Weinstein
(lat. tartarus, frz. tartre, engl. tartar, argal, ital. tartaro); ein Bestandteil des Mostes der Weintrauben, scheidet sich teils schon während der Gärung mit der Hefe, teils erst beim Lagern des fertigen Weines, wegen der Schwerlöslichkeit in alkoholhaltigen Flüssigkeiten, ab und setzt sich in letzterem Falle als harte kristallinische Kruste an den Wandungen der Lagergefäße ab. Auch in den beim Keltern der Trauben zurückbleibenden Weintrestern ist noch eine ziemliche Menge von W. enthalten und kann aus diesen gewonnen werden.
Den meisten W. liefern die säurereichen und zugleich alkoholreichen kräftigen Weine aus gut gezeitigten Trauben. Man erhält im Durchschnitte aus einem hl Wein während längerer Lagerung 0,75 kg W. Um den W. aus den Fässern herauszubekommen, läßt man die Fässer austrocknen oder trocknet sie künstlich dadurch aus, daß man auf einer, im Inneren der Fässer angebrachten, geeigneten Unterlage ein leichtes nicht sehr rauchendes Feuer mittels Stroh oder Hobelspähnen anbrennt.
Durch dieses auf die eine oder andre Weise bewirkte Austrocknen wird der Zusammenhang zwischen der Faßwand und der Weinstein
kruste
gelockert, sodaß man letztere durch Klopfen an die Tauben des Fasses oder nötigenfalls auch an die
Kruste im Innern mittels eines langstieligen Hammers loslösen kann. Dieser so erhaltene rohe W. (tartarus crudus) besitzt,
je nach der Farbe des
Weines, aus dem er sich abgesetzt hat, entweder eine bräunlichrote bis rötlichweiße oder eine gelbliche
bis graue Farbe und heißt im ersteren Falle roter W. (tartarus ruber), im andern weißer W. (Tartarus albus); es sind harte,
kristallinische, tafelförmige Stücke, vermengt mit kleineren Brocken und Klarem. - Man bezieht den W. hauptsächlich aus
Italien, Österreich-Ungarn, Frankreich und dem südwestlichen Deutschland.
Der Hauptsache nach besteht der W. aus saurem weinsaurem
Kali (doppelweinsaurem
Kali, Kaliumbitartärat,
Kali bitartaricum); er enthält aber fast immer schwankende Mengen von weinsaurem
Kalk (Calciumtartrat), kleine Mengen
Magnesia,
Eisenoxyd,
Zucker, Farbstoff und Zellsubstanz in Form von
Hefe; manche Sorten von W. enthalten auch Traubensäure. Der Gehalt
an weinsaurem
Kalk kann bis zu 45% steigen, schwankt aber am häufigsten zwischen 9 und 15%. Der rohe
W. kommt auch gemahlen in den Handel und wird in der Färberei, jedoch nur bei dunklen Farben, als Beize verwendet; für
hellere Farben verwendet man den gereinigten W. Mit der Reinigung der
Rohware beschäftigen sich besondere Fabriken und erzeugen
daraus halb- und ganzraffinierten W.; letzterer kommt in harten weißen Kristallkrusten unter dem Namen
Crystalli tartari in den Handel, teils gemahlen oder in Form eines sehr feinen, weißen kristallinischen Pulvers, Weinsteinrahm
oder cremor tartari genannt.
Dieser Name rührt daher, daß man früher die Schicht kleiner Kristalle, welche sich in den Kristallisierbottichen an der Oberfläche der Lauge bildet, ähnlich wie Rahm von der Milch, abschöpfte und als separate Ware verkaufte; jetzt mischt man auch das hierbei zu Boden gefallene Kristallmehl, welches dieselbe Zusammensetzung hat, darunter. Für medizinische Zwecke wird dieser cremor tartari noch weiter gereinigt, indem man ihm die letzten noch anhängenden Spuren von weinsaurem Kalk entzieht; er heißt dann tartarus depuratus.
Derselbe ist ganz weiß, geruchlos, schmeckt schwach sauer, löst sich in kaltem Wasser wenig und schwer, leichter in heißem;
in
Alkohol ist er unlöslich. Man benutzt ihn auch zur Darstellung andrer weinsaurer
Salze und Doppelsalze. Der rohe W. wird
außer in der Färberei auch noch zur Darstellung von
Weinsäure und von
Brechweinstein in großen Massen
verwendet. Die Einfuhr von Weinstein
in das Deutsche Reich belief sich im Jahre 1881 auf 2643500 kg, die Ausfuhr
auf 194100 kg. Bedeutende Mengen von W. bezieht auch Nordamerika; im Jahre 1880/81 wurden daselbst 13712528
amerikanische Pfund roher W. im Werte von 2195420 Dollar eingeführt und außerdem 203969 Pfund halbraffinierter
W. im Werte von 47801 Dollar. - Zollfrei.