Titel
Wein.
Diesen Namen gebraucht man nicht allein für die allbekannte Pflanze als Abkürzung für
Wein
stock, sondern auch für deren Früchte, die Weintrauben, und endlich für das aus diesen bereitete Getränk; der Begriff
hat sich ferner erweitert, indem auch ähnliche Getränke mit W. bezeichnet werden, wie z. B.
Obstwein, Palmenwein
etc. -
Der Wein
stock (Weinrebe, lat. Vitis vinifera, frz. cep
oder vigne, engl. vine) wurde schon in uralten Zeiten so wie heute gepflanzt und benutzt. So
lange schon ist das edle Gewächs in der Pflege des Menschen, daß man sogar über seine eigentliche Heimat nichts Sicheres
weiß. Gewöhnlich verlegt man sie an den Kaukasus, in die Wälder von Imeretien und Mingrelien, wo die
Rebe, selbst von den Dimensionen eines Baumes, in die Gipfel der höchsten Bäume emporsteigt und eßbare Früchte trägt.
Es haben sich aber in dieser Hinsicht die Ansichten sehr geändert und es scheint ziemlich sicher gestellt, daß die in den
verschiednen Ländern kultivierten Rebsorten alle nicht weit her sind, sondern von einheimischen wilden
Reben abstammen, die noch in sehr vielen Fällen in feuchten Flußthälern vorhanden sind, am Rhein, der Donau, Theiß,
an italienischen, französischen und spanischen Flüssen etc. Am Oberrhein hat Bronner in einer
besondern Schrift nicht weniger als 36 botanisch verschiedne Arten wilder
Reben nachgewiesen.
Von einer derselben stammt unzweifelhaft die beste rheinische Sorte, der Riesling. Manche Sorten lassen
sich selbst in mäßige Entfernungen nicht verpflanzen; die Gutedel- und Muskatellersorten haben sich aber bei uns zurecht
gefunden; sie stammen aus Spanien und Südfrankreich. Einiges andre scheint aus Italien eingewandert zu sein. Auch was in
Amerika durch deutsche Winzer gezogen wird, ist keine deutsche
Rebe, welche nicht gediehen ist, sondern
ist veredelt aus dortigen wilden
Reben, die als eine besondere
Spezies (Vitis Labrusca) angesehen werden. Andrerseits ist doch
die Verpflanzung portugiesischer
Reben nach den Kanarischen und Azorischen Inseln sowie nach dem Kaplande gelungen. - Der
Wein
stock wächst nur in den gemäßigten Zonen, nicht unter den Tropen, bedarf jedoch eine gewisse Wärmemenge,
namentlich zur Reifezeit, die selbst das sonst milde englische Klima nicht mehr aufbringt, daher dort der Wein
stock nur eine
Glashauspflanze ist. Der Wein
stock wird in Europa in circa 1500 Spielarten kultiviert, auf die hier nicht näher eingegangen
werden kann; nach der Farbe der Beeren unterscheidet man blaue, rote und weiße, richtiger grüne Sorten. Fast überall wird
der Weinstock in Weinbergen und Gärten durch Schnitt niedrig gehalten, teils der
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Bequemlichkeit halber, teils weil nahe am Boden mehr Wärme herrscht; auch in Italien und Dalmatien, wo man herkömmlich den W. auf Bäume gehen läßt, findet man es jetzt vorteilhafter, von der alten Kulturweise ab und zur gewöhnlichen überzugehen. Die Weintrauben (Trauben, lat. uvae, passulae, frz. grappes, engl. grapes) bilden sowohl im frischen, als auch im getrockneten Zustande einen bedeutenden Handelsartikel und heißen in letzterem Falle Rosinen (s. d.). Ungarn, Tirol und Italien versenden große Mengen frischer Weintrauben, sowohl Tafeltrauben, als auch gedrückt zur Weinbereitung.
Vgl. ferner Obst, Südfrüchte und Trauben. - Der W. als Getränk (lat. vinum, frz. vin, ital. vino, engl. wine) ist der gegorene Saft der Trauben, der durch Pressen (Keltern) oder auf andre Weise gewonnen wird.
Die Beeren enthalten, je nach Lage und Witterung, sehr verschiedne Mengen von Traubenzucker, umsomehr, je wärmer das betreffende Klima ist, ferner Weinstein und kleine Mengen freier Weinsäure, Äpfelsäure, Pflanzeneiweiß, Gerbstoff und andre, mehr indifferente Stoffe. Der gekelterte Saft, Most genannt, tritt bald von selbst in stürmische Gärung, die in großen Bottichen vor sich geht. Um Rotwein aus blauen und roten Trauben zu erhalten, läßt man den Most, welcher wie der aus weißen Beeren farblos ist, mit den Hülsen zusammengären. In diesen steckt der im Most unlösliche Farbstoff; in dem Maße, wie sich durch die Gärung Weingeist erzeugt, löst dieser in Gemeinschaft mit den Säuren denselben auf. Nur eine Traubensorte, Tinto oder Pontak genannt, hat einen intensiv rotgefärbten Saft und wird daher in Italien und Frankreich als Zusatz zu andern Trauben benutzt, um einen dunkler gefärbten W. zu erhalten. Wenn die erste, die sog. Kufengärung, sich gelegt und keine starke Gasentwicklung mehr statt hat, wird der W., der sich nun zu klären beginnt, von der Hefe, resp. Hülsen getrennt und in Fässer gebracht, in welchen noch längere Zeit eine Nachgärung fortgeht. Nach einigen Monaten wird der vergorene W. vom Bodensatz, welcher aus Hefe und Weinstein (s. d.) besteht, abgezogen und auf geschwefelte Fässer gebracht. Das Ausschwefeln hat den Zweck, der Essigbildung vorzubeugen. Auf den Lagerfässern tritt meistens im Frühjahr und Sommer noch eine geringe Nachgärung und Trübung ein. Dies ist im allgemeinen der Gang der Weinbereitung, im Speziellen ist darüber noch folgendes zu bemerken. Die Traubenlese, das Herbsten, muß bei trocknem Wetter und möglichst reifem Zustande der Trauben stattfinden, denn dieselben enthalten umsoweniger Säure und umsomehr Zucker, je reifer sie sind. Bei den sogenannten weißen Trauben erkennt man den genügenden Reifezustand daran, daß die Beeren an der Sonnenseite nicht mehr grün, sondern bräunlichgelb und durchscheinend sind; die roten und blauen Trauben müssen sehr dunkel erscheinen und schon anfangen welk zu werden; die Traubenstiele müssen sich am Gelenk leicht abbrechen und die Kerne leicht vom Fleische lösen lassen. Zur Herstellung der feineren Weinsorten werden die Trauben zunächst sorgfältig ausgesucht und einzelne unreife und faulige Beeren ausgeschnitten. Die Beeren werden entweder von dem Kämmen abgesondert und allein gekeltert (Beerenwein) oder sie werden mit den Kämmen gekeltert; das letztere findet nur bei geringwertigeren Weinsorten statt. Das Abbeeren (Abkämmen, Rappen, Rebeln) geschieht entweder mit den Händen oder mit einer hinreichend weiten mehrzinkigen Gabel; in neurer Zeit wendet man hierzu meist die Traubenraspel an, die zugleich das Zerquetschen der Beeren besorgt. Bei der Handarbeit benutzt man zum Zerstampfen der Beeren eine Bütte mit hölzerner Keule, während in Südeuropa vielfach noch das verwerfliche Austreten mit bloßen Füßen gebräuchlich ist. Schon beim Abbeeren und Aufeinanderhäufen der Beeren in den Bütten läuft ein Teil des Saftes freiwillig ab; es ist dies der beste Most (Vorlauf, Läutermost); der übrige Teil wird durch Pressen (Preßmost) gewonnen, zuweilen auch mittels der Zentrifuge. Die Pressen sind in den einzelnen Weingegenden verschieden, es sind teils noch die alten Baumpressen und Schlittenpressen, teils verbesserte Spindel- und Kniehebelpressen, zuweilen auch hydraulische Pressen. Die durch das letzte, starke Pressen gewonnenen Partien des Saftes sind reicher an Säure und Gerbstoff und werden daher in der Regel für sich vergoren; dieser, eine geringere Qualität W. liefernde Saft, wird Nachlauf, Trestermost oder Druckmost genannt; durch Nachspülen der Preßrückstände mit Wasser und abermaliges Pressen erhält man einen schwachen Most, nur zu Nachwein, geeignet, Lauer genannt. Bei der Bereitung von Rotwein erfolgt das Pressen erst, nachdem bereits die Gärung bis zu einem gewissen Grade vorgeschritten ist, weil die Beerenhülsen mit gären müssen, um den Farbstoff zu liefern. Daher läßt man den Rotwein auch in Bottichen gären, während die Gärung des Weißweins in Fässern stattfindet. Der Most enthält natürlich alle in Wasser löslichen Bestandteile der Weinbeeren, ist aber stets auch durch darin unlösliche, suspendierte Stoffe getrübt. Die Gärung des Mostes tritt bei geeigneter Temperatur sehr bald ein, ohne daß man nötig hat, einen Gärungserreger zuzusetzen, denn die zur Erzeugung des Gärungspilzes (der Hefe) nötigen Sporen finden sich in genügender Menge auf den Schalen der Beeren, auf welchen sie sich im Laufe des Sommers angesammelt haben, und gelangen so beim Pressen der Beeren mit in den Most. Die Gärung gibt sich durch Aufschäumen und hörbares Brausen zu erkennen, welches von dem Entweichen der Kohlensäure herrührt, die aus dem Zucker des Mostes stammt. Durch die Gärung wird nämlich, infolge der Vegetation des Hefepilzes, der Zucker des Mostes in Kohlensäure und Alkohol (Spiritus, Weingeist) gespalten; letzterer ist die Ursache der berauschenden Wirkung des W. - Ein kleiner Teil des Zuckers, circa 4-5% desselben, wird aber bei der Gärung auch noch in andrer Weise zersetzt, indem sich Bernsteinsäure, Glycerin und kleine Mengen von Cellulose (in Form neuer Hefezellen) bilden. Die Hefe setzt sich am Boden als braune schlammige Masse ab; die Weingärung ist daher eine ¶
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Untergärung. Diese Gärung kann schon bei 5° C. beginnen, verläuft aber bei dieser niedrigen Temperatur zu langsam und wird daher gewöhnlich zwischen 12 und 25° C. geführt. Die Hauptgärung ist nach 12-14 Tagen beendet und die Flüssigkeit fängt dann an, sich zu klären. Aber schon nach 7-10 Tagen ist ein großer Teil des Zuckers zersetzt und schon so viel Alkohol vorhanden, daß die Flüssigkeit berauschend wirkt. Dieser noch trübe W. wird in Weinländern gern getrunken und heißt Sauser, Suser oder Brausemost.
Der Zuckergehalt des frischen Mostes ist selbstverständlich je nach der Traubensorte, der Gegend und der herrschenden Witterung sehr verschieden und ebenso auch der Gehalt an freien Säuren; so kann z. B. bei ein und derselben Traubensorte und an demselben Standorte das Verhältnis zwischen Säure und Zucker in einem guten Jahrgange 1:24, in einem schlechten 1:12 sein. Im letzteren Falle nimmt man sehr häufig zum Gallisieren seine Zuflucht (s. unten).
Nach vollendeter Hauptgärung findet eine langsame Nachgärung in großen, fest verspundeten Lagerfässern statt, die in einem möglichst kühlen Keller lagern. In einigen Gegenden Frankreichs und in Lothringen befolgt man eine eigentümliche Behandlung des Mostes vor der Gärung; der Most wird nämlich in einem offenen Bottiche mit hölzernen oder eisernen Schaufeln 48 Stunden lang tüchtig durchgearbeitet, sodaß die Luft damit in möglichste Berührung kommt.
Dieses Lüften des Mostes wird neuerdings mit einfachen mechanischen Apparaten bewerkstelligt. Mit diesem Verfahren erzielt man, daß die Gärung weit schneller verläuft, daß der W. sich früher klärt und sich nicht so leicht trübt, da er keiner Nachgärung mehr unterworfen ist. Man nennt solchen W. Schaufelwein (vin de pelle). Seine höchste Vollkommenheit erlangt der fertige W. erst in den Flaschen; man zieht ihn daher, sobald er flaschenreif ist, d. h. sich nicht mehr trübt und keinen Bodensatz absondert, auf Flaschen. Nur bei Rotweinen entsteht nach Jahren noch ein nicht zu vermeidender Bodensatz, Weißweine müssen dagegen klar bleiben. -
Beim Abziehen des W. auf Flaschen hat man folgendes zu beachten: War der W. transportiert worden, so muß man ihn zwei bis drei Wochen ruhen lassen, und ihn erst dann, ohne das Faß wieder zu bewegen, abziehen. Die Flaschen müssen sehr gut gereinigt (das Reinigen mit Schroten ist zu verwerfen) und wieder ganz ausgetrocknet sein. Die Flaschen müssen genügend, aber auch nicht zu weit gefüllt sein; ein weinleerer Raum von 2 cm zwischen Kork und Weinoberfläche genügt. Man hat stets neue und möglichst gute Korke zu benutzen; sie werden vorher mit heißem Wasser abgebrüht und dann mit W. befeuchtet. Die Korke werden am besten glatt über dem Flaschenrand abgeschnitten und mit Siegellack überzogen oder mit einer Zinnkapsel bedeckt. Das Lagern der gefüllten Flaschen in einem kühlen Keller geschieht so, daß dieselben horizontal liegen und der Kork vom W. bedeckt ist;
nur für griechische und ähnliche W. empfiehlt man, die Flaschen aufrecht zu stellen und zwar in einem nicht zu kühlen Lokale, das sogar im Winter zu heizen ist. - Die Bestandteile des fertigen W. sind bei allen Sorten im wesentlichen dieselben, jedoch in sehr verschiednen Mengenverhältnissen;
nächst dem Wasser ist der Alkohol der Hauptbestandteil;
dessen Menge schwankt gewöhnlich zwischen 5½ und 14½%;
einige sehr schwere W., wie z. B. Madeira, Portwein u. dgl. haben jedoch einen höheren, 15 bis 18% betragenden Alkoholgehalt.
Ferner sind vorhanden verschiedne nicht flüchtige organische Substanzen, wie Pektinkörper, Eiweißkörper, Farbstoffe, etwas Glycerin und Zucker (Glukose); die Menge des letzteren ist sehr schwankend, bei manchem W. nur sehr gering, bei andern, namentlich südlichen, oft ziemlich groß; solche süße W., die dabei etwas dickflüssig, man sagt „fett“ sind, heißen auch Likörweine. Ferner findet sich in allen W. eine gewisse Menge anorganischer Körper, deren Summe man als Asche erhält, wenn man den W. zur Trockne verdampft und den Rückstand verbrennt.
Diese Asche besteht hauptsächlich aus kohlensaurem Kali (entstanden durch Zersetzung der organisch-sauren Kalisalze) und phosphorsaurem Kalk, nebst kleinen Mengen von Magnesia, Natron, Eisenoxyd, Schwefelsäure, Chlor und Kieselsäure, zuweilen auch Spuren von Thonerde. Die Größe des Aschengehaltes schwankt gewöhnlich zwischen 0,11 und 0,25%. Die organischen Säuren im W. sind zweierlei Art, flüchtige und nicht flüchtige; sie sind zum Teil gebunden (und zwar meist als saure Salze), teils in freiem Zustande vorhanden.
Die nicht flüchtigen organischen Säuren sind: Weinsäure (zuweilen auch Traubensäure), Äpfelsäure, Bernsteinsäure, Gerbsäure und möglicherweise auch Spuren von Milchsäure und Pektinsäure. Die flüchtigen Säuren sind Essigsäure, gewöhnlich nur 0,025-0,175% und 1/12-1/16 von dieser Menge Propionsäure und Valeriansäure. Diese flüchtigen Säuren, sowie auch die Bernsteinsäure sind erst durch die Gärung entstanden; die Menge der Bernsteinsäure beträgt nur 0,087-0,15%. Die Gesamtmenge aller freien und halb gebundenen Säuren im W. schwankt zwischen 0,4 und 0,7%. Die Menge des Glycerins schwankt zwischen 0,87 und 1,67%. Die Gesamtmenge aller nicht flüchtigen Bestandteile der W., welche man durch Austrocknen erhält, wird als Extraktgehalt (Weinextrakt) bezeichnet; derselbe beläuft sich bei den gewöhnlichen W. auf 1,5-5%, steigt aber bei süßen W. bis zu 24%. - Die riechenden Bestandteile des W., Blume oder Bouquet genannt, sind, da sie in außerordentlich geringer Menge vorkommen, nur sehr ungenügend bekannt; es sind jedenfalls kleine Mengen von Aldehyden und zusammengesetzten Äthern (Essigäther, Propionsäureäther, Önanthäther etc.), die sich durch Ätherifizierung der flüchtigen Säuren beim Lagern des W. bilden. Der Önanthäther entsteht zum größten Teil schon bei der Gärung und findet sich in der Hefe in größerer Menge, als im W. -
Die Beschreibung der Untersuchung von W. und der Prüfung auf die Echtheit oder etwaige Verfälschung muß hier als zu weit führend übergangen werden. Die ¶