aus
Wachs gefertigte künstliche
Blumen, die um die Mitte des 19. Jahrh. allgemein beliebt waren.
Das hier
zur Anwendung kommende Material (Bienenwachs mit einem Zusatz von
Terpentinöl) gestattet eine so treue
Wiedergabe der natürlichen Formen, daß solche
Blumen oft als Lehrmittel für den botan. Unterricht benutzt werden;
als Dekorations-
und Schmuckgegenstände sind sie dagegen, infolge ihrer Zartheit sowie ihrer Empfindlichkeit gegen Wärme,
[* 2] wenig geeignet.
Die wichtigsten Werkzeuge
[* 10] sind Ausschlageisen (Blumeneisen), Matrizen, Pressen und Modelle, deren außerordentlicher
Zartheit und Korrektheit, welche die feinsten Blattnerven, Spitzen und Ränder botanisch treu nachzuahmen gestatten, die Blumenmacherei ihre
gegenwärtige Höhe verdankt. Sie wird fast ausschließlich von Frauen und Mädchen ausgeübt, die einander beständig in die
Hände arbeiten. Man erreicht prachtvolle Effekte durch eigentümliche Appretur, mittels deren man Gewebe
für Blumenblätter glatt wie Wachs, scheinbar texturlos, samtartig im Gefühl und etwas durchscheinend herstellt, wenn zugleich
die zum Teil in Blumenmalerschulen ausgebildeten Mädchen die subtilsten Nüancen und Zeichnungen mit künstlerischem Sinn und
ausgebildetem Verständnis der Natur zu treffen und anzuordnen wissen.
MittelsStreifen gut geleimten Papiers, die man erst ins Wasser taucht, dann über das flüssige Wachs hinführt
und wieder in lauwarmes Wasser taucht, bildet man Wachsstreifen, aus denen sich die Blätter leicht ausschneiden oder mittels
Blechformen ausstechen lassen. Die nötige Wölbung gibt man ihnen mittels verschiedener Kugelhölzer, die aber ebenso wie
die Blechformen vor dem Gebrauch in laues Wasser getaucht werden müssen. Die Stengel
[* 15] und Stiele werden
von Draht gemacht und mit Wachs überzogen.
Die Staubfäden bildet man aus ganz fein geschnittenem Wachs, das man in Gummiwasser und dann in gefärbten Grieß eintaucht.
Die Adern auf den Blumen- und Stengelblättern werden mit dem Pinsel aufgetragen. Solche Wachsblumen bildeten vor etwa 40 Jahren
einen sehr beliebten Modeartikel und waren sehr verbreitet, wurden aber durch die Porzellanblumen verdrängt,
welche man in wunderbarer Vollkommenheit aus dem scheinbar ungeeignetsten Material herstellt. Auch Leder, schwarze Glasflüsse
(zu sogen. Trauerblumen), Muscheln,
[* 16] die Häutchen, welche nach dem Abhaspeln der Seidenkokons übrigbleiben, etc.
hat man vorübergehend als Material zu Blumen benutzt. In neuester Zeit ist
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auch die Fabrikation künstlicher Blumen aus Glas wieder aufgetaucht, wobei die Blumenteile vor derGlasbläserlampe aus Glasröhren
erzeugt und durch Aneinanderschmelzen verbunden werden.
Die Italiener verpflanzten diese Industrie gegen Ende des 15. Jahrh. nach Frankreich, wo sie zuerst in Lyon
[* 24] Fuß faßte, dann aber in Paris
[* 25] zur Blüte
[* 26] gelangte. Wie in Italien und Spanien, wurden die künstlichen Blumen größtenteils
in Klöstern gemacht und waren bestimmt, die Altäre zu schmücken. In der Darstellung feinerer Blumen für Damenputz blieb man
lange von Italien abhängig, und erst durch Séguin, welcher sich 1738 in Paris niederließ, erhielt die
Blumenmacherei hier einen solchen Aufschwung, daß sie bald den Markt und die Mode vollständig beherrschte.
Séguin kopierte die Natur, stellte mit der Schere
[* 27] alle Teile der Blumen her und färbte sie dann; 1770 erfand ein Schweizer
eine Maschine,
[* 28] mit welcher man 6-8 Blätter auf einmal schneiden konnte, und bald darauf wandte man die
Matrizen an. Unter dem Kaiserreich und der Restauration machte die Fabrikation der künstlichen Blumen große Fortschritte,
aber die Ware blieb teuer, weil jeder Fabrikant alles, dessen er bedurfte, selbst anfertigen mußte. Heute herrscht aber die
Arbeitsteilung, und dieser verdankt die Blumenmacherei die Vollendung und Ausdehnung,
[* 29] welcher sie sich jetzt erfreut.
In Paris beschäftigte dieselbe vor dem Krieg 1870: 15,000 Personen, fast ausschließlich Frauen und Mädchen, und der Wert der
jährlich erzeugten Ware wurde auf mehr als 25 Mill. Frank geschätzt.
Mit Frankreich konkurriert fast nur noch Deutschland,
[* 30] und hier hat die Blumenmacherei besonders in Berlin,
[* 31] wo sie vor
etwa 100 Jahren durch die noch bestehende Firma Bolsius' Erben eingeführt wurde, und in München
[* 32] eine hohe Vollendung erreicht.
Die deutsche Blumenmacherei fand wesentliche Förderung durch den Krieg 1870, welcher Paris abschloß und die Konsumenten fast ausschließlich
aus deutsches Fabrikat verwies, welches heute dem französischen vollständig ebenbürtig ist. England
liefert sehr viele, aber wenig geschmackvolle künstliche Blumen, Brasilien
[* 33] sehr schöne aus Federn.
Vgl. Lénard, Die Verfertigung
künstlicher Blumen (Weim. 1881).