Titel
Weimar.
[* 2]
1) Verwaltungsbezirk im Großherzogtum
Sachsen-Weimar, hat 975,67 qkm, (1895) 95026 (45938 männl., 49088 weibl.)
E., darunter 1353 Katholiken und 149 Israeliten, 14482 bewohnte
Wohnhäuser,
[* 3] 21262 Haushaltungen und Anstalten in 157 Gemeinden
und umfaßt die Amtsgerichtsbezirke
Blankenhain, Großrudestedt, Ilmenau,
Vieselbach und Weimar.
- 2) Haupt- und Residenzstadt des
Großherzogtums
Sachsen-Weimar-Eisenach, an der Ilm, den Linien
Halle-Frankfurt a. M. und Weimar
-Gera (68,3
km) der
Preuß.
Staatsbahnen,
[* 4] der
Weimar-Berka-Blankenhainer (24,8 km) und Weimar
-Rastenberger (36,7 km) Eisenbahn
(Nebenbahnen), ist Sitz der obersten
Landesbehörden, der Bezirksdirektion, eines Landgerichts (Oberlandesgericht
Jena)
[* 5] mit acht
Amtsgerichten
(Allstedt,
Apolda,
[* 6] Blankenhain,
Buttstädt, Großrudestedt,
Jena,
Vieselbach, Weimar
), eines Amtsgerichts,
Bezirkskommandos, der Gesandtschaften von
Preußen,
[* 7]
Rußland und
Sachsen,
[* 8] eines Konsuls der
Vereinigten Staaten
[* 9] von
Amerika,
[* 10] einer Reichsbanknebenstelle
und Gewerbekammer und hat (1895) 26670 E., darunter 25809
Evangelische, 722 Katholiken, 54 andere
Christen und 84 Israeliten,
in Garnison
Stab
[* 11] und 1.
Bataillon des 5.
Thüring.
Infanterieregiments Nr. 94 (Großherzog von Sachsen), Postamt erster Klasse, Telegraph, [* 12] Fernsprecheinrichtung, Monumentalbrunnen (1895) von Donndorf, Geschenk an seine Vaterstadt, Standbild Herders (1850) von Schalter auf dem Herderplatz, Doppelstandbild Goethes und Schillers von Rietschel auf dem Theaterplatz, Standbild Wielands von Gasse auf dem Wielandplatz, Reiterstandbild Karl Augusts (1875) von Donndorf auf dem Fürstenplatz, Kriegerdenkmal von Haertel auf dem Watzdorfplatz, Marmorbüste Cranachs des Ältern (1886) von Donndorf, Standbild des Komponisten Hummel (1895) in den Anlagen am Theater [* 13] und Denkmal des verstorbenen Erbgroßherzogs Karl August vor dem Museum (1896), ferner zwei evang. Kirchen, darunter die Stadtkirche mit Grabmälern fürstlicher und anderer bedeutender Personen und dem berühmten Altargemälde von Lukas Cranach (der Erlöser am Kreuz), [* 14] und eine russ. Kapelle auf dem Friedhof. Seit 1547 zur ständigen Residenz erhoben, gelangte ¶
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die Stadt erst mit dem Eintritt in die klassische Periode der deutschen Litteratur (1775) zu weltbekanntem Ruhm. Das großherzogl. Schloß, nach dem Brande von 1774 neu aufgebaut, ist reich an Sehenswürdigkeiten. An das Schloß schließt sich unmittelbar der von Karl August und Goethe (seit 1776) geschaffene Park an. Nahe beim Schloß die reichhaltige Bibliothek mit Büsten, Porträten und Kunstsammlungen, am Park das Stadtarchiv mit histor. Schätzen, das großherzogl. Hoftheater, das neue Museum mit seinen nach 1775 entstandenen bedeutenden Kunstsammlungen, die ständige Ausstellung für Kunst und Kunstgewerbe, mit dem japan. Museum Dr. Riebecks und das Lesemuseum, von Goethe gegründet.
Merkwürdig ist das Kanzler Brücksche Haus am Markt, in welchem auch Lukas Cranach, Brücks Schwiegervater, seit 1552 wohnte, daher oft fälschlich als Cranach-Haus bezeichnet. Hervorragend sind das Goethe-Haus mit dem Goethe-National-Museum (s. d.) und das Goethe-Archiv (s. d.) in einem 1896 eingeweihten neuen Gebäude. Schillers Haus, seit 1847 städtisches Eigentum, enthält Reliquien aus Schillers Leben. Reich an Erinnerungen ist der schöne Friedhof mit Grabstätten berühmter Personen; in der Fürstengruft sind Goethe und Schiller beigesetzt.
Auf dem alten Friedhof sind neben den Begräbnisstätten anderer berühmter Personen diejenigen Cranachs und Schillers (erste) bemerkenswert. An Unterrichts- und Bildungsanstalten bestehen ein Gymnasium, Realgymnasium, Schullehrerseminar, eine von der Großherzogin Sophie gegründete höhere Mädchenschule (Sophienstift), das Rosenkranzsche Mädcheninstitut, drei Bürgerschulen in Verbindung mit einer Handwerker-Fortbildungsschule, Gartenbauarbeitsschule, Handfertigkeitsschule für Knaben, Taubstummen- und Blindenanstalt, eine von Goethe und H. Meyer gegründete, ursprünglich freie Zeichenschule, eine Baugewerkschule, großherzogl. Gewerbeschule, Handelsschule, großherzogl. Kunstschule (Malerschule), großherzogl. Orchester- und Musikschule; an Wohlthätigkeitsanstalten und milden Stiftungen das Albert Voigtstift, Marie Seebachheim für ältere bedürftige Schauspieler, Luisenstift, Karlsstift, städtische Krankenhaus, [* 16] die Kleinkinderbewahranstalt, die von der Großherzogin Sophie 1886 begründete und eröffnete Krankenpflegerinnenanstalt, das Paulinenstift (1886 von der Erbgroßherzogin Pauline gegründet) zur Ausbildung von Dienstboten und das Falksche Institut für verlassene oder verwahrloste Kinder.
Die Industrie erstreckt sich auf Kunsttischlerei und -Schlosserei, Stein-, Buch- und Buntdruckerei, Fabrikation
von Tuch, Öfen,
[* 17] Strohhüten, Spielkarten, Leder, Parkettfußböden, Eisenwaren und Desinfektionsapparaten und Mühlen.
[* 18] Das
Gewerbehaus (seit 1897) dient als Musterlager thüring. Erzeugnisse. Weimar
ist Sitz der 1. Sektion der Thüringischen Baugewerks-
und der 16. Sektion der Müllerei- sowie der Weimarischen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft. Handel
und Gewerbe werden unterstützt durch Filialen der Gothaischen Privat- und der Norddeutschen Grundkreditbank und durch die
Allgemeine Deutsche Hagelversicherunggesellschaft Union. Die Stadt hat Wasserleitung,
[* 19] Kanalisation und eine Gasanstalt.
Außerhalb der Stadt, namentlich im Park, erinnern noch viele Schöpfungen an die klassische Zeit, besonders das 1724 erbaute, eine Stunde entfernte Lustschloß Belvedere mit seinem reizenden Park, das liebliche Tiefurt, ebenfalls durch Parkanlagen und Denkmäler ausgezeichnet, und Schloß Ettersburg, jenseit des bewaldeten Ettersbergs; im nahen Oßmannstedt im Garten [* 20] des Gutes liegt Wieland begraben.
Litteratur. Schöll, W.s Merkwürdigkeiten einst und jetzt (Weim. 1847);
Stahr, Weimar
und Jena (2 Bde., Oldenb.
1852);
Springer, W.s klassische Stätten (Berl. 1868);
Ruland, Die Schätze des Goethe-Nationalmuseums in Weimar (Weim. und Lpz. 1887);
Francke, Weimar und Umgebung (2. Aufl., Weim. 1891).