Wechselrecht
(Kambialrecht,
Jus cambiale), der Inbegriff der auf Wechselgeschäfte bezüglichen
gesetzlichen Vorschriften. Die meisten
Staaten haben jetzt in ihren
Wechselordnungen ausführliche Zusammenstellungen der auf
das Wechselrecht
bezüglichen Gesetzesvorschriften. Die ersten gesetzlichen Bestimmungen über das Wechselrecht trafen
die
Lombarden und
Venezianer.
Brügge und
Antwerpen
[* 2] folgten in
Aufstellung von
Wechselordnungen, dann die
Hanse- und andre Handelsstädte
Deutschlands:
[* 3]
Hamburg,
[* 4]
Lübeck,
[* 5]
Bremen,
[* 6]
Augsburg,
[* 7]
Frankfurt,
[* 8]
Leipzig,
[* 9]
Breslau,
[* 10]
Köln
[* 11] etc. Doch ging in allen wechselrec
htlichen
Verhältnissen der
Gebrauch (die
Usance) der
Gesetzgebung voraus.
Frankreich hatte schon in der Ordonnance
pour le commerce von 1673 ein ausführliches Wechselgesetz, an dessen
Stelle dann der
Code de commerce
Napoleons von 1808 trat, welcher in Art. 110-189 das Wechselrecht
behandelt. In
Deutschland
[* 12] fehlte
es lange an einer allgemeinen
Gesetzgebung, bis seit 1849 die allgemeine deutsche
Wechselordnung, 1847 in
Leipzig beraten, in
Kraft
[* 13] getreten ist. Vervollständigt wurde dieselbe durch die sogen.
Nürnberger Novellen von 1857. Beide
Gesetze sind nunmehr
zu deutschen
Reichsgesetzen erhoben, gelten aber auch in den cisleithanischen
Ländern der österreichisch-ungarischen
Monarchie.
Das norddeutsche Bundesgesetz vom über die Einführung einer
Wechselstempelsteuer ist jetzt ebenfalls
Reichsgesetz
(s.
Wechsel, S. 461). Die schwedische, finnische und serbische
Wechselordnung und die
Wechselordnungen verschiedener
Schweizer
Kantone schließen sich dem deutschen an, während verschiedene
Kantone der Westschweiz,
Belgien,
[* 14]
Holland,
Italien,
[* 15] Polen, die Türkei
[* 16] und
Ägypten,
[* 17]
Griechenland,
[* 18]
Rumänien,
[* 19]
Spanien,
[* 20]
Portugal,
Brasilien,
[* 21]
Haïti,
[* 22]
Domingo und
Mexiko
[* 23] ihre Wechselgesetze
im wesentlichen dem
Code de commerce entnommen haben. In Rußland gilt eine besondere
Wechselordnung von 1832, ergänzt durch
Verordnung von 1862. In
England und
Nordamerika
[* 24] beschränkte sich die das Wechselrecht
betreffende
Gesetzgebung auf wenige
Vorschriften und überließ das Wechselinstitut dem
Gebrauch der
Kaufleute, daher auch in jenen
Ländern das Wechselrecht
weit mehr dem
Bedürfnis gemäß sich ausgebildet hat.
Ein englisches
Gesetz von 1882
(Bill of
Exchange
Act) hat jedoch inzwischen das englische mit dem schottischen Wechselrecht
in
Einklang
gebracht und eine
Reihe von Förmlichkeiten beseitigt, welche mit
Kosten und Weiterungen verknüpft waren
und mit dem
Zweck des
Wechsels in
Widerspruch standen. Dagegen fehlt es in
Nordamerika noch immer an einer Kodifikation des Wechselrechts.
Gemeinsam ist den sämtlichen
Gesetzen über Wechselrecht
die Rechtsanschauung, daß der
Wechsel ein kaufmännisches
Papiergeld ist, dessen
Inhaber nicht zu besorgen hat, daß ihm die bei andern
Urkunden über
Forderungen anwendbaren, die Realisierung
des
Rechts erschwerenden
Einwendungen entgegengesetzt werden können; daß das auf den schnellsten
Verkehr und
Umsatz berechnete
Papier leicht auf andre
übertragen und vermöge dieser
Übertragung das
Geld, auch solange der
Wechsel noch nicht verfallen ist,
von andern erhoben werden kann, und daß der
Inhaber nicht bloß den Aussteller des
Wechsels, sondern auch
jeden, welcher in den Wechselnexus, z. B. als
Girat, eintrat, zum Wechselschuldner in der Art hat, daß er beliebig gegen
einen jeden von diesen klagen kann, wenn der
Wechsel nicht bezahlt wird (s.
Wechsel, S. 461). Die formelle
Kraft des
Wechsels bezieht sich auf den
Wechselprozeß (s. d.), welcher wegen seiner
Schnelligkeit die rasche Rechtsverfolgung
sichert.
Die Verschiedenheiten zwischen den Wechselgesetzgebungen der verschiedenen
Länder sind jedenfalls nicht so groß, daß der
wiederholt geltend gemachte
Gedanke eines internationalen Wechselrechts
, d. h. einer gemeinsamen
Wechselordnung für die europäischen
Staaten und für
Nordamerika, ein unausführbarer sein sollte.
Vgl.
Renaud, Lehrbuch des gemeinen deutschen
Wechselrechts
(3. Aufl.,
Gieß. 1868);
Wächter, Das Wechselrecht
des
Deutschen
Reichs (mit Berücksichtigung der neuen ausländischen
Gesetzgebungen, Stuttg. 1883);
Kommentare zur deutschen Wechselordnung von Borchardt (unter Berücksichtigung der Entscheidungen der deutschen und österreichischen Gerichtshöfe, 8. Aufl., Berl. 1883; kleine Ausg., 5. Aufl., das. 1886), Brentano (10. Aufl., Nürnb. 1880), Kowalzig (3. Aufl., Berl. 1882) u. a.; Kuntze und Brachmann in Endemanns »Handbuch des Handelsrechts« (Bd. 4, Leipz. 1884);
Lehmann, Lehrbuch des deutschen Wechselrechts
(Stuttg. 1886);
Gaupp, Das deutsche Wechselstempelsteuergesetz (4. Aufl., Berl. 1886);
Borchardt, Vollständige Sammlung der geltenden Wechsel- und Handelsgesetze aller Länder (das. 1871, 2 Bde.; Fortsetzung 1883);
Wächter,
Encyklopädie des Wechselrechts
(Stuttg. 1879);
v.
Canstein, Das Wechselrecht
Österreichs (Berl. 1889);
Marghieri, La cambiale (Neap. 1883);
Heinsheimer, Die englische Wechselordnung vom Jahr 1882 (Stuttg. 1882).