diejenigen Teile der Erdoberfläche, welche mit einer
Vegetation gesellig wachsender Baumgewächse
bedeckt sind. Wald ist der allgemeinere
Begriff,
Forst
[* 2] (s. d.) der engere.
LetzteresWort bezeichnet einen für einen regelmäßigen
Betrieb eingerichteten Wald. Der Wald gehört zu den ursprünglichen
Vegetationsformen, welche aller menschlichen
Kultur vorangehen
(s.
Urwald). In ihm gelangt der
Kampf der Baumindividuen um
Luft und
Licht
[* 3] sowie um den erforderlichen Wurzelraum,
d. h. um ihr Dasein, zur vollen, ungehemmten Geltung.
Ohne
Regel und in buntestem
Wechsel baut sich hier Altersklasse über Altersklasse, stellt sich Holzart neben Holzart, und
es ringen nur solche
Stämme sich durch, welche die kraftvollste
Entwickelung haben. Überall über den emporstrebenden Jungwüchsen
steht breitkronig und reich entwickelt der alte Mutterstamm, dessen
Same jene erzeugt hat. Zusammenbrechend
in morsche Trümmer oder vom
Sturm geworfen, weicht endlich der Oberbaum, und in die
Lücke wachsen die jüngern.
Überall im Naturwald stehen alle Waldformen, Holzarten, Altersstufen übereinander, während im Kulturwald
(Forst) Waldformen
und Altersklassen in der
Regel (bei der
Schlagwirtschaft) in gleichartigen
Massen (horizontal) nebeneinander
geordnet erscheinen. Der Wald erscheint auf den niedrigsten Kulturstufen überall als ein Kulturhindernis. Zerstörung
desselben, um ackerbares und Weideland zu gewinnen, ist Vorbedingung fester Niederlassungen, des
Ackerbaues, sozialer und
wirtschaftlicher Gestaltungen.
Diese durch die
Hand
[* 4] des
Menschen bewirkten Veränderungen der
Vegetation der Erdoberfläche gehen dann in der
Geschichte aller
Völker neben den sozialen und politischen sowie den allgemein wirtschaftlichen
Entwickelungen einher, wenig
beachtet von der Geschichtsforschung, dennoch von tief eingreifender Bedeutung für die
Geschicke der
Völker. Denn nur bis
zu einer gewissen
Grenze ist die Waldzerstörung vernünftig und wirtschaftlich; über diese
Grenze hinaus wird sie unvernünftig
und gemeinschädlich.
Die Bewaldung
eines
Landes hat nicht nur eine privatwirtschaftliche Bedeutung, indem wir im W.
Bau-, Nutz- und
Brennholz gewinnen
sowie nutzbare
Rinden,
Früchte,
Futter- und Streustoffe finden, sondern es ist die Kulturfähigkeit der
Länder im ganzen von
einer angemessenen Bewaldung derselben abhängig. Unverständige Entwaldung der
Berge führt Abschwemmungen
des fruchtbaren Erdreichs von den
Höhen und Gehängen durch Regengüsse, Abrutschungen, welche die Thalgelände mit
Gerölle,
Kies und
Sand überdecken, stark wechselnden Wasserabfluß von den
Höhen herbei, so daß heftige Überflutungen der
Thäler
mit gänzlicher Trockenheit wechseln, mindert den Quellenreichtum und die Bodenfrische etc.
Auch in den Flachländern spielt der Wald eine wichtige
Rolle.
Dauernde
Bedeckung des
Bodens mit wurzelstarken Baumgewächsen allein ist im stande, den
Flugsand zu festigen und das Überwehen
ackerbarer
Grundstücke mit demselben zu hindern. An den Meeresufern bindet der Wald die
Dünen und schützt die Küstenstriche
einigermaßen gegen die kulturschädlichen
Wirkungen jener heftigen Luftströmungen, welche dem
Litorale
eigen sind. In ethischer Beziehung bedingen Waldungen in hohem
Grade die landschaftliche
Schönheit einer Gegend und stehen
in einer tiefen und ernsten Beziehung zu dem geistigen und gemütlichen
Leben des
Volkes. Die
oben angeführte
Grenze, jenseit
deren die Waldzerstörung unwirtschaftlich ist, wird nicht leicht erkannt und ist unter dem Einfluß
starker privatwirtschaftlicher
Motive, welche dazu drängten, die
Fläche des ackerbaren
Bodens zu mehren, fast in allen
Ländern
höherer Kulturentwickelung überschritten worden. Zur Zeit findet sich in
Europa
[* 5] folgender Waldbestand der einzelnen
Länder.
Es
betrug:
Im ganzen ist in
Europa mehr als ein
Viertel (27-28 Proz.) der Bodenfläche mit Wald bedeckt. Die
oben angegebenen mittlern
Bewaldungsziffern
jedoch geben nur ein unvollkommenes
Bild des Waldbestandes der einzelnen
Länder, weil innerhalb derselben
sehr große Schwankungen der Bewaldung hervortreten. Nordfrankreich z. B. ist ziemlich stark
bewaldet, während größere Teile von Südfrankreich ganz waldleer sind. In
Deutschland
[* 6] schwankt das Bewaldungsverhältnis
zwischen 0 Proz.
(Bremen)
[* 7] und 45 Proz.
(Schwarzburg-Rudolstadt). Selbst in dem
¶
mehr
waldreichen europäischen Rußland treten große Schwankungen hervor. Es betragen nämlich die Waldungen in Prozenten der
Gesamtfläche:
in den Nordgouvernements (nördl. v. 60. Breitengrad)
61 Proz.
" Ostgouvernements (50-60° nördl. Br., 42-56° östl. L.)
44
" zentralen nördlichen Gouvernements (55-60° nördl. Br., 30-43° östl. L.)
50
" zentralen südlichen Gouvernements (50-55° nördl. Br., 30-43° östl. L.)
19
" Westgouvernements (50-60° nördl. Br., 20-30° östl. L.)
Auch hier sind also die zuletzt genannten Teile des weiten Reichs sehr waldarm. Eine Normal-Bewaldungsziffer für die einzelnen
Länder festzustellen, ist sehr schwierig, ja nach dem heutigen Stand unsrer Forschung unmöglich. Die
Lage eines Landes in einer wärmern oder kältern klimatischen Zone, in der Nähe großer Meere oder im Innern weiter Kontinente,
der gesamte Bodenkulturzustand desselben, das Vorhandensein oder Fehlen zahlreicher Baumpflanzungen (Fruchtbäume) außerhalb
der Waldungen, der größere oder geringere Reichtum an fossilen Brennstoffen u. a. m. sind für die Frage
der Normalbewaldung maßgebend, und es ist eine Aufgabe der Zukunft, diese gesamten Verhältnisse in einem klaren statistischen
Bild zusammenzustellen.
Jedenfalls ist es notwendig, die Bewirtschaftung derjenigen Waldungen, deren Erhaltung und pflegliche Benutzung im öffentlichen
Interesse liegt, gesetzten Beschränkungen zu unterziehen. Und um in dieser Beziehung weit genug
gehen zu können, sollte man nicht alle Waldungen gleich behandeln. Manche könnten vollständig frei gelassen werden, andre
wären einem um so strengern Schutz zu unterstellen. Und wo auch dieser nicht ausreicht oder zu lästig sein sollte und die
zu erhaltenden Waldungen nicht auf dem Weg freier Vereinbarung von Staat oder Gemeinde erworben werden
können, sollte die Möglichkeit der Enteignung vorgesehen werden. Selbst in den waldreichen Unionsstaaten von Nordamerika
[* 22] hat der Kongreß infolge der Waldverwüstung eine Enquete über die Waldverhältnisse veranlaßt, um eine Grundlage für gesetzliche
Maßregeln zu gewinnen.
Zum Zweck der Erforschung des Einflusses des Waldes auf das Klima ging man auch in Schweden
[* 30] schon 1876-77 mit der
Errichtung forstlicher meteorologischer Stationen vor und zwar zunächst nach dem Plane von Ebermayer in München
[* 31] durch
Einrichtung je einer Station unter den Bäumen des Waldes und einer benachbarten Station auf waldfreiem Lande als Parallelstation.
DiesenPlan änderte Hamberg 1878 dahin ab, daß außerdem noch Stationen in größern Waldlichtungen errichtet wurden.
Maßgebend war die Erwägung, daß weniger das Klima unter den Bäumen als dasjenige der Lichtungen, als
der Stätte der jungen Anpflanzungen oder auch des Ackerbaues, von Interesse sei, und daß zur Beurteilung einer klimatischen
Fernwirkung des Waldes ganz unbedingt die Lichtungsstationen als dritte Gattung, als Zwischenglied zwischen den beiden übrigen,
erforderlich seien. Eingerichtet wurden im südlichen und mittlern Schweden 13 Versuchsstationen, darunter drei Gruppen von
Parallelstationen. Die Ergebnisse in Bezug auf Temperatur und Luftfeuchtigkeit liegen bereits vor in den
Publikationen Hambergs: »Om skogarnes inflytande påSveriges klimat« I. u. II. 1885, III. 1889 (schwedisch und französisch).
Für die Nadelwälder Schwedens (nur um solche handelt es sich) ergibt sich nach Hamberg kaum ein Temperaturunterschied zwischen
Lichtung und Flur (dem waldfreien Gebiet), es sei denn, daß die Temperatur an klaren ruhigen Abenden in der
Lichtung tiefer herabsinkt als auf der Flur, eine Folge der durch die größere Luftruhe begünstigten Erkaltung durch Ausstrahlung.
Eine Fernwirkung des Waldes tritt demnach, was die Temperatur anbetrifft, kaum hervor. Bei bedecktem Himmel
[* 32] herrscht
in der Lichtung die gleiche Temperatur wie auf der Flur, und eine Untersuchung der Temperaturverhältnisse bei verschiedenen
Windrichtungen führte
insbesondere zu dem Ergebnis, daß der Wald die Temperatur des ihn durchwehenden Windes nicht so wesentlich
ändert, daß ein Unterschied innerhalb einer größern Lichtung wahrzunehmen wäre.
Auf der andern Seite hebt Hamberg aber hervor, daß der Wald rein mechanisch zuweilen gegen rauhe,
kalte Winde
[* 33] Schutz zu bieten vermöge. Er gelangt also zu dem Resultat, der Wald schütze in der Nähe gegen kalte und heftige
Winde, schade aber auf der andern Seite, indem er die Dauer der Einstrahlung kürze, die der Ausstrahlung
verlängere und den Rauhreif begünstige;
vorausgesetzt,
daß alles sonst unverändert bleibe, insbesondere die Höhe der Wasserläufe und die Luftfeuchtigkeit,
würden, falls die Wälder fortfielen, die Mitteltemperaturen sich im Sommer etwas heben, im Winter vielleicht erniedrigen,
im Jahresdurchschnitt aber heben;
insbesondere würden die Abende und Nächte wärmer werden;
Ein gleich negatives Resultat für die Fernwirkung des Waldes ergab sich für die Luftfeuchtigkeit, indem
die Unterschiede der absoluten wie der relativen Feuchtigkeit zwischen Lichtung und Flur unwesentlich sind und in ihren Vorzeichen
verschiedenartig ausfallen. Hamberg gelangt auch hier zu dem Resultat, daß das Schlagen der Nadelwälder Schwedens, falls die
Verteilung der Niederschläge dieselbe bleibe, kaum eine wesentliche, für die Pflanzenwelt nachteilige Änderung zur Folge
haben werde.
Diese Resultate stimmen mit denen anderweitiger
Darstellungen, insbesondere mit denen der deutschen Parallelstationen, überein, soweit als die Abweichungen der Methode und
Anordnung der Versuche sowie eine Rücksichtnahme auf den durch die Individualität der Stationen bedingten verschiedenen Charakter
sekundärer Einwirkungen solches erwarten lassen. Die Ergebnisse über die eigentliche Fernwirkung des Waldes, also seinen
Einfluß auf das Klima, liegen noch nicht vor.
(hygienischer Einfluß). Abgesehen von dem allgemeinen gesundheitlichen Nutzen, den ein längerer
Aufenthalt im und am Walde ausübt, und von den günstigen klimatischen Verhältnissen im W. und seiner nächsten Umgebung,
sind gewisse spezifische Wirkungen des Waldes auf den Gesundheitszustand ganzer Gegenden nachgewiesen worden. So wird
derselbe
in sumpfigen und morastigen Gegenden durch Anlegung gut gepflegter Waldungen wesentlich verbessert, in
Indien haben große Wälder das Ausbreitungsgebiet der Cholera oft begrenzt, Waldorte blieben häufiger von Cholera und Gelbfieber
verschont als andre, und bisweilen erschienen die Epidemien nach dem Abholzen des Waldes an Orten, wo sie bisher nicht aufgetreten
waren. Diese spezifischen hygienischen Wirkungen des Waldes sind zuerst von Ebermayer genauer untersucht
und festgestellt worden.
Die wohlthätige und stärkende Wirkung der Waldluft hat man meist ihrem balsamischen, aromatischen Duft, vorzugsweise aber
ihrem größern Sauerstoff- und geringern Kohlensäuregehalt zuzuschreiben. Die Pflanzen nehmen am Tage durch ihre BlätterKohlensäure
auf und atmen Sauerstoff aus; nachts kehrt sich dieser Prozeß um, und man sollte daher eine entsprechende
Änderung in der Zusammensetzung der Waldluft zunächst innerhalb der Baumkronen erwarten dürfen, ebenso wie die Verwesung
der organischen Substanz des Waldbodens die untern Schichten der Waldluft sauerstoffärmer machen muß.
Nun bewegt sich aber auch bei völliger Windstille die Luft mit einer Geschwindigkeit von nahezu 0,5 m in der
Sekunde, und die Temperaturunterschiede zwischen benachbarten Luftschichten im W. und zwischen Wald- und Freilandluft
bewirken so lebhafte Strömungen, daß jene Veränderungen in der Zusammensetzung der Waldluft alsbald wieder ausgeglichen
werden. Durch viele chemische Analysen konnte kein wesentlicher Unterschied zwischen Waldluft und Freilandluft nachgewiesen
werden.
Der Wald lagert pro Hektar jährlich ca. 3000 kg Kohlenstoff ab und nimmt mithin während der Vegetationszeit
(150 Tage) 11,000 kg oder 5596 cbmKohlensäure, also an jedem Tage 37,3 cbm aus der Luft auf. Dafür gibt er täglich ein nahezu
gleiches VolumenSauerstoff ab. In 1 ha Wald von 20 m Höhe sind aber 200,000 cbmLuft enthalten, auf deren
Zusammensetzung jene 37,3 cbmSauerstoff keinen großen Einfluß ausüben könnten, selbst wenn keine Ventilation stattfände.
Ein erwachsener Mensch verbraucht im Jahre so viel Sauerstoff, wie eine bewaldete Fläche von 3 Ar hervorbringt.
Jedes Tier im W. wirkt der Luftverbeßerung entgegen, und eine Herde von 100 weidenden Schafen verbraucht
durch Atmung täglich weit mehr Sauerstoff, als 1 ha Wald in gleicher Zeit liefert. Waldluft wirkt also nicht durch größern
Sauerstoffgehalt günstig, aber sie ist frei von schädlichen Gasen und Dünsten, welche in Städten bei so vielen Gelegenheiten
entwickelt werden, sie ist frei vonRauch, Ruß und Straßenstaub, sie enthält sehr viel weniger Bakterien
als Stadtluft und steht in dieser Beziehung der See- und Gebirgsluft am nächsten.
Wald (hygienischer Ein
* 35 Seite 19.981.
Die Luft im Innern der Baumkronen und unmittelbar über denselben sowie in der nächsten Umgebung des Waldes ist reicher an
Ozon als die untern Luftschichten im W., da ein Teil des Ozons durch die verwesende Pflanzendecke verzehrt
wird. Besitzt das Ozon auch nicht die große hygienische Bedeutung, die man ihm früher zuschrieb, so trägt es doch zur Reinigung
der Luft wesentlich bei. Nach Binz wirkt ozonreiche Luft schlaferzeugend, und Eyselein schreibt einer Luft von mittlerm Ozongehalt
sehr günstigen Einfluß auf chronische Nervenkranke zu. Hierin dürfte die Erklärung zu suchen sein,
daß oftmals auffallend rasche Heilresultate in Waldluft erzielt werden. Aber auch die Reinheit der Waldluft allein muß
von großer hygienischer
¶
mehr
Bedeutung sein, da ein Erwachsener in 24 Stunden etwa 9000 Lit. Luft einatmet und die Wirkung gewisser schädlicher Beimengungen
bei längerm Aufenthalt in unreiner Luft sich von Tag zu Tag summiert.
Der Beschaffenheit des Waldbodens muß in Bezug auf viele ansteckende Krankheiten eine sehr wichtige Rolle zugeschrieben werden.
Wie die höhern Gewächse nicht auf jedem Boden gedeihen, so brauchen auch die verschiedenen Spaltpilzarten
zu ihrem normalen, kräftigen Wachstum besondere Nährstoffe und physikalische Bedingungen, die nicht in allen Bodenarten in
genügender Weise geboten sind. Nun ist der Waldboden sehr reich an organischer Substanz, aber die abgefallenen Blätter und
Nadeln
[* 36] sind arm an Eiweißkörpern, Kalisalzen und Phosphaten, und daher bildet der Waldhumus für die Bakterien
im allgemeinen einen viel schlechtern Nährboden als der Humus in Acker- und Gartenland, im verunreinigten Boden der Städte
und Dörfer, der aus stickstoffreichen tierischen Stoffen entstanden ist und meist auch durch infiltrierende Jauche noch reicher
an Nahrungsstoffen wird.
Die neutrale oder schwach alkalische Reaktion dieser organischen Massen entspricht den Bedürfnissen der meisten Spaltpilze,
besonders der pathogenen Bakterien, weit mehr als die saure Beschaffenheit vieler Waldböden und der Torfböden, derer freie
Säure die Entwickelung der meisten Spaltpilze hemmt. Durch viele Untersuchungen ist dies für die pathogenen Bakterien direkt
nachgewiesen worden. AllePilze
[* 37] fordern für ihr Gedeihen ausreichende Wassermengen.
Während aber Schimmelpilze mit mäßigem Feuchtigkeitsgrad sich begnügen, sind die meisten Spaltpilze an einen Boden gebunden,
der noch bis zu einem gewissen Grade tropfbarflüssiges Wasser enthält. Cholerabacillen
[* 38] bleiben in feuchter Umgebung monatelang
lebensfähig, gehen aber durch Austrocknen in wenigen Stunden zu Grunde, während Typhusbacillen Trockenheit
sehr lange ertragen. Ein mit organischen Stoffen verunreinigter Boden, der so trocken gelegt ist, daß er nur vorübergehend
durch Regen benetzt wird, gestattet nur das Wachstum von Schimmelpilzen und unschädlichen saprophytischen Spaltpilzen, während
pathogene Bakterien verkümmern und bald zu Grunde gehen.
Ein gut gepflegter Wald entzieht nun dem Untergrund so viel Wasser, daß selbst der Stand des Grundwassers
dadurch beeinflußt werden kann. Hierbei zeigt sich zwischen Buchen- und Nadelwald ein großer Unterschied. Im Winter und Frühjahr
gibt ersterer erheblich mehr Wasser in größern Tiefen ab als letzterer, teils weil dann die Bäume entlaubt sind, teils
weil die Buche infolge ihrer Bewurzelungsweise den Boden lockerer und poröser erhält als die Fichte.
[* 39] Die entsumpfende Wirkung
der letztern und der Kiefer hat sich vielfach vorzüglich bewährt.
Dazu kommt nun noch die beträchtliche niedrigere Temperatur des beschatteten Waldbodens, zumal der obern Bodenschichten im
Sommer, welche der Entwickelung der pathogenen Bakterien ungünstig ist und das Wachstum der Schimmelpilze
wenig hemmt. Der Waldhumus zeigt sich dann auch von Schimmelfäden völlig durchzogen. Aber wenn auch im Waldboden schädliche
Pilze vorhanden wären, würde deren Übergang in die Luft sehr erschwert oder ganz verhindert sein, da der Waldboden kaum
jemals so vollständig austrocknet, daß es zur Staubbildung kommt.
Adametz fand in 1 g Erde von der Oberfläche eines Sandbodens 380,000, eines Lehmbodens 500,000 Spaltpilze, während Emmerich
[* 40] in zehn Humussorten aus Fichten- und Buchenwäldern in 1 ccm
nur 170,000-190,000 Bakterien nachweisen konnte. Diese Bakterien
waren saprophytischer Art; pathogene Bakterien aber, wie sie in jedem mit tierischen Stoffen gedüngten
oder verunreinigten Boden vorkommen, fanden sich in dem Waldboden nicht. In geschlossenen, schattigen Wäldern verwesen unter
sonst gleichen Verhältnissen die organischen Stoffe langsamer als im wärmern Ackerboden.
Die Differenzen sind um so größer, je dichter die Bäume stehen, je kälter der Boden durch Beschattung wird, je mehr
Niederschläge vom dichten Kronendach zurückgehalten werden, und je seltener und schwächer die Bodenoberfläche benetzt
wird. Ferner sind im Waldboden keine oder nur geringe Spuren von salpetersauren Salzen nachzuweisen, während gedüngte Acker-
und Gartenböden größere Mengen derselben enthalten. Selbst die Quellen und Bäche, welche in bewaldeten Gebirgen entspringen,
sind frei vonSalpetersäuresalzen, woraus folgt, daß der die Salpetersäure erzeugende Mikroorganismus
im Waldboden keine geeigneten Verhältnisse findet.
Kohlensaurer Kalk hebt die saure Beschaffenheit des Waldhumus auf, und daher zeigt sich kalkreicher, humushaltiger Waldboden
an lichten Stellen, wo die Sonne
[* 41] freien Zutritt hat, etwas reicher an Salpetersäure. Auch im Innern größerer älterer Streuhaufen
ist mehr Salpetersäure enthalten. Hier wirkt die erhöhte Wärme
[* 42] und Feuchtigkeit begünstigend, und es zeigt sich wieder,
daß die gewöhnlichen Verhältnisse in der obern Schicht des Waldbodens für die Entwickelung von Bakterien wenig geeignet
sind. Vom hygienischen Standpunkt aus könnte man den Waldboden als rein, siechfrei bezeichnen. Wo aber reiner
Boden sich findet, da ist auch reine Luft und reines Quellwasser vorhanden.
Baumpflanzungen in Städten wirken, wie oben ausgeführt, keineswegs durch die angebliche Bereicherung der Luft an Sauerstoff,
aber die Bäume entwässern den Boden bis zu einer gewissen Tiefe, erhalten ihn im Sommer kühler, nehmen die Zersetzungsprodukte
menschlicher und tierischer Auswurf- und Abfallstoffe als Nahrungsmittel
[* 43] auf, verhindern durch eine Humus-
oder Laubdecke die Staubbildung und lassen vorhandene Bodenpilze nicht in die Luft gelangen. Die in Indien gemachte Beobachtung,
daß der ein Schutzmittel gegen die Ausbreitung der Cholera bildet, ist auch in Europa bestätigt worden. 1854 waren die zahlreichen
und stark bevölkerten Ortschaften im Donaumoos von einem Gürtel
[* 44] von Ortsepidemien umgeben, ohne daß
sich die Krankheit epidemisch ins Donaumoos hinein fortsetzte, obwohl die arme Bevölkerung
[* 45] der betreffenden Ortschaften doch
gewiß sehr disponiert war.
Waldpflanzen (Baumgren
* 48 Seite 19.982.
Der Boden des Donaumooses besteht aus sauer reagierendem Humus und bildet daher wie Waldhumus kein geeignetes Nährmaterial
für gewisse Bakterien. In Nordamerika blieben 1888 die Flüchtlinge, welche vor der sehr verbreiteten Gelbfieberepidemie in
Fichtenwälder sich begeben hatten und hier in Zelten oder kleinen Bretterbuden lebten, völlig verschont. Auch bei Wechselfieber,
dessen Erreger einen warmen und nassen Boden fordert, haben sich Anpflanzungen günstig erwiesen. Gräben mit stagnierendem
Wasser und zeitweise austrocknendem Grund und Boden, austrocknende Seen und Moräste, periodische, länger
anhaltende Überschwemmungen durch schlecht regulierte Flüsse
[* 46] und Bäche, versumpfte Böden, in welchen das Grundwasser
[* 47] zu gewissen
Zeiten nahe an die Oberfläche tritt, zur Trockenheit wieder bis zu einer gewissen Tiefe sinkt, kurz alle Böden, die abwechselnd
¶
mehr
naß und trocken werden, sind für den Gesundheitszustand um so bedenklicher, je höher die Temperatur im Sommer steigt. Verbessert
werden die Gesundheitszustände durch zweckmäßige Entwässerung, durch Anbau landwirtschaftlicher Kulturgewächse, namentlich
dicht stehender Gras- und Kleearten, Mais etc. Viel wirksamer aber ist ein gut gepflegter Wald mit normalem Bestandesschluß.
Vielfach unterbrochener Kronenschluß und kümmerlich entwickelter Baumwuchs hindern die günstige hygienische
Wirkung, die nur eintritt, wenn man, wie auch bei Aufforstung auf nassem Terrain, regelmäßige Entwässerungsanlagen vornimmt.
Daß der Wald, wenigstens außerhalb des tropischen Gebietes, der Entstehung und Verbreitung des Wechselfiebers entgegenwirkt,
hat man schon lange gewußt, und im Kirchenstaat standen deshalb die Wälder unter dem Schutz sehr strenger
gesetzlicher Bestimmungen. Es lassen sich viele Fälle nachweisen, in denen durch Entwaldung eine Verschlimmerung, durch Wiederbewaldung
dagegen eine Verbesserung der öffentlichen Gesundheit hervorgerufen wurde. Einen überraschend günstigen Erfolg hat man in
der Gegend des Trappistenklosters TreFontana bei Rom
[* 49] durch ausgedehnte Anpflanzungen von Eucalyptus globulus,
E. resinifera u. a. erzielt.
Diese Pflanzungen sind jetzt 20 Jahre alt, und der Gesundheitszustand der Kolonie hat sich in einer Weise gebessert, daß von
Gefahr keine Rede mehr ist. In der bayrischen Festung
[* 50] Germersheim in der Rheinpfalz trat früher das endemische Wechselfieber in der
heißen Jahreszeit so stark auf, daß der Ort sehr gefürchtet war. Seitdem aber die Glacis, Wälle und Grabenränder
mit Gras, Ziersträuchern und Zierbäumen dicht bepflanzt sind, läßt sich eine geradezu überraschende Abnahme des Wechselfiebers
feststellen.
Während 1859 bei einer Präsenzstärke von 5895 Mann 59 Proz. erkrankten und die Morbidität an Wechselfieber 1854-63 durchschnittlich 35 Proz.
der Präsenzstärke betrug, sank sie 1877-86 auf 1 Proz. herab. Ähnliche Erfahrungen hat man in der Solagne, südlich von
Orléans,
[* 51] gemacht, die großen Sümpfe in Virginien und Carolina sind selbst für Europäer ganz ungefährlich, solange sie mit
Wald bedeckt bleiben, die Luft wird aber ungesund, wenn der Wald gefällt ist. In Holland wurden Hunderttausende
von Hektaren der Überschwemmung ausgesetzten Grundes urbar und bewohnbar gemacht durch Weidenpflanzungen. Durch dasselbe Mittel
wurde die Bevölkerung in der sumpfigen Niederung des Flüßchens Now bei Aachen
[* 52] vom Wechselfieber befreit.
775 m. Gruppe von 8 Häusern, an der Gemeindegrenze gegen Mosnang und 6 km sw. der Station
Bazenheid der Toggenburgerbahn. 31 kathol. Ew. Kirchgemeinde Kirchberg.
(Kt. Zürich,
Bez. Hinwil).
624 m. Grosse Gemeinde und stattliches Pfarrdorf im Zürcher Oberland; in einem Thalkessel zwischen Bachtel
(1119 m), Scheidegg, Schwarzenberg und Batzenberg (781 m), an der Jona und an der Tössthalbahn (Winterthur-Wald)
mit Fortsetzung bis Rüti. Postbureau, Telegraph, Telephon; Postwagen nach Goldingen und Uznach. Die politische Gemeinde umfasst 6 Schulgemeinden
mit ungemein zahlreichen, zerstreut gelegenen Weilern, Häusergruppen und Höfen:
Dorf: 261 Häuser, 2208 Ew. Reform.
und kathol. Pfarrei.
Viehzucht und Milchwirtschaft sind bedeutend, am wichtigsten aber ist die Industrie.
Von 29 hier bestehenden Fabriken sind 2 Baumwollspinnereien, 10 Webereien (besonders Feinweberei), 7 Stickereien, 2 Bierbrauereien, 4 Schreinereien
etc. Ein Krankenasyl mit 54 Betten. Am Faltigberg liegt das zürcherische Lungensanatorium (907 m) für Erwachsene (mit 105 Betten)
und Kinderhaus (mit 35-40 Betten). Obwohl Tschudi eine Burg in Wald annimmt, ist weder von einer solchen
noch von einem edlen Geschlecht etwas bekannt. Wald gehörte vom 15. Jahrhundert bis 1798 zur Landvogtei Grüningen. Das Kloster
Schännis hatte bis 1651 Leibeigene in Wald. Die Kollatur für die Pfarrei und das Diakonat Wald gehörte dem
Johanniter-RitterhausBubikon. Der Orden verkaufte seine Rechte 1789 an einen Privaten und dieser an den Rat von Zürich.
Im Kriegsjahr 1799 wurde
Wald von den Oesterreichern besetzt und entwaffnet. Vergl. Strickler, G. Das ZürcherOberland. Zürich
1902.