Vola manus
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Vola
[* 2] (Manus), ursprünglich beim Menschen der unterste Abschnitt des Arms, dann in weiterm Sinn das ihm entsprechende Stück an der Vorderextremität der Wirbeltiere (Vorderfuß, Vorderflosse, Vorderhuf); bei Wirbellosen ein zum Greiforgan umgewandeltes Bein oder auch nur der greifende Teil desselben (z. B. beim Krebs [* 4] die Schere). [* 5] Ihr Knochengerüst besteht bei allen Wirbeltieren, mit Ausnahme der Fische, [* 6] deren Flosse in dieser Beziehung abweichend gebildet ist, aus den Knochen [* 7] der Handwurzel und denen der Finger.
Von erstern sind eigentlich zehn vorhanden (so noch bei den Amphibien), jedoch verschmelzen sie miteinander oder verkümmern gewöhnlich mehr oder weniger (s. Arm). Sie sind in zwei Reihen angeordnet, von denen die eine mit den Armknochen, die andre mit den Fingern und zwar mit deren Grundgliedern, den sogen. Mittelhandknochen, in Verbindung steht. Die Finger (digiti), meist fünf, selten mehr, häufig weniger an Zahl, haben normal vom Daumen, d. h. dem an der Speichenseite gelegenen, ab gerechnet 3, 4, 5, 6, 4 Glieder [* 8] oder Phalangen (phalanges), fast immer jedoch weniger. - Bei den Säugetieren speziell ist die Hand nicht mehr an beiden Knochen des Vorderarms, sondern nur noch an der Speiche eingelenkt (s. Arm), daher freier beweglich; von den Handknochen sind regelmäßig einige verschmolzen, dagegen ist ebenso regelmäßig ein besonderer, zuweilen ziemlich großer Knochen (Erbsenbein, os pisiforme, in obenstehender [* 2] Figur P) vorhanden, der sich auch bei Reptilien vorfindet und als Rest eines bei fossilen Reptilien vorhanden gewesenen sechsten Fingers gedeutet wird.
Über die Modifikationen der Hand zur Flosse der Wale, [* 9] zum Flugorgan der Fledermäuse, zum Huf [* 10] der Huftiere s. die einzelnen Gruppen. An den Fingern ist die Zahl der Glieder in der Regel vier, beim Daumen drei, jedoch häufig eine geringere und nur bei den Walen eine größere. Die freie Beweglichkeit des Daumens findet sich bei Affen, [* 11] Halbaffen [* 12] und Menschen. Die Hand des Menschen besteht aus 27 Knöchelchen (s. Tafel »Skelett [* 13] des Menschen I«),
und zwar sind 8 in der Handwurzel (carpus) angebracht; von den übrigen 19 werden 5, d. h. je das erste der Finger, als zur Mittelhand (metacarpus) gehörig bezeichnet, während die übrigen frei hervortretenden Phalangen sich zu 2 am Daumen und zu 3 an jedem der 4 andern Finger gruppieren. Die Handwurzelknochen sind unter sich und mit denen der Mittelhand ziemlich fest durch Bänder (s. Tafel »Bänder des [* 14] Menschen«) vereinigt; hiervon macht nur der zum Daumen gehörige Metakarpelknochen eine Ausnahme (s. Daumen). Dagegen sind die Finger und ihre Phalangen sehr frei beweglich. - Die Muskeln [* 15] (s. Tafel »Muskeln des Menschen«) zur Bewegung, namentlich zur Drehung der als eines Ganzen, liegen am Arm (s. d.), ebenso die für die Beugung [* 16] und Streckung der Finger; sie zeichnen sich meist durch sehr lange Sehnen aus, welche durch viele Bänder in ihrer Lage erhalten werden.
Beugung und Streckung der vier längern Finger wird durch große gemeinschaftliche Muskeln vermittelt, welche sich erst in der Nähe des Handgelenks in vier Partien spalten und so zu den einzelnen Fingern treten. Nur der Zeigefinger hat einen besondern Streckmuskel und kann deshalb ohne Mühe gesondert gestreckt werden; noch selbständiger ist der Daumen (s. d.). Zur Ausführung der so sehr mannigfaltigen Hand- und Fingerbewegungen dienen auch noch kleinere Muskeln, welche sämtlich der Mittelhand angehören. Die Finger haben keine Muskeln. - Wegen der Arterien der Hand s. Tafel »Blutgefäße des [* 17] Menschen«, [* 2] Fig. 5;
wegen der Nerven [* 18] s. Tafel »Nerven des [* 19] Menschen I«, [* 2] Fig. 6;
wegen der Haut [* 20] und der Nägel [* 21] s. d. -
An der Hand unterscheidet man den gewölbten Handrücken und die hohle Handfläche (Handteller, Hohlhand);
auf ersterm
[* 2] ^[Abb.: Handskelette von Säugetieren. Orang-Utan Hund Schwein [* 22] Tapir Rind [* 23] Pferd [* 24]
R Radius (Speiche), U Ulna (Elle), A-G, Cc, P Knochen des Carpus (Handwurzel): A Scaphoideum (Kahnbein), B Lunare (Mondbein), C Triquetrum [* 25] (dreieckiges Bein), D Trapezium (großes vieleckiges Bein), E Trapezoides (kleines vieleckiges Bein), F Capitatum (Kopfbein), G Hamatum (Hakenbein), P Pisiforme (Erbsenbein), Cc Centrale Carpi, M Metacarpus (Mittelhand). Die Zahlen 1-5 bezeichnen die Finger (1 Daumen, 5 kleiner Finger).] ¶
verlaufen die Streck-, in letzterer die Beugemuskeln. An einer gut geformten, schlanken Hand ist der Zeigefinger meist ein wenig länger als der Ringfinger. Wegen des Unterschiedes zwischen der Hand des Menschen und des Affen s. Daumen.
Als Rechtssymbol war die Hand im Mittelalter das Zeichen der Gewalt und infolgedessen auch der Münzgerechtigkeit, wie sie sich als solches auf alten Hellern und Kreuzern (Händleinsheller, Händelpfennige) findet. Der Handschlag war seit alten Zeiten die allgemeine Bekräftigung aller Verträge und Gelübde, sofern die Sitte kein feierlicheres Symbol vorschrieb; durch ihn verbanden beide Teile gegenseitig ihre Gewalt. Bei Huldigungen nach dem Lehnrecht legte der Mann beide Hände zusammen, und der Herr nahm sie zwischen die seinigen, oder jener kniete nieder, seine Hände dem sitzenden Herrn auf die Füße faltend.
Mit der Hand schwur man auch den Eid, und zwar war es Sitte, daß der Schwörende mit der Rechten etwas hielt oder berührte, Männer den Schwertgriff, später die Reliquie, Frauen die linke Brust und den Haarzopf, Geistliche und späterhin Fürsten Brust und Herz. Traf jemand sein Vieh in fremdem Besitz und wollte es wiedererlangen, so war Handauflage nötig: er berührte vor Gericht mit der Rechten die Reliquie, mit der Linken faßte er das linke Ohr [* 27] des Viehs. Auch der heimliche Schöffengruß beim Femgericht wurde dadurch ausgesprochen, daß der eintretende Schöffe die rechte Hand erst auf seine linke Schulter, dann auf die des andern Schöffen legte. Nicht selten wird auch (wie z. B. beim Eide) die der Hand beigelegte symbolische Verrichtung genauer durch Finger bezeichnet. - Eine blutrote Hand ist die unterscheidende Wappenzier des englischen Baronets. Endlich wird Hand gleichbedeutend mit Arbeiter gebraucht, besonders im Matrosenwesen (»alle Hand auf Deck«).
Vgl. Bell, The human hand, its mechanism and vital endowments (7. Aufl., Lond. 1865; deutsch, Stuttg. 1851).
[* 2] Ferdinand Gotthelf, Philolog, geb. zu Plauen [* 28] im sächsischen Vogtland, vorgebildet zu Sorau, [* 29] studierte seit 1803 in Leipzig, [* 30] habilitierte sich 1809 daselbst, wurde 1810 an Passows Stelle Professor am Gymnasium zu Weimar, [* 31] 1817 außerordentlicher und noch in demselben Jahr ordentlicher Professor der Philosophie und griechischen Litteratur sowie Mitdirektor des philologischen Seminars in Jena, [* 32] unterrichtete seit 1818 an wöchentlich zwei Tagen die Prinzessinnen Marie und Auguste von Sachsen-Weimar, welche er auch 1824 auf ein Jahr nach Petersburg [* 33] begleitete, erhielt 1837 den Hofratstitel und starb in Jena.
Sein Hauptwerk ist: »Tursellinus, seu de particulis latinis commentarii« (Leipz. 1829-45, 4 Bde.; unvollendet). Wir nennen noch: »Lehrbuch des lateinischen Stils« (Jena 1833; 3. Aufl., bearb. von Schmitt, 1880);
»Praktisches Handbuch für Übungen im lateinischen Stil« (das. 1838, 2. Aufl. 1850);
seine mit reichen Anmerkungen versehene Ausgabe von Gronovs »Diatribe in Statii Silvas« (Leipz. 1812, 2 Bde.) sowie die des Statius selbst (das. 1817, Bd. 1; unvollendet).
Auch eine »Ästhetik der Tonkunst« (Jena 1837-41, 2 Bde.) gab er heraus.
Vgl. Queck, F. G. Hand nach seinem Leben und Wirken (Jena 1852).