Titel
Vorstellung
,
in der
Psychologie das in unserm
Bewußtsein erzeugte
Bild eines Gegenstandes. Bezieht sich die Vorstellung
auf einen
wirklichen Gegenstand, so heißt sie
Wahrnehmung oder
Anschauung; ist ihr
Objekt ein bloß gedachtes, so
wird sie Phantasievorstellung
oder Vorstellung im engern
Sinne genannt. Zwischen
Wahrnehmung und Vorstellung
bestehen beim gesunden
Menschen scharfe
Grenzen
[* 2] und sowohl qualitative als quantitative Unterschiede, gleichwie auf dem Gebiet innerer
Erfahrung das wirkliche Erlebnis
(Freude,
Schreck) von der künstlichen
Nachbildung
(etwa seitens des Schauspielers) sich nicht nur der Gefühlsstärke,
sondern auch der Gefühlsbeschaffenheit nach unterscheidet.
Aber jede Vorstellung
führt auf eine
Wahrnehmung zurück. Entweder ist sie ganz eine Wiederholung früherer
Wahrnehmung, oder ihre
einfachen
Bestandteile sind Abbilder früherer einfacher
Empfindungen (s. d.); denn selbst die ausschweifendste
Phantasie vermag
keine Vorstellung
zu ersinnen, die nicht entweder als
Ganzes in der Wirklichkeit existiere oder wenigstens in ihren Teilen thatsächlich
gegeben sei. Am nächsten stehen der
Wahrnehmung die
Vorstellungen, welche sich unmittelbar an sie anschließen, wie die Vorstellung
des
Schmerzes an die
Wahrnehmung einer chirurgischen
Operation
(Erinnerungsnachbilder, apperzeptive Vorstellung
sbilder). Je mehr
andre
Vorstellungen sich zwischen einen Sinneseindruck und seine
Reproduktion einschieben, desto mehr verblaßt die
Reproduktion,
d. h. die betreffende Vorstellung.
Im allgemeinen nun unterscheiden sich einfache
Vorstellungen von
Empfindungen, bez. Vorstellung
skomplexe
von
Wahrnehmungen in folgenden vier
Punkten:
1) Vorstellung
sbilder sind für gewöhnlich schwächer, undeutlicher als die entsprechenden
Empfindungen. Ein bloß vorgestellter
Ton ist eine zweifellos schwächere seelische Zuständlichkeit als derselbe
Ton, wenn er wirklich gehört wird. Indessen ist
dieser Intensitätsunterschied bei Individuen mit lebhafter Vorstellungsthätigkeit, also etwa bei
Kindern,
Frauen, Künstlern,
ein nicht sehr erheblicher, während er bei
Menschen mit vorwiegend abstrakter Geistesthätigkeit einen ziemlich hohen
Grad
erreicht. Abgesehen von solchen individuellen Verschiedenheiten hängt die
Stärke
[* 3] der
Vorstellungen von
zwei Umständen ab. Es ist a) eine Vorstellung um so intensiver, mit je größerm
Interesse der Gegenstand der ihr zu
Grunde liegenden
Sinneswahrnehmung erfaßt wurde, und b) je öfter diese Sinneswahrnehmung auftrat.
2) Jede Vorstellung ist von einem Gefühl der Spontaneität, jede Empfindung von einem Gefühl des Zwanges begleitet. So oft eine in das Phantasiespiel oder in die Denkthätigkeit eingreift, scheint sie aus dem eignen Innern spontan emporzusteigen und sich willig der psychischen Aktivität zu unterwerfen. Empfindungen werden uns von außen aufgedrungen und fügen sich nicht unsern Wünschen: das Rot, das ich sehe, zwingt sich mir als etwas Unveränderliches auf. Vorstellungen fühle ich als mein Eigentum, das in mir erzeugt und von mir zu beherrschen ist; fehlt das erste Merkmal, d. h. wird eine Vorstellung auf einen andern Urheber als die eigne Person bezogen, so nennt man das psychische oder Pseudo-Halluzination, fehlt das zweite Merkmal, d. h. ist die Vorstellung nicht nach Belieben abzuändern und zu verscheuchen, so spricht man von Zwangsvorstellungen.
3) Bei Vorstellungen ist die Aufmerksamkeit nicht wie bei Empfindungen auf ein Sinnesorgan gerichtet.
4) Den Vorstellungen fehlt die begleitende Muskelempfindung, die mit der Thätigkeit eines jeden Sinnesapparates, demnach mit allen Empfindungen verbunden ist. Jede Sinnesempfindung wird von Nebenempfindungen begleitet, die in den Bewegungen des betreffenden Organs (z. B. in Augenbewegungen) ihren Grund haben und ebendorthin von dem Bewußtsein lokalisiert werden; hingegen ergänzt sich die Vorstellungsthätigkeit durch allgemeine Spannungen der Kopfmuskulatur, die sich nicht auf den Ort eines besondern Sinnesapparats konzentrieren.
So viel von dem, was die innere Erfahrung über das Wesen der Vorstellungen aussagt. Es entsteht nunmehr die Aufgabe, den Zusammenhang der ¶
mehr
Vorstellungsthätigkeit mit den Erregungsvorgängen im Gehirn [* 5] in ähnlicher Weise durchsichtig zu machen, wie das für die Empfindungen möglich ist. Da jede Vorstellung aus einer Wahrnehmung entstanden ist, so muß angenommen werden, daß die Wahrnehmung irgend einen Eindruck zurückgelassen hat, der in der Vorstellung wieder auflebt. Nun kann jedoch zwischen dem Augenblick der Wahrnehmung und dem des Auftretens der aus ihr entstandenen Vorstellung eine geraume Zeit liegen, und es fragt sich, von welcher Art der inzwischen notwendigerweise verbliebene Eindruck ist, daß er, ohne sich bemerkbar zu machen, den Zeitraum von manchmal vielen Jahren überdauert.
Nach Wundt handelt es sich bei einem solchen Wahrnehmungsresiduum nicht um eine zurückbleibende Spur, sondern nur um eine funktionelle Disposition, wie überhaupt nach seiner Anschauung die Vorstellungen nicht Wesen, sondern Funktionen sind, welche gelernt, geübt und gelegentlich auch verlernt werden können. Indessen widerstreitet dem 1) die Thatsache, daß in pathologischen Fällen Vorstellungen, die zur Zeit ihrer Entstehung keineswegs besonders eingeübt und während eines ganzen Lebens nie wieder in der bewußten Seelenthätigkeit verwertet worden waren, durch irgend einen Zufall wieder wach werden können. Es ist 2) einzuwenden, daß der Ausdruck psychische oder funktionelle Disposition keinen recht durchdenkbaren Begriffsinhalt besitzt, vielmehr bloß das Geständnis des Nichtwissens enthält.
3) Es besteht nicht der von Wundt hineingetragene Gegensatz zwischen den Bezeichnungen Spur und Disposition. Auch Spur sagt nichts über die Natur des Wahrnehmungsresiduums aus; es bezeichnet eben dasselbe unter dem Gesichtspunkt des Ursprunges, was Disposition unter dem Gesichtspunkt der möglichen Reproduktion bezeichnet.
4) Die dargelegte Theorie erklärt nicht das beständige Hineinwirken des im Hintergrund befindlichen Vorstellungsmaterials in den vollbewußten Gedankenablauf. Sie vermag endlich 5) keine Grenze festzustellen zwischen den bei jeder Geistesthätigkeit leise mitschwingenden, noch eben merklichen Vorstellungen und jenen dicht daneben liegenden funktionellen Dispositionen. Will man sich daher die Wahrnehmungsresiduen psychologisch verständlich machen, so muß man sie sich schon nach Analogie der Vorstellungen denken und etwa als unbewußte Vorstellungen bezeichnen, wenngleich der Ausdruck schief ist (vgl. Bewußtsein).
Mit dieser Einsicht ist zugleich eine Auffassung von dem Wesen der Wahrnehmungsresiduen ausgeschlossen, welche man die physiologische nennt. Ihr zufolge sollen die nicht im Bewußtseinsvordergrund thätigen Vorstellungen gar keine psychische Seite besitzen, sie sollen einfache Nervenerregungen sein, denen im Unterschied von andern Hirnvorgängen das entsprechende seelische Korrelat fehlt. Außer den angeführten Punkten spricht hiergegen einmal die Erwägung, daß ein solches Überspringen der Theorie von der psychischen zur physischen Kausalkette eine unausfüllbare und unerklärliche Lücke in jener entstehen läßt, alsdann die Unmöglichkeit, die Mechanik der Großhirnthätigkeit als Ursache psychischer Prozesse nachzuweisen (s. Psychologie). Ebensowenig jedoch genügt die psychologische Auffassung, die in den Spuren oder Dispositionen ausschließlich seelische Zuständlichkeiten erblickt. Folgende Thatsachen nämlich beweisen augenscheinlich die ausnahmslose Korrespondenz zwischen Vorstellungsreproduktion und Erregungsvorgang im Gehirn.
1) Vorstellungsbilder von außergewöhnlicher Lebhaftigkeit unterscheiden sich in nichts von Sinnesempfindungen, denn sie können Reflexbewegungen und Nachbilder zur Folge haben. Wenn daher Empfindungen als zweifellos physiologisch bedingt anzusehen sind, so läßt sich die Folgerung kaum abweisen, daß auch Vorstellungen es seien.
2) Dasselbe folgt aus dem Umstande, daß Halluzinationen (s. Sinnestäuschung) ohne peripherischen Reiz durch bloße Hirnerregung eintreten, und 3) daraus, daß mit zunehmender (abnehmender) Reizbarkeit des Großhirns die Lebhaftigkeit der Vorstellungen wächst (abnimmt). Ferner lehren hirnphysiologische Untersuchungen die Abhängigkeit einzelner psychischer Leistungen von einzelnen Regionen der Großhirnrinde, ganz abgesehen von dem freilich nur allgemein bestätigten Abhängigkeitsverhältnis der seelischen Entwickelung von der Gehirnentwickelung.
Zur Feststellung dieser Beziehungen haben sich anatomisch-histologischer Methoden bedient Steiner, Gudden, Flechsig, v. Monakow, Gaskell, Golgi, Forel; der speziell-physiologischen Forschungsweise mit Ausfalls- und Reizversuchen Munk, Ferrier u. a. Es ergibt sich aus ihnen, daß z. B. die Leistungen optischer oder akustischer Vorstellungsbilder an bestimmte Regionen der Rinde gebunden sind; man muß sich jedoch hüten, einerseits diese Regionen als Zentren zu bezeichnen, anderseits zwischen sensorischen und motorischen Sphären scharf zu scheiden, denn jede sensorische Vorstellung enthält zugleich ein motorisches Element, und jede Bewegungsvorstellung wurzelt in einer Empfindung.
Über die Bedeutung dieser Lokalisationen bestehen zwei Theorien. Die Projektionstheorie nimmt an, daß die Gliederung unsrer Körperperipherie in Sinnesorgane und Muskelgruppen gewissermaßen auf das Nervenzentrum projiziert sei und sich dort in besondern Großhirnrindenfeldern widerspiegele, deren Abgrenzung voneinander der Abgrenzung der Sinnesapparate und der verschiedenen Muskelzüge voneinander entspreche. Die andre Theorie sieht das Prinzip der Lokalisation in der praktischen Zusammengehörigkeit der verschiedenen Vorstellungsklassen, wie z. B. die motorische Sprachsphäre neben der Region der Klangbilder liegt, weil die Leistungen beider Felder associativ miteinander verbunden sind.
Fragt man nun, wie in jeder solchen Sphäre die einzelnen Wahrnehmungsresiduen aufbewahrt werden, so liegt die Antwort am nächsten, daß in jeder der unzähligen Nervenzellen der Großhirnrinde eine bestimmte Vorstellung sitzt, die bei Erregung der betreffenden Zelle [* 6] in Thätigkeit tritt, d. h. bewußt wird. Diese Vermutung beruht indessen auf der falschen Voraussetzung, als seien die Vorstellungen starre Größen, die stets unverändert in ein mechanisches Spiel eingriffen. In Wirklichkeit hat die Vorstellung während der Zelt, wo sie unthätig in einer Zelle gelagert haben soll, Veränderungen erlitten, denn so oft ich auch eine Vorstellung, etwa die von dem Aussehen eines Freundes, reproduziere, so oft trägt sie, man möchte sagen eine andre Färbung. - Zu den psychologischen und physiologischen Gründen für die Korrespondenz zwischen Vorstellungsthätigkeit und Gehirnerregung treten Gründe, die sich auf pathologische Erfahrungen stützen.
Bei Verletzung einer bestimmten Region der Großhirnwindungen wird eine scharf abgegrenzte Fähigkeit der Vorstellungsreproduktion gestört, z. B. die Fähigkeit, Worte zu lesen (Alexin) oder zu schreiben (Agraphie). Von besonderer Wichtigkeit ist die amnestische Aphasie (Agraphie): der Kranke vermag nicht ein Wortbild spontan in Sprache [* 7] (Schrift) zu produzieren, obwohl er es nachsprechen (schreiben) kann, wenn es ihm vorgesprochen (geschrieben) wird. Dabei sind alle andern ¶
mehr
Vorstellungsthätigkeiten nicht im mindesten gestört. Ebenso bei der amnestischen Paraphasie (Paragraphie), wo der sprechende (schreibende) Patient verkehrte Worte zum Ausdruck seiner Gedanken wählt, und bei der Worttaubheit (Wortblindheit), wo der Kranke wohl die Wörter als Klangzusammensetzungen hören (lesen) kann, aber ihrem Sinne nach nicht mehr versteht. Hierher gehören endlich die Fälle von sogen. Seelenblindheit (Seelentaubheit), in denen bei sonst unverletzter Intelligenz und Erinnerung die Reproduzierbarkeit aller Gesichts- (Gehörs-) Vorstellungen u. die Wirksamkeit der zwischen ihnen bestehenden Associationen stark beeinträchtigt ist (vgl. Gedächtnis).
Ebenso wie das Auftreten von Vorstellungen an physiologische Vorgänge geknüpft ist, ebenso ist es an psychologische Gesetze gebunden. Man bezeichnet diese Gesetze als Reproduktionsgesetze, nach denen vergangene Empfindungen oder Vorstellungen reproduziert werden, d. h. als Vorstellungsbilder in unserm Bewußtsein wieder auftauchen. Während sie physiologisch sich alle auf das Prinzip der Übung zurückführen lassen, müssen sie für die psychologische Betrachtung getrennt behandelt werden.
1) Gesetz der Koexistenz: Zwei gleichzeitig im Bewußtsein gewesene Vorstellungen neigen zu gegenseitiger Reproduktion (Geige - Bogen). [* 9]
2) Gesetz der Succession: Von zwei unmittelbar aufeinander gefolgten Vorstellungen hat die erste bei ihrem Wiedereintreten meist auch die Reproduktion der zweiten zur Folge (Blitz - Donner). Nicht jedoch zieht umgekehrt das Wiederauftauchen der zweiten Vorstellung das der ersten nach sich; bei der Reproduktion von Vorstellungsresten erkennt man am leichtesten, daß wohl a die darauf folgende Vorstellung b etc. ins Gedächtnis zurückruft, aber nicht z x und so rückwärts bis zu a. Von Vorstellungen, welche im Verhältnis der Koexistenz oder Succession stehen, sagt man, sie seien miteinander associiert (s. Ideenassociation, Bd. 8). Die Festigkeit [* 10] dieser Associationen unterliegt gleichfalls bestimmten Regeln.
Ihr Stärkegrad ist abhängig a) von der Häufigkeit, mit der zwei Vorstellungen associativ verbunden reproduziert worden sind, b) von der Zeitdauer, die seit ihrer letzten gemeinsamen Reproduktion verflossen ist, c) von dem Aufmerksamkeits- und Interesseaufwand, der sie bei ihrer gemeinsamen Reproduktion zu begleiten pflegt, d) von der Entfernung, die zwischen zwei Vorstellungen liegt, sofern sie einer größern Vorstellungsreihe angehören, und e) von der Länge eben dieser Reihe.
3) Gesetz der Elimination: Wenn von drei aufeinander folgenden Vorstellungen bei wiederholter gemeinsamer Reproduktion die mittlere vernachlässigt zu werden pflegt, so kann sie schließlich ganz fortfallen und die dritte Vorstellung sich unmittelbar an die erste associieren. Dem Anfänger im Geigenspiel ruft die Note d'' zunächst die Vorstellung »dritte Lage« und dann die Vorstellung »vierter Finger« wach; bei fortschreitender Übung aber wird das Mittelglied ausgeschaltet und an die d'' sofort die Vorstellung »vierter Finger« associiert. Man spricht in diesem Sinne wohl auch von »lückenhaften Associationen«.
4) Gesetz der Synthese: Von den aufeinander folgenden Vorstellungen einer Reihe a b c d besitzt nicht nur die letzte die Tendenz, die an sie sich anschließende Vorstellung e wachzurufen, sondern auch der Vorstellungskomplex a b c d, zu einem reproduktionsfähigen Ganzen verschmolzen, kann als eine Synthese solcher Art die Angliederung von e zur Folge haben. Wenn demnach in andern Zusammenhängen sehr verschiedene Vorstellungen sich an d associiert haben, so wird doch beim Auftreten von d in der Synthese a b c d immer nur e reproduziert werden. Hieraus ergibt sich die praktische Regel, beim Auswendiglernen nicht die Gesamtheit der Worte nacheinander zu wiederholen, sondern kleinere Ganze herzustellen, an deren letzten Faktor sich dann stets der thatsächlich folgende als erster einer neuen Synthese mit Leichtigkeit associieren wird.
5) Gesetz der Substitution. A. Substitution durch Ähnlichkeit: [* 11] Wenn im allgemeinen durch das Auftreten von a Vorstellung b reproduziert wird, so kann doch schon durch Auftreten der a nur ähnlichen Vorstellung α das Vorstellungsbild b wieder ins Gedächtnis zurückgerufen werden. Angenommen, es sei mit dem Anblick einer bestimmten Person zugleich die Vorstellung von seinen Bewegungs- und Spracheigentümlichkeiten verbunden, so wird bereits der Anblick des jener Person nur ähnlichen Porträts diese Vorstellung von seinen sonstigen Eigentümlichkeiten erwecken: »das Bild ist sprechend ähnlich« sagt man dann wohl. Im einzelnen sind zwei Fälle möglich. I. Der eben als Beispiel benutzte Fall: die a ähnliche Vorstellung α läßt die mit a verbundenen Vorstellungen b c... und so eventuell auch indirekt die a reproduziert werden. An α (das Porträt) wird d c... (Spracheigentümlichkeiten, Name ... des Dargestellten) vorstellungsmäßig angegliedert und so in α (dem Porträt) a (das Original) »wiedererkannt«.
II. Die a ähnliche Vorstellung α läßt die den Vorstellungen b c... ähnlichen Vorstellungen β γ... reproduziert werden. Dann »erinnert« α an a. B. Substitution durch Kontrast: Wenn im allgemeinen durch das Auftreten von a Vorstellung b reproduziert wird, so kann doch auch durch Auftreten der a gerade entgegengesetzten a¹ das Vorstellungsbild b wieder ins Gedächtnis zurückgerufen werden. Während für gewöhnlich nur durch komische Vorgänge (a) die Vorstellung des Lachens (b) geweckt wird, kann manchmal durch gerade entgegengesetzte Vorgänge, z. B. durch eine Leichenfeier (a¹), die Vorstellung vom und der Reiz zum Lachen (b) entstehen. Die witzigen Impromptus beruhen meist auf der augenblicklichen Association kontrastierender Vorstellungen.
Abgesehen von den beiden letzten Unterfällen (5 A und B), ist es für die Bewährung der Reproduktionsgesetze gleichgültig, von welcher Beschaffenheit die dabei in Betracht kommenden Vorstellungen sind. Auch thut es den genannten Bestimmungen keinen Eintrag, ob die Reproduktion dieser oder jener Art willkürlich vorgenommen wird (»ich besinne mich«) oder Unwillkürlich erfolgt (»es fällt mir ein«, »es kommt mir in den Kopf«). Immerhin erschöpfen die Gesetze nicht die Mannigfaltigkeit des Vorstellungslebens, denn es ereignet sich auch, daß Vorstellungen ohne sichtbare Hilfe andrer Vorstellungen im Bewußtsein auftauchen (frei steigende Vorstellungen), und anderseits sind die Gesetze nicht bloß auf Vorstellungen beschränkt, sondern gelten gleicherweise für Empfindungen, Gefühle, Triebe in ihrem Verhältnis untereinander (ein Lustgefühl reproduziert leicht ein zweites), zu einander (ein Lustgefühl führt einen Trieb ins Bewußtsein zurück) und zu den Vorstellungen (die aktuelle Empfindung ruft eine verwandte Vorstellung wach). Dazu kommt, daß infolge der sogen. Enge des Bewußtseins (s. d.) die Befolgung der aufgezählten Prinzipien gewissen quantitativen Beschränkungen unterliegt. So entstehen folgende Vereinfachungen der Reproduktionsgesetze:
1) Verschiedene Tendenzen zur Erweckung einer bestimmten Vorstellung verschmelzen zu einer Tendenz.
2) Reproduzierte Vorstellungen treten sofort nach Erfüllung ihrer Aufgabe in den Zustand der Reproduktionsbereitschaft.
3) Associativ aufeinander folgende Vorstellungen dienen ¶