Weizen
(Triticum), Gattung aus der Familie der Gramineen, [* 2] Gräser [* 3] mit einzeln in den Ausschnitten der Spindel stehenden, breit gedrückten, mit der breiten, flachen Seite gegen die Spindel gerichteten, drei- bis vielblütigen Ährchen, [* 4] in denen aber mehrere Blüten verschlagen, so daß jedes Ährchen in der Regel nur 2 oder 3, selten nur ein Korn enthält. Die Deckspelzen sind breit, gekielt, spitz oder stachelspitzig; die untere Spelze hat eine begrannte oder wehrlose Spitze.
Von den angebauten
Arten unterscheidet man zwei
Gruppen, nämlich den bespelzten Weizen
, als
Spelz- und Dinkelarten
(nebst
Emmer oder
Amelkorn und Ein- oder
Peterskorn, T. spelta, T. amyleum, T. monococcum), mit meist zusammengedrückten
Ähren,
an den
Knoten zerbrechlicher
Spindel und 1-3 beschalten
Körnern in den
Ährchen (s.
Spelz), und die nackten, die eigentlichen
Weizen
arten, mit meist dicker, vierseitiger
Ähre, an den
Knoten zerbrechlicher
Spindel und 3 unbeschalten
Körnern in den
Ährchen.
Der milde Weizen
(T. sativum Zam.),
mit an den etwas breitern Seiten der
Ähre dachziegelförmig übereinander, an den schmälern zweizeilig liegenden
Ährchen
und breiten, kurzen, festen, an der
Spitze abgeschnittenen
Kelchspelzen mit wenig hervortretendem
Kiel,
[* 5] wird in allen Kulturländern
als
Sommer- und Winterfrucht gebaut und zwar vorherrschend die
Arten ohne
Grannen, seltener die begrannten.
Man klassifiziert die
Sorten dieses Weizens
nach
Farbe der
Ähre (weiß, rot, fahl), des
Korns (weiß, gelb, rot) und nach
Behaarung der
Ähre (glatt, behaart); jedoch ändern alle diese Merkmale je nach
Klima,
[* 6]
Boden, Düngerzustand ab und gehen ineinander über,
ebenso wie der gedrungene und gestreckte Wuchs der
Ähre.
Der Weizen
wird als
Sommer- und Winterfrucht gebaut, er erfordert einen viel bindigern
Boden als
Roggen und gedeiht besonders in
gutem
Kalkmergel- oder Thonmergellehm, aber auch in gutem Lehmboden mit vorherrschendem Sandgehalt. Je weniger Bindigkeit
der
Boden besitzt, um so mehr ist man auf die robustern begrannten
Arten angewiesen, welche auch ein rauheres
Klima vertragen. Der Weizen
bedarf nicht so fein gepulvertes Land wie der
Roggen, doch muß dasselbe
frei von
Schollen sein und mehr
in
Kraft
[* 7] stehen.
Gegen vorübergehende Nässe
ist er viel weniger empfindlich als
Roggen, aber stehende Nässe und Säuerung
verträgt er besonders in kalkarmem
Boden nicht. Sehr förderlich ist dem Weizen
Drillsaat und späteres
Behäufeln der Saatreihen.
Bei zu geilem Wuchse schröpft man. Bei nassem Erntewetter wächst Weizen
viel öfter aus als
Roggen. In strengerm
Boden, in welchem
letzterer für sich allein nicht mehr gedeiht, kultiviert man denselben im
Gemenge mit Weizen
als
Gemengkorn,
welches gutes
Brot
[* 8] gibt.
Als Saatgut verwendet man
Samen,
[* 9] die in der
Glas- und Vollreife geerntet wurden. Sehr vorteilhaft ist es, von einer
Ernte
[* 10] auf
gutem Weizen
boden die schönsten
Ähren und aus diesen die besten
Körner zu wählen, diese einer sorgfältigen
Kultur zu unterwerfen
und aus dem
Ertrag neues Saatgut in derselben
Weise auszuwählen. Setzt man dieses
Verfahren mehrere Jahre fort, so erhält
man eine
Sorte mit viel längern
Ähren und gehaltreichern
Körnern; doch geht dieselbe alsbald wieder zurück, sobald
man in
der sorgfältigen Behandlung erlahmt.
Der grobe Weizen
(T. turgidum L.), mit etwas breit gedrückten, sonst dem vorigen ähnlich gebauten
Ähren, bauchigen, eiförmigen, stark gekielten
Kelchspelzen und oft lang begrannten
Blütenspelzen, besitzt sehr steife
Halme
und dicke
Ähren, ist weniger dem
Rost ausgesetzt, lagert sich seltener, hat kornreiche
Ähren, ist so robust wie der gemeine
Grannenweizen
, gibt aber wegen weitläufigern
Standes der
Halme und dickschaligerer
Körner keine höhern
Erträge; das
Stroh ist etwas fester, soll sich weniger leicht dreschen und das
Mehl
[* 11] mehr Umsicht beim Verbacken erfordern.
Man baut ihn als
Sommer- und Winterfrucht in Mitteleuropa in mehreren
Varietäten, zu welchen auch der Wunderweizen
(Pyramiden-,
Mumien-, Josephsweizen
) gehört. Bei diesem verästeln sich die
Ähren bis gegen die
Spitze hin. Er wintert
leicht aus und bringt selten dichte Bestände. Den
Namen Pyramidenweizen
erhielt er, weil der Weizen, den man aus
Körnern, welche
in den
Pyramiden gefunden waren, erzogen haben wollte, teilweise zu dieser Art gehört. Wunderweizen
wurde aber schon im 16. Jahrh.
in
Deutschland
[* 12] angebaut, während
Graf
Sternberg weit später zuerst
Körner aus den
Pyramiden aussäete;
da dieselben aber nicht keimten, ersetzte sie dessen
Gärtner (wie letzterer dem Geheimrat
Kühn-Halle selbst gestanden) heimlich
durch einheimische
Samen, und es ist daher die Historie des Mumienweizens
auf eine Täuschung zurückzuführen.
Der Gerstenweizen
(hartsamiger,
Bart-, Glasweizen, T. durum L.), mit
Ähren wie die vorigen
Arten, aber
bauchigen, dreimal so langen als breiten, breit stachelspitzigen, gekielten
Deckspelzen, sehr lang begrannten
Blütenspelzen
und innen glasigen
Körnern, wird meist als Sommerfrucht und fast einzig im südlichen
Europa
[* 13] gebaut. Der polnische Weizen
(Gommer,
walachisches, astrachanisches, sibirisches
Korn,
Korn von
Kairo,
[* 14] T. polonicum L.), mit unregelmäßig vierseitiger
oder zusammengedrückter, sehr langer
Ähre, etwas bauchigen, länglich lanzettlichen, papierartigen, deutlich vielnervigen,
gekielten
Deckspelzen, lang begrannten
Blütenspelzen und sehr langen
Körnern, wird als Sommerfrucht gebaut und liefert ein
Mehl, welches zwischen
Roggen- und Weizenmehl steht; einen Kulturwert hat diese
Spezies nicht. Über
Aussaat,
Ertrag etc.
des Weizens belehrt die nachstehende
Tabelle:
Aussaat auf 1 Hektar | Ertrag von 1 Hektar | Keimfähigkeit | Vegetatitionsperiode | 1 Scheffel wiegt | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Weizen | breitwürfig | gedrillt | ||||||||
Scheffel | Kilogr. | Scheffel | Kilogr. | Körner Scheffel | Stroh Kilogr. | Jahre | Wochen | Kilogr. | ||
Winterweizen | 4.3-5.4 | 166-208 | 3.2-4.3 | 123-166 | 43-65 | 3133-4700 | 3 | 42-50 | 38.68 | |
Sommerweizen | 4.7-5.8 | 182-225 | 4.3-4.7 | 166-186 | 34-52 | 2350-3916 | 3 | 18-20 | 39.13 |
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Feinde des Weizens sind besonders: die Drahtwürmer (Agriotes segetis), der schwarzbraune Kornwurm [* 16] (Calandra granaria), die Wintersaateule (Agrotis segetum), der weiße Kornwurm (Tinea granella), das Grünauge (Chlorops lineata), der Getreideverwüster (Cecidomyia destructor), die Weizenmücke (C. tritici), das Weizenälchen (Anguillula tritici), außerdem Brand- und Rostpilze. Die quantitative Zusammensetzung des Weizens schwankt nach Art, Varietät, Bodenbeschaffenheit und Klima. Er enthält im Mittel 12,42 Proz. eiweißartige Körper, 1,70 Fett, 67,89 Stärkemehl und Dextrin, 2,66 Holzfaser, 1,77 Asche und 13,56 Proz. Wasser.
Die vorwaltenden Aschenbestandteile sind: Kali, Phosphorsäure und Magnesia. Weizenmehl gibt mit Wasser einen zähen Teig, aus welchem man unter einem Wasserstrahl das Stärkemehl auswaschen kann, so daß der Kleber zurückbleibt. Der Kleber des Weizens besteht aus Gliadin, Glutenfibrin, Glutenkasein und Mucedin. Kennzeichen der Güte des Weizens ist vor allen hohes spezifisches Gewicht. Weizen, welcher 0,73 kg pro Liter wiegt, gehört zu den guten, mehlreichen. Hierbei sollen die Körner gleichartig, groß und voll sein.
Der Weizen ist nach dem Boden, auf welchem er wuchs, und nach dem Land sehr verschieden. Ungarischer und Banater Weizen gehört zu den besten Sorten und ist doch im Querschnitt hornartig. Bei dem in nördlichen Gegenden gewachsenen Weizen wird dagegen jener, welcher im Querschnitt eine gleichmäßig weiße Farbe besitzt, das beste Mehl geben (milder Weizen), während solcher mit hornartigen Flecken im Querschnitt schlechteres Mehl liefert. Der Weizen nimmt einen viel breitern Gürtel [* 17] ein als der Roggen und wird als vorherrschende Brotfrucht im mittlern und südlichen Frankreich, in England, einem Teil von Deutschland, in Polen, Ungarn, [* 18] den südlichen Donauländern, Italien, [* 19] in der Krim, [* 20] in den Ländern am Kaukasus, auch im mittlern Asien, [* 21] in Nord- und Südamerika, [* 22] am Kap und in Australien [* 23] gebaut.
An der Nordgrenze (Norwegen [* 24] bis Drontheim, Rußland bis St. Petersburg, [* 25] in den Alpen [* 26] bis 1000 m ü. M.) ist er mit der Roggenkultur, an der Südgrenze mit den Reis- und Maisbau vergesellschaftet, letzteres besonders in den Mittelmeerländern und in Nordamerika. [* 27] Man benutzt Weizenmehl zu Brot und feinern Backwaren, in der Küche, zu Nudeln, Oblaten, Kleister etc.; gewisse kleberreiche Weizensorten dienen zur Bereitung der Maccaroni. Man bereitet aus dem Korn auch Graupen, Grütze, Gries, dann Stärkemehl und aus dem abfallenden Kleber allerlei Nahrungsmittel, [* 28] Kitt, Leim etc. Auch in der Bierbrauerei [* 29] und Branntweinbrennerei wird Weizen verarbeitet.
Das Stroh dient in der Landwirtschaft und, in besonderer Weise kultiviert, wobei es einen hohen Grad von Feinheit erlangt, in der Strohflechterei. Weizen bildet den Hauptgegenstand des Getreidehandels sowohl auf Binnenmärkten als in Hafenplätzen. Ausfuhrländer sind: Nordamerika, Südrußland (Odessa), [* 30] die Donaufürstentümer, Polen, Ungarn und das Banat, das östliche Deutschland. Die reichsten Kornkammern bilden gegenwärtig Nordamerika und Ungarn. Aus Stettin [* 31] und andern Ostseehäfen wird pommerscher, schlesischen polnischer Weizen verschifft, namentlich nach England und zum Teil nach Frankreich.
Die Hauptländer für den Weizenbau in Deutschland sind: die Provinz Sachsen, [* 32] Schleswig-Holstein, [* 33] Schlesien, [* 34] Preußen, [* 35] Pommern, [* 36] das hannöversche Marschland und der Regierungsbezirk Wiesbaden. [* 37] Auch Chile [* 38] hat Weizen auf den europäischen Markt gebracht. Der Weizen soll nach griechischen Mythen auf den Fluren von Enna und in Sizilien [* 39] heimisch sein; viel wahrscheinlicher aber stammt er, wie die Gerste, [* 40] aus Mittelasien, wo man ihn am Ufer des Euphrat noch gegenwärtig wild wachsend gefunden haben will.
Jedenfalls gehört er zu den am längsten angebauten Cerealien. Theophrast beschreibt den begrannten Sommerweizen, aus welchem sich der Winterweizen erst später entwickelt haben soll. Auch in China [* 41] war er schon 3000 Jahre v. Chr. als Kulturpflanze bekannt. Die große Mannigfaltigkeit der ältern Namen des Weizens deutet hinlänglich auf den großen Verbreitungsbezirk hin, welcher der Pflanze schon ursprünglich zukam. T. turgidum wurde ebenfalls schon von den Ägyptern kultiviert und war auch den Römern zur Zeit des Plinius bekannt. Daher weder früher noch später nach Indien vordrang, so muß sein Vaterland eher im Süden und Westen des Mittelmeers [* 42] als in Mittelasien zu suchen sein. T. repens, s. v. w. Agropyrum [* 43] repens.