Walachei
,
das südlichere der zum Staat Rumänien [* 2] vereinigten Donaufürstentümer, wird begrenzt im O. und S. durch die Donau gegen die Dobrudscha und Bulgarien, im NW. durch die Karpathen gegen Siebenbürgen, im N. teils durch die Karpathen, teils durch den Fluß Milkow gegen die Moldau und umfaßt 76,080 qkm (1381 QM.). Das Land bildet eine äußerst fruchtbare Ebene, welche sich von den Transsylvanischen Alpen allmählich zur Donau senkt, und wird von zahlreichen Flüssen und Bergströmen bewässert, welche sich in die Donau ergießen.
Die bedeutendern
Flüsse
[* 3] sind: der Shiul (bei
Krajowa), die
Aluta, der
Ardschisch mit
Dimbowitza, die
Jalomitza mit der
Prahowa.
Das
Klima
[* 4] ist großem
Wechsel ausgesetzt. Die Zahl der Einwohner beträgt 3,269,000, darunter
ca. 250,000
Juden. Die Walachei
ist reich
an
Steinsalz- und
Kohlenlagern sowie an Petroleumquellen; ferner kommen allerlei
Mineralien
[* 5] und
Metalle vor, welche jedoch nicht
ausgebeutet werden. Die bedeutendsten
Mineralquellen sind: Kalimanesti und Olanesti
(Kreis
[* 6]
Waltscha) und die besuchten
Kurorte
Putschoasa und
Balta Alba.
Ackerbau und Viehzucht [* 7] bilden die Hauptnahrungsquelle des Landes;
die Ausfuhr von
Getreide
[* 8] und Rohprodukten
ist bedeutend, dagegen werden fast sämtliche Industrieerzeugnisse eingeführt. Die zahlreichen
Forsten liefern
Brenn- und
Nutzholz; stark betrieben wird der Weinbau (besonders geschätzt die
Weine von Odobesti und Dragaschani). Dem
Verkehr dient
außer der
Donau die
Eisenbahn von Verciorova über
Pitesti nach
Bukarest,
[* 9] von letzterer gehen bei
Bukarest
Linien nach
Giurgewo
(Rustschuk) und
Kalarasch und von Chitila
(Bukarest) nach
Braila, bei
Plojesti eine andre nach
Kronstadt
[* 10] ab. Die Walachei
wird durch
die
Aluta in die
Große (östliche) und
Kleine Walachei
geteilt und zerfällt in 17
Kreise:
[* 11]
Ardschisch,
Braila,
Buzau,
Dimbowitza,
Dolschi,
Gorschi,
Jalomitza,
Mehedintzi,
Mutschel,
Ilfov,
Olt,
Prahowa,
Romanatzi,
Rimnik,
Waltscha,
Teleorman und
Wlaska.
Hauptstadt ist
Bukarest. Weiteres s.
Rumänien mit
Karte.
[Geschichte.]
Die älteste Geschichte der Walachei
als Teil
Daciens, s.
Rumänien. Nachdem die
Rumänen der untern
Donau den
Strom der
Völkerwanderung und den
Einfall der
Slawen,
Mongolen,
Ungarn
[* 12] und
Tataren ausgehalten, bildeten sie in dem Gebiet der Walachei
im
Anfang des 13. Jahrh. drei Fürstentümer: des Basarab westlich, des Seneslaus östlich vom
Alutafluß, des Linoiu zwischen beiden im Hochthal des Lotru. Kaum wurden aber diese zerbröckelten Teile von Litean (1272)
unter einem
Zepter vereinigt, so griffen die nach der Oberherrschaft über das neubegründete
Fürstentum lüsternen
Ungarn
dasselbe an. Der
Kampf wurde siegreich geführt von Litean selbst und seinen Nachfolgern Tugomir Basarab
(1290),
Alexander Basarab (1320) und
Ladislaus Basarab (1360), welche
drei Könige der
Ungarn
(Ladislaus IV.,
Karl
Robert,
Ludwig)
aufs
Haupt schlugen und das Severiner
Banat bleibend für die Walachei
eroberten.
Diese
Siege begründeten in der Walachei
die Dynastie der Basarab, die mit kurzen
Unterbrechungen bis zu ihrem
Erlöschen (1658) währte. Die erste Berührung mit den gegen
Europa
[* 13] anstürmenden
Türken hatte die Walachei
schon 1367; die zweite
(1385), als
Dan und Mircea,
Söhne des frommen Kirchenstifters Radu Negru (1372), nach dem
Tod ihres
Vaters miteinander um die
Fürstenkrone rangen. Mircea behielt die Oberhand und regierte von 1386 bis 1418. Er ist der eigentliche
Organisator des
Fürstentums und gab der Walachei
ihre größte
Ausdehnung,
[* 14] denn sie umfaßte, außer ihrem eignen Gebiet, in
Siebenbürgen
die Herzogtümer Amlasch und Fogarasch, südlich der
Donau einen Teil von
Bulgarien mit
Silistria und der
Dobrudscha,
östlich die Donaumündungen mit
Kilia bis zum
Schwarzen
Meer.
Nach der Schlacht bei Kossowo (1389) nahm Mircea dem siegreich vordringenden Sultan Murad die Gebiete jenseit der Donau ab, siegte 1394 bei Rovine im Alutathal über Bajesids Heer und erstürmte mit Siegmund von Ungarn 1395 die an der Donau gelegene Festung [* 15] Nikopolis. Als Siegmund, in dessen Heer Friedrich von Hohenzollern [* 16] sich befand, gegen Mirceas Rat bei Großnikopoli (1396) sich in eine Schlacht gegen die Übermacht Bajesids einließ und eine schwere Niederlage erlitt, grollte der König von Ungarn dem Fürsten.
Dieser hatte sich jedoch gegen ihn schon 1390 durch den Allianzvertrag von
Lublin mit
Polen gesichert.
Nun
schloß er auch 1411 einen
Vertrag mit den
Türken ab, in welchem die Unabhängigkeit der Walachei
unter einheimischen
Fürsten
gesichert, die Niederlassung von
Türken in der Walachei
verboten und den
Türken für gewährte
Ruhe und Sicherheit ein jährlicher
Tribut entrichtet ward. Nach Mirceas
Tode dauerte 40 Jahre die
Fehde seiner
Söhne und Enkel, welche oft
Türkenhilfe gegeneinander anriefen. Unter Wlad Tzepesch (1455) und dessen Nachfolger Radu dem
Schönen (1462) drangen die
Türken wiederholt in die ein, um sich den Weg nach
Ungarn und Westeuropa zu ebnen. Bedrängt durch
Türken,
¶
mehr
Ungarn und Moldauer, wurde Tzepesch gezwungen, ebenso wie früher die Gebiete der südlichen und der untern Donau von der Walachei
aufgegeben
worden waren, nun auch den Distrikt Putna am Milkow der Moldau abzutreten. Tzepesch erneuerte 1460 unter erschwerten Bedingungen
den Vertrag von 1411 mit den Türken. Unter Radu Calugeru (1496) fällt der erste Versuch des Patriarchats
zu Konstantinopel
[* 18] (Patriarch Nifon), die Kirche der Walachei
sich unterthänig zu machen. Diese Bemühungen wurden fortgesetzt unter
dem frommen Neagoe (1512), der die schöne (vom König Karl 1886 restaurierte) Kirche von Curtea de Argesch erbaute. Nach dem
Tod seines Nachfolgers Radu von Afumatzi, der während seiner kurzen Regierung (1521-29) in 20 großen
und kleinen Schlachten
[* 19] über Türken und Ungarn siegte, brach die Widerstandskraft der Walachei
zusammen. In den folgenden 64 Jahren
(1529-93) mischten sich die Türken zum erstenmal direkt in die innern Angelegenheiten der Walachei
und setzten die Fürsten nach
Gutdünken ab und ein.
Von 1593 bis 1714 sind fünf Fürsten: Michael der Tapfere (1593-1601), Matthias Basarab (1633 bis 1654), der letzte Basarab,
Konstantin Scherban (1654-58), Scherban Kantakuzenos (1679-88) und Konstantin Brankowan (1688-1714) bemerkenswert. Michaels Anstrengungen,
die Unabhängigkeit seines Vaterlandes nach allen Seiten zu wahren, machen ihn zum gefeiertsten Nationalhelden. Vom November 1594 bis
Februar 1595 säuberte er die Walachei
von Türken und Tataren, brachte bei Calugareni dem weit überlegenen
Heer Mohammeds III. eine schwere Niederlage bei und drang jenseit der Donau weit ins türkische Gebiet ein.
Siegmund und Andreas Báthori von Siebenbürgen, Jeremias Movila von der Moldau und der kaiserliche Feldherr
Basta waren ihm, ob seiner Heldenthaten und der mit Kaiser Rudolf II. angeknüpften Beziehungen (Vertrag vom Besuch
in Prag
[* 20] vom sehr feindlich gesinnt. Michael siegte über Andreas Báthori auf dem Schellenberg bei Hermannstadt
[* 21] und Anfang 1600 über Jeremias von der Moldau in drei Schlachten, ließ sich zu Karlsburg als Fürst
der Walachei
, der Moldau und Siebenbürgens ausrufen, verlor 16. Sept. d. J. gegen Basta die Schlacht bei Mirislau und errang mit Basta
über Siegmund Báthori den Sieg von Goroslau, ward aber 19. Aug. auf Bastas Befehl im Lager
[* 22] von Thorda
meuchlings ermordet.
Der letzte bedeutende Fürst der Walachei
war Matthias Basarab. Tapfer verteidigte er das Land gegen innere Prätendenten, gegen
Basilius Lupu der Moldau und gegen Türken. Er besserte die Verwaltung, verfaßte ein bürgerliches und ein peinliches Gesetzbuch,
gründete Schulen, Kirchen und Klöster, druckte rumänische Kirchenbücher, nahm den Athosklöstern viele
den inländischen Klöstern entrissene Ländereien ab, unterhielt die Armee auf dem Kriegsfuß und schloß mit dem deutschen
Kaiser, dem König von Polen und dem Fürsten von Siebenbürgen geheime Verabredungen zur Bekämpfung der Türken ab. Scherban
Kantakuzenos war im Türkenlager bei der Belagerung von Wien
[* 23] durch Kara Mustafa. Er ließ 1688 die von zwei
Laien, den Brüdern Greceanu, ins Rumänische übersetzte Bibel
[* 24] drucken. Konstantin Brankowan büßte samt seinen vier Söhnen und
seinem treuen Ratgeber Vacarescu mit dem Leben seine Beziehungen zum Wiener Hof
[* 25] und zum Zaren Peter d. Gr.
Mit seinem Nachfolger Stephan Kantakuzenos (1714-16) verlor die Walachei
den letzten Schimmer der Unabhängigkeit,
denn die Pforte ernannte von nun an zum Fürsten der Walachei den Meistbietenden aus
den griechischen, nach dem »Fener"-Quartier zu
Stambul benannten Fanariotenfamilien. Die Periode von 1716 bis 1856 war für die Walachei wie für das Schwesterfürstentum der Moldau
eine verhängnisvolle Zeit. Die Herrschaft der Fanarioten zeichnete sich durch Ränke, Habsucht und Vaterlandslosigkeit
aus und war von materiell und sittlich verheerender Einwirkung.
Sie merzte in 100 Jahren beinahe den ganzen inländischen Adel aus und ersetzte ihn durch bestechliche Emporkömmlinge aus Griechen, Armeniern und sonstigen Intriganten aus Stambul. In diese Zeit fallen 6 russisch-türkische Kriege und 6 russische Besitzergreifungen der Moldau und Walachei (1768-74 u. 1781-92 unter Katharina II.; 1805-12 unter Alexander I.; 1824-34, 1848-50, 1853-54 unter Nikolaus I.). Diese Besitzergreifungen sollten die russische Einverleibung der Fürstentümer vorbereiten. Im J. 1834 zweifelte der russische Gouverneur, General Kisselew, nicht, daß Rußlands Grenzen [* 26] in kürzester Zeit bis an die Donau reichen würden.
Der Fanarioten Ende bewirkten ihre Treulosigkeit gegen die Pforte und das Übermaß der Unterdrückung in den beiden Fürstentümern. Die griechische Hetärie von 1821 und der Aufstand des beherzten Tudor Vladimirescu gaben hierzu den Anlaß. Tudors Erhebung in der Kleinen Walachei galt Türken und Griechen und war von nationalen Motiven geleitet. Deswegen zog ihn auch Ypsilanti in seine Garne und ließ den mutigen, aber harmlosen Mann und seine Schar in Tergoviste meuchlings niedermetzeln.
Die Pforte beschloß nun, bloß Inländer mit der Hospodarenwürde zu beschenken. Der erste einheimische Fürst der Walachei war Gregor Ghika. Im J. 1822 von der Pforte ernannt, mußte er der russischen Invasion von 1828 weichen. Der Vertrag von Kainardschi (1774) hatte den Grund zum russischen Protektorat in den Donaufürstentümern gelegt. Jeder spätere russisch-türkische Vertrag (1779 zu Konstantinopel, 1792 zu Jassy, 1812 zu Bukarest, 1826 zu Akjerman, 1829 zu Adrianopel, 1834 zu Petersburg) [* 27] dehnte die Machtbefugnisse Rußlands immer mehr aus, während er die Rechte der Pforte einschränkte und diejenigen der Fürstentümer vernichtete. Im J. 1832 wurde das »Règlement Organique« als ein Verwaltungskodex durch den Machtspruch Rußlands oktroyiert, das nun auch die Hospodaren ernannte: Alexander Ghika (1834-1842) und Georg Bibesco (1842-48). Diese waren nichts andres als russische Statthalter, die selbst für innere Verwaltungsangelegenheiten ihre Befehle von St. Petersburg erhielten.
Trotzdem entwickelte sich unter dem ruhigern Gang [* 28] der allgemeinen europäischen Verhältnisse der nationale Geist. Es entstand unter dem Einfluß der wiedererstandenen rumänischen Schulen eine litterarische und politische Bewegung, welche einerseits die Pflege der nationalen Sprache, [* 29] Geschichte und Litteratur zum Ziel hatte, anderseits einen glühenden Haß gegen die Fremdherrschaft entwickelte. Die jüngere, in Westeuropa erzogene, aus dem Volk emporgewachsene Generation trat immer schärfer gegen die gräzisierten und russifizierten Bojaren auf: die Russen ließen aber kurz vor dem Jahr 1848 die Nationalschulen zu Jassy und Bukarest schließen. Als die französische Februarrevolution des Jahrs 1848 ganz Europa in Gärung versetzte, ging auch den Rumänen am Dimbowitzastrand die Geduld aus. Am 23. Juni zeichnete Fürst Bibesco unter dem Druck einer mächtigen Volksbewegung die neue Verfassung, dankte aber am 25. ab und verließ Bukarest, wo eine provisorische Regierung eingesetzt ¶
mehr
wurde. Diese publizierte die neue Verfassung, welche das Programm der neuen Ära enthielt: konstitutionelle Regierung, Ministerverantwortlichkeit, Preßfreiheit, Rechts- und Steuergleichheit, allgemeiner unentgeltlicher Schulunterricht, Aufhebung der Adelstitel, der Todes- und der Prügelstrafe, der Robotpflichtigkeit der Bauern und der Sklaverei der Zigeuner, Ankauf von Grund und Boden durch die Bauern. Politisch gipfelte die Bewegung in der Verbrennung des verhaßten »Reglement Organique« vor dem russischen Konsulatsgebäude zu Bukarest. Am wurde durch Russen und Türken die alte Ordnung der Dinge hergestellt.
Der Vertrag von Balta Liman vom verschlimmerte die Lage der Fürsten der Moldau und Walachei, denn sie wurden darin als »hohe Beamte« betrachtet, welche unter der Aufsicht und dem Befehl eines russischen und eines türkischen Kommissars standen. Der unter diesem Regime ernannte Fürst der Walachei war Barbu Stirbey. Kaum waren Russen und Türken 1850 aus den Fürstentümern gezogen, als 1853 schon die Russen wieder einrückten, um dieselben als Faustpfand für in Konstantinopel verlangte Genugthuung zu besetzen. Da brach der Krimkrieg los, der zum Pariser Vertrag vom führte, dessen Folgen die gänzliche Aufhebung des russischen Protektorats (1856) und die Vereinigung der Fürstentümer Moldau und Walachei zum Staat Rumänien (1861) waren. Weiteres s. Rumänien (Geschichte).