Wage
,
[* 2]
Instrument zur Bestimmung des
Gewichts eines
Körpers. Man unterscheidet
Hebel- und Federwagen.
Erstere bestehen
hauptsächlich aus
Hebeln, und zwar wird der gleicharmige
Hebel
[* 3] bei der gemeinen Wage
, der ungleicharmige bei der Schnellwage
,
der Winkelhebel bei der Zeigerwage
angewendet; bei den Federwagen hingegen bestimmt man das
Gewicht des betreffenden
Körpers aus der
Größe der Formveränderung, welche
er an einer elastischen
Stahlfeder hervorbringt.
Bei der gemeinen Wage
dreht sich der Wage
balken um eine in der Mitte seiner
Länge liegende
Schneide; seine beiden
Arme müssen
genau gleich lang sein, weil die Wage
nur in diesem
Fall richtige Angaben liefert. Der Wage
balken muß sich
unbelastet oder bei gleicher Belastung beider
Schalen horizontal einstellen. Dies geschieht nur dann, wenn der
Schwerpunkt
[* 4] der Wage
(des
Balkens, der
Schalen und
Zubehör) etwas unter der Drehungsachse liegt. Die dritte
Eigenschaft einer guten Wage
, die
Empfindlichkeit, d. h. die
Eigenschaft, schon durch kleine Gewichtsunterschiede die horizontale
Lage wesentlich
zu ändern, erreicht man dadurch, daß man ihr lange
Arme gibt, die
Abstände des
Schwerpunktes von der Drehachse und von der
geraden
Linie, welche die Aufhängepunkte der
Schalen miteinander verbindet, recht klein macht, das
Gewicht des Wage
balkens
auf ein
Minimum herabsetzt, die
Summe der abzuwägenden
Gewichte verhältnismäßig nicht groß nimmt und
die
Reibung
[* 5] soviel wie nur möglich vermeidet.
Die empfindlichste Wage
, deren
Empfindlichkeit von ihrer Belastung (nicht aber vom Ausschlaggewicht) unabhängig ist, erhält
man dadurch, daß man den Drehpunkt in die Verbindungslinie der beiden Schalenaufhängepunkte bringt. Zur Vermeidung der
Reibung hängt man
Balken und Skalen mittels sogen. Messerschneiden auf, die auf ebenen
Flächen spielen.
Weber hängt den
Balken mittels
Stahlfedern auf, so daß dessen
Reibung völlig vermieden wird und als alleiniger
Widerstand die
Elastizität der
Feder übrigbleibt.
Den Empfindlichkeitsgrad einer Wage
beurteilt man durch Angabe eines echten
Bruches (Empfindlichkeitsquotient), welcher das
geringste noch einen
Ausschlag gebende
Gewicht zum
Zähler und die einseitige
Last zum
Nenner hat. Nach dem
Erlaß vom soll im
Königreich
Preußen
[* 6] für
Wagen, deren Tragfähigkeit 5 kg übersteigt, 1 g für jedes
Kilogramm
der einseitigen Belastung, bei geringerer Tragfähigkeit 2 g noch einen merklichen
Ausschlag geben, bei
Brückenwagen 12 Dezigr.
für jedes
Kilogramm der
Last.
Bei Präzisionswagen
für
Gold,
[* 7]
Silber und
Juwelen sowie bei Medizinalwagen
, die als solche durch einen neben dem Eichstempel
stehenden sechsstrahligen
Stern bezeichnet werden, beträgt das noch einen
Ausschlag gebende Minimalgewicht 2 Dezigr. für
jedes
Kilogramm, wenn die Tragfähigkeit 5 kg übersteigt, 4 Dezigr., wenn sie geringer als 5 kg ist; 1
mg
für jedes
Gramm, wenn die größte Tragfähigkeit zwischen 20 und 250 g liegt, 2
mg, wenn letztere unter 20 g liegt, bei Präzisionswagen; 4
mg
bei
Wagen von weniger als 20 g Tragfähigkeit im Medizinalgebrauch.
Bei gröbern Wagen betrachtet man die Wägung als beendet, wenn die Zunge senkrecht steht, der Wagebalken überhaupt zur Ruhe gelangt ist; bei feinen Wagen dagegen bewegt sich das Ende der Zunge vor einem Bogen [* 8] mit Teilung, und man betrachtet die Wägung dann als beendigt, wenn die Zunge nach rechts und links gleich stark ausschlägt. Besondere Bequemlichkeit gewährt eine Teilung der Arme des Wagebalkens in zehn gleiche Teile. Ein Drahthäkchen, welches genau 0,01 g wiegt, gibt, wenn man es auf den 1., 2., 3. Teilstrich, von der Mitte an gerechnet, hängt, denselben Ausschlag, als wenn man in die Schale 1, 2, 3 mg gelegt hätte.
Diese Einrichtung findet sich besonders bei den feinen analytischen Wagen der Chemiker. Dieselben stehen in Glaskasten, und man wägt bei verschlossener Thür der letztern. Ein von außen zu regierender Mechanismus gestattet den Wagebalken zu arretieren, und nur wenn dies geschehen ist, legt man Gewichte auf oder hebt sie ab. Die erwähnten Häkchen (Reiter) werden ebenfalls von außen durch einen Stab, [* 9] der durch eine Glaswand hindurchgeht, bewegt. Bei diesen Wagen wird bei Totalbelastung von 2 kg ein noch hinlänglich sichtbarer Ausschlag durch 1 mg hervorgebracht, doch sind auch Wagen konstruiert worden, welche bei 2 kg Totalbelastung noch mit 0,1 mg einen sichtbaren Ausschlag gaben.
Zur Ermittelung sehr kleiner Gewichtsgrößen konstruierte Stückrath eine Wage, bei welcher die Schneiden durch Spitzen ersetzt sind. Bei einer Belastung von 100 mg gibt eine Zulage von 0,01 mg einen Ausschlag von 2 Skalenteilen, und der Gewichtswert sehr kleiner Stücke kann mit einem wahrscheinlichen Fehler von 0,0002 mg ermittelt werden. Die höchsten Grade von Genauigkeit und Empfindlichkeit erzielte Jolly durch Anwendung der Ablesungen mit Spiegel [* 10] und Skala.
Für Verkaufslokale sind Tafelwagen bequem, welche bei verschiedener Detailkonstruktion darin übereinstimmen, daß der oder die Wagebalken unter den Schalen liegen, welch letztere auf senkrecht stehenden Stäben befestigt sind und bei ihrer Bewegung genau oder angenähert parallel geführt werden. Die Schnellwage (römische Wage) ist ein geradliniger, zweiarmiger Hebel, dessen Arme ungleich lang sind. Der Balken dreht sich um eine horizontale Achse und ist an seinem kurzen Arme mit einer in Schneiden aufgehängten Schale oder mit einem Haken versehen, an welchem man die zu wägenden Waren befestigt. Auf dem langen, mit einer Teilung versehenen Arm ist ein Laufgewicht beweglich, welches so lange verschoben wird, bis der Balken horizontal steht oder eine vertikale Zunge einspielt. Diese Wage findet Anwendung, wo es weniger auf Genauigkeit als auf ¶
mehr
Schnelligkeit ankommt. Das Laufgewicht hängt auf Schneiden an einer Hülse, [* 12] die sich auf dem langen Arm verschieben läßt. Meistens steht die Schnellwage der gemeinen Wage hinsichtlich der Empfindlichkeit nach, welche übrigens durch die gleichen Mittel gesteigert werden kann wie bei jener. Bei der dänischen oder schwedischen Schnellwage, dem Desemer, bleibt der Aufhängepunkt der Wagschale wie auch der des Laufgewichts unverändert; dagegen wird der ganze Hebelarm in einer Hülse verschoben, in welcher die Drehachse desselben unverrückbar angebracht ist.
Zum Abwiegen sehr großer Lasten dienen die Brückenwagen, Kombinationen von doppelarmig ungleicharmigen Hebeln, bei denen man gewöhnlich der Last mit einem 10 oder 100mal kleinern Gewicht das Gleichgewicht [* 13] hält, und die man mit Bezug hierauf Dezimal- oder Zentesimalwagen nennt. Sie müssen vor allem so beschaffen sein, daß die Last an jedem Punkte der Tafel das gleiche Gegengewicht erfordert, was dann erreicht wird, wenn die Tafel während ihres Spiels immer genau horizontal bleibt. Um letzteres genau oder mit möglichster Annäherung zu erreichen, gibt es zahlreiche Hebelverbindungen. Am gebräuchlichsten ist die 1821 von dem Straßburger Mechaniker Quintenz angegebene und von Rollé und Schwilgué verbesserte Wage. Die sogen. Brücke [* 14] g h (s. Figur) bildet, von oben gesehen, eine trapezförmige Plattform, welche von entsprechenden Hebeln getragen und von einem starken Pfostenrahmen t umgeben wird, an dessen schmaler Seite sich ein Pfosten r erhebt, welcher zur Aufnahme des Hauptwagebalkens a b c d bestimmt ist.
Von letzterm gehen Zugstangen c e und d f vertikal abwärts, durch welche die beiden ebenfalls trapezförmigen eisernen Brückenrahmen e h und f i mit dem Hauptbalken in geeigneter Weise verbunden werden. Durch das Längenverhältnis der Arme, welche vom Drehpunkt einerseits bis zur Schale, anderseits bis zur ersten Zugstange reichen, wird die Verjüngung der Gegengewichte bestimmt, die hier ausschließlich 1/10 oder 1/100 der Last ist. Schwere Güter, Wagen, Vieh u. dgl. wägt man aber auf feststehenden Zentesimalwagen, deren Plattform in der Ebene des umgebenden Terrains liegt.
Bei den Zeiger- oder Neigungswagen wird die Größe einer Last durch ein konstantes Gewicht bestimmt, welches mit der Wage unveränderlich verbunden ist und bei stattfindendem Ausschlag mit wachsendem Moment wirkt. Jeder Last entspricht ein bestimmter Ausschlag, welcher durch einen Zeiger angegeben und nach Gewichtseinheiten abgelesen wird. Die Zeigerwage dient ganz besonders als Garnsortierwage zum Bestimmen der Feinheitsnummern der Garne. Eine andre Form der Zeigerwagen gestattet, den zu wägenden Gegenstand auf ein Plättchen zu legen (Papierwagen).
Sehr praktisch ist eine Wage, die man in der Hand [* 15] hält, und bei welcher die Skala in einer Schere [* 16] spielt, wie die Zunge bei der Krämerwage (Briefwage).
Vgl. Place, Theorie und Konstruktion der Neigungswage (Zeigerwage) (Weim. 1867).
Die Federwagen beruhen auf der Voraussetzung, daß eine aus gutem Stahl gefertigte Feder ein vollkommen elastischer Körper ist, der durch Formveränderungen innerhalb gewisser Grenzen [* 17] an seiner Elastizität nichts verliert und mithin nach Entfernung des wirksamen Zugs oder Drucks, welchen der abzuwägende Körper ausübt, seine ursprüngliche Gestalt wieder annimmt. Dies ist nun aber streng genommen niemals der Fall, und da auch die Temperatur von Einfluß ist, so wendet man diese Wagen nur da an, wo in Bezug auf die Stärke [* 18] der Feder nur ganz geringe Lasten abgewogen werden, oder wo die Schnelligkeit des Abwägens von größerer Bedeutung ist als eine sehr strenge Gewichtsbestimmung, wie z. B. beim Verkauf von Heu, Stroh, in der Hauswirtschaft etc. Die Konstruktion der Federwagen ist sehr mannigfach.
Gewöhnlich befindet sich die Feder in einem Gehäuse, welches man mittels eines Hakens aufhängt. An dem einen Ende der Feder hängt die Last, und an dem andern ist ein Zeiger befestigt, der auf einer Skala spielt. Sehr praktisch sind Federwagen, bei welchen die Feder in einem Gehäuse unter der Wagschale liegt, so daß letztere ohne Behinderung belastet werden kann. Für besondere Zwecke sind eigentümliche Wagen konstruiert worden, so, abgesehen von den Wagen zur Wägung im luftleeren Raum und den hydrostatischen Wagen zur Bestimmung des spezifischen Gewichts (s. Hydrostatik), [* 19] die automatischen Wagen zur Sortierung der Münzplättchen (s. Münzwesen, [* 20] S. 894) etc.
Vgl. Brauer, Die Konstruktion der Wage (2. Aufl., Weim. 1887).
[* 2] ^[Abb.: Brückenwage.]