs des Löwen Auflehnung ¶
mehr
gegen Kaiser Friedrich I. führte 1180 seinen Sturz und den Verlust der Herzogtümer Sachsen und Bayern herbei. Den Welfen
blieben
bloß die von den Billungern und Kaiser Lothar ererbten Güter, die 1235 zum Herzogtum Braunschweig und Lüneburg erhoben wurden.
Kaiser Otto IV. (1208-15), Heinrichs des Löwen Sohn, ist der einzige Welfe, der den Kaiserthron bestiegen
hat. Dessen Neffe, Heinrichs des Löwen Enkel, Otto das Kind (gest. 1252), ist der Stammvater des Hauses Braunschweig (s. d.),
das sich in viele Linien verzweigte, von denen schließlich nur die Linien Braunschweig-Wolfenbüttel und Braunschweig-Lüneburg
übrigblieben.
Erstere, aus der viele berühmte Feldherren hervorgingen, erlosch mit dem Herzog Wilhelm von Braunschweig letztere, die den Namen Hannover [* 19] annahm, erlangte die Kurwürde, bestieg mit Georg I. den Thron [* 20] von Großbritannien [* 21] und Irland und hat denselben noch jetzt inne. Hannover, das zum Königreich erhoben und ansehnlich vergrößert worden war, fiel bei der Thronbesteigung der Königin Viktoria in Großbritannien an deren Oheim, den Herzog von Cumberland, Ernst August, und 1866 an Preußen. [* 22]
Der entthronte König Georg V., der einen förmlichen Welfen
kultus trieb, beförderte die Bildung einer welfischen (deutsch-hannöverschen)
Partei in Hannover, welche die Wiederherstellung der Selbständigkeit des Königreichs Hannover unter der
Dynastie der Welfen
erstrebt, und errichtete 1867 in Frankreich die sogen. Welfen
legion, wodurch er Preußen zur Stiftung des Welfenfonds
(s. d.) herausforderte. Da nach dem Tod Georgs V. sein Sohn Ernst August, der den Titel eines Herzogs von Cumberland
annahm, seine Rechte auf Hannover aufrecht erhielt, wurde er im Bundesrat 1885 nicht zur Thronfolge in Braunschweig
zugelassen.
Vgl. Steinmann, Die Grabstätten der Fürsten des Welfen
hauses (Braunschw. 1885).