Vorstellung
,
Vorsterman - Vorunters

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Seite 66.419. im weitesten
Sinne ein auf etwas Gegenständliches sich beziehender Seelenvorgang. Man kann sich
Gegenden,
Personen, Gefühle,
Absichten vorstellen. Man unterscheidet dem Sprachgebrauch gemäß zwischen dem «Vorstellen»,
der subjektiven Funktion, dem
«Inhalt» der Vorstellung
und ihrem «Gegenstand». Wenn
ich mir eine
Person vorstelle, so ist sie in ihrer Selbständigkeit als Wesen für sich gedacht, der Gegenstand, irgend eine
Erscheinungsweise derselben, etwa ihr
Gesicht
[* 2] oder ihre Gestalt, dagegen der
Inhalt meiner Vorstellung.
Als ein besonderes
¶
mehr
psychisches Phänomen hat Brentano das Vorstellen betrachtet. Dagegen ist die große Mehrzahl der Psychologen der Ansicht, daß
man von dem Gegenstande einer Vorstellung
, im Unterschiede von deren Inhalt, nur reden könne, insofern man noch ein besonderes Wissen
davon habe, und daß eine besondere vorstellende Thätigkeit als ein eigentümliches psychisches Phänomen
nicht existiere. Danach wäre der Inhalt das in der Vorstellung
thatsächlich allein Vorhandene. Mit Rücksicht auf die Bedeutung der
Vorstellung
für die Erkenntnis redet man von Wahrnehmungs -, Erinnerungs- und Phantasievorstellung.
Die erstern, auch einfach Wahrnehmungen genannt, beziehen sich auf einen gegenwärtigen, also die Sinne des Wahrnehmenden
affizierenden Gegenstand. Die Erinnerungsvorstellung
richtet sich auf ein Vergangenes; die Phantasievorstellung
besteht in einer freien und neuen Kombination bekannter Vorstellung
selemente und kann sich auf etwas Zukünftiges beziehen.
Zwischen Wahrnehmung und Anschauung macht man, wenn überhaupt, den Unterschied, daß man den letztern Begriff auf die räumlich-zeitlich
bestimmten Wahrnehmungen einschränkt.
Die nicht weiter zerlegbaren Bestandteile einer Vorstellung
nennt man Empfindungen. Über die Reproduktion und Association der
s. Ideenassociation. Die Unterscheidung von Einzel- und Allgemeinvorstellungen
, die früher besonders zu logischen Zwecken
stattfand, indem man die letztern als die Vorstellung
säquivalente der Begriffe ansah, hat seit Berkeleys scharfer Kritik dieser
«realistischen» Meinung ihre Bedeutung verloren. Dagegen hat
sich noch immer die Annahme unbewußter Vorstellung
bei denen erhalten, die das Bewußtsein nur als eine Seite oder Eigenschaft des
psychischen Seins betrachteten.
Zumeist wird gegenwärtig das Unbewußte nur insofern anerkannt, als es mit dem Unbemerkten sich deckt. So ist in der Vorstellung
eines
Klanges irgend ein bestimmter mitwirkender Oberton eine unbewußte Empfindung, sofern er nicht als
solcher herausgehört wird. Auch die angeborenen Vorstellung
, von denen seit Platon in den Kreisen rationalistischer Metaphysiker viel
geredet wurde, und die in der modernen Biologie wieder Verwendung gefunden haben, sind unbewußte Vorstellung.
Die Ansicht, daß in der
Vorstellung
die Grundfunktion des Seelenlebens zu erkennen sei, wird Intellektualismus genannt. Leibniz und Herbart
sind die Hauptvertreter dieses Standpunktes. Im Gegensatz dazu sind Schopenhauer, Wundt u. a.
der Meinung, daß der Wille die wesentliche ursprüngliche Funktion sei, und bekennen sich demnach zum Voluntarismus. –
Vgl. K. Twardowski, Zur Lehre
[* 4] vom Inhalt und Gegenstand der Vorstellung
(Wien
[* 5] 1894).