Vogēsen
(Wasgenwald,
Wasgau, lat.
Vosagus, franz. les
Vosges),
Gebirge, dem oberrheinischen Gebirgssystem
angehörend, erhebt sich in der
Richtung von SSW. nach NNO. aus der westlichen Seite der
Oberrheinischen Tiefebene und zwar
in seinem höhern südlichen Teil auf der
Grenze von
Deutschland
[* 2] (Elsaß) und
Frankreich, in seinem niedern nördlichen Teil
ganz in
Deutschland (s.
Karte
»Elsaß-Lothringen«).
[* 3] Beide Teile sind in
Bau und
Höhe ganz verschieden. Der
südliche Teil, die eigentlichen oder obern in jeder Hinsicht dem jenseit der
Oberrheinischen Tiefebene liegenden
Schwarzwald
ähnlich, auch, wie dieser, seine steilste Seite der
Oberrheinischen Tiefebene zukehrend, besteht aus
Granit,
Gneis, devonischem
Gestein, Rotliegendem, Buntsandstein,
Porphyr etc. und erstreckt sich von der
Lücke von
Belfort
[* 4] (Trou de
Belfort, 362 m ü. M.), welche die Vogesen
vom
Jura scheidet, und durch welche der
Rhein-Rhônekanal und eine
Eisenbahn von Basel
[* 5] und
Mülhausen
[* 6] nach
Paris
[* 7] und
Lyon
[* 8] führen, bis zum
Donon am Ursprung der
Saar und zwar in einer
Länge von 100 und einer
Breite
[* 9] von mehr als 50 km. Der nördliche Teil, 128 km lang, bei
Zabern
[* 10] nur 22 km breit, besteht vorzugsweise aus Buntsandstein,
führt in
Rheinbayern den
Namen
Hardt (s. d.) und endet bei
Dürkheim
[* 11] und
Kaiserslautern,
[* 12] hier durch das
Landstuhler
Bruch (240
m) vom Niederrheinischen Schiefergebirge getrennt.
Mit dem Elsässer Bellen oder Ballon [* 13] d'Alsace (1250 m) beginnt im S. der Kamm, welcher sich auf der deutsch-französischen Grenze bis zum Donon zieht. Die bedeutendsten Kuppen desselben sind: der Kratzen oder Gresson (1249 m) und der Trumenkopf (Drumont, 1226 m) im Quellgebiet der Mosel, der Winterung (Grand Ventron, 1209 m) bei Wildenstein, der Rheinkopf (1320 m) fast am Ursprung der Thur und Fecht, der pflanzenreiche Honeck (1367 m) an der Quelle [* 14] der Moselotte, der Tanet (1296 m), der Col de Bonhomme (1086 m) westlich von Diedolshausen und der Donon (1010 m). Sehr groß ist der Unterschied in den Abfällen des Kammes nach beiden Seiten.
Während die Seitenrücken im W. mehr allmählich zur Hochfläche von Lothringen absteigen, fällt der Kamm im O. zu einigen Thälern außerordentlich steil ab, so am Winterung gegen das Thal [* 15] der Thur, am Rheinkopf gegen das der Fecht, am Reisberg (südwestlich von Urbeis) gegen die Becken des Schwarzen und Weißen Sees (der Quellregion der Weiß). Die östliche, deutsche Seite des Gebirges erscheint durch die tiefen Thäler, zwischen denen kurze Bergrücken, deren abgerundete Kuppen (Belchen) die Höhen des Kammes zuweilen überragen, hoch und steil bis an den Rand der Tiefebene treten, vorzüglich gegliedert.
Die Thäler daselbst zeichnen sich durch Anmut, teilweise auch durch Großartigkeit aus, sind reich an Wiesen, stark bevölkert und enthalten zahlreiche und bedeutende Industrieanstalten, besonders die Thäler von Masmünster an der Doller, von St.-Amarin an der Thur, Gebweiler [* 16] an der Lauch (Blumenthal), Münster [* 17] an der Fecht, Markirch [* 18] an der Leber und endlich das Thal der Breusch, woselbst auch das durch Oberlin bekannt gewordene Steinthal. Unter den Gipfeln der Seitenrücken zwischen diesen Thälern sind hervorzuheben: der Roßberg (1196 m) westlich von Thann, der Sulzer Belchen (1426 m), der höchste Berg des ganzen Gebirges, zwischen Thur und Lauch, der Kleinkopf ¶
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(1333 m) und der Kahle Wassen (1274 m) zwischen Lauch und Fecht, der Bludenberg (1232 m) zwischen Fecht und Breusch, das Hochfeld
oder Champ du Fé (1095 m) südlich von der Breusch. Die Randberge längs der Tiefebene sind mit zahlreichen Burgruinen und
Schlössern geschmückt; einige sind als Aussichtspunkte berühmt: Mennelstein (820 m) und Ottilienberg
(801 m) über Barr und Dreiähren oder Trois Epis (732 m), ein Wallfahrtsort über Türkheim. Im westlichen Abfall der Vogesen
ist ein
wildes Waldgebirge zwischen den Quellen der Mosel und Meurthe, eine seenreiche Gegend bei Gérardmer;
im S. zieht sich vom Elsässer Belchen ein Höhenrücken auf der Wasserscheide zwischen Rhein und Rhône unter dem Namen Sichelberge (Monts Faucilles) bis zum Plateau von Langres.
Granit, Gneis und Unterdevon bilden die Grundlage der eigentlichen Vogesen.
Der Granit tritt am bedeutendsten in der westlichen Abdachung
in Frankreich auf, wo er das ganze Quellgebiet der Mosel und Meurthe einnimmt und westlich von Gneis und
Glimmerschiefer begrenzt wird; über diesen Gesteinen lagert im S. von Remiremont an der Mosel, noch mehr aber im N. zur Meurthe
hin Rotliegendes, welches auch nördlich von Belfort auftritt, wo mit dem Unterdevon das eigentliche Gebirge beginnt.
Die deutsche Seite der Vogesen
ist bis zum Donon mannigfaltig zusammengesetzt, wenngleich auch hier Granit und
Unterdevon vorherrschend sind, denen sich in der nördlichen Hälfte kristallinisch-metamorphische Gesteine,
[* 20] Rotliegendes,
Buntsandstein, Muschelkalk, Jura etc. anschließen. Das Unterdevon ist im S. bis fast zum Münsterthal hin, der Granit (dem
innerhalb des Unterdevons auch der Sulzer Belchen angehört) im Anschluß an das große Granitgebiet der
Westseite des Gebirges in der Mitte und zwar zwischen Münster- und Leberthal das dominierende Gestein; letzteres zeigt sich
nochmals in größerm Umfang zwischen Gießen
[* 21] und Breusch, ist hier aber größtenteils von Unterdevon eingeschlossen.
Metamorphische Gesteine trifft man besonders am Leberthal südlich und östlich von Markirch an, Porphyre in
geringer Ausdehnung
[* 22] ganz im S. im Unterdevon und ganz im N., wo sie nördlich von der Breusch mit Rotliegendem die Nordgrenze
der eigentlichen Vogesen
gegen das Buntsandsteingebirge bilden. Das letztere erreicht von Frankreich her, wo es als äußerstes
Glied der
[* 23] Vogesen
sich in ansehnlicher Breite über Epinal hinaus bis zum Plateau von Langres erstreckt, mit dem
Donon die deutsche Grenze, liegt aber auch in kleinern Partien mit jüngern Gesteinen (Muschelkalk bis zur Tertiärformation)
[* 24] am
Rande der Oberrheinischen Tiefebene oder in der Nähe derselben. Die Steinkohle ist nur in ganz unbedeutenden Lagern vorhanden;
kaum ansehnlicher sind die Erzgänge.
Die dem Gebirge entfließenden Gewässer gehören mit Ausnahme einiger Bäche des Südens, die zum Rhône
gehen, dem Rheingebiet an, und zwar eilen die der Westseite entströmenden zur Mosel, die auf der Ostseite zur Ill. Mehrere
Straßen führen über das Gebirge, unter denen die von Kolmar
[* 25] über Münster durch die Schlucht nach Gérardmer die
interessanteste ist. Eisenbahnen überschreiten die eigentlichen Vogesen
noch nicht, obgleich mehrere Linien auf beiden Seiten weit
in die Gebirgsthäler hinaufgehen, so auf der Westseite an den Quellflüssen der Mosel bis Bussang und Coraimont, an der Votogne
^[richtig: Vologne] bis Gérardmer, an der Meurthe bis Fraize, auf der Südseite bis Giromagny unter dem
Elsässer Belchen und an der Ostseite an der Doller bis Masmünster, an der Thur bis Wesserling unter dem
Sulzer Belchen, an der
Lauch bis Lautenbach, an der Fecht bis Münster, an der Weiß die Kaisersberger Thalbahn bis Schnierlach, bis Markirch im Leberthal
und Schirmeck im Breuschthal.
Die außerordentlich wichtige Industrie in den deutschen Thälern konzentriert sich im S. mehr auf großartige Baumwollspinnereien in Verbindung mit mechanischen Webereien, während im N. die Darstellung von kleinern Geweben (Markircher Artikel) noch vielfach dem Einzelbetrieb überlassen ist. Nur die höchsten Berge erheben sich über die Waldgrenze, die eine Meereshöhe von etwa 1300 m erreicht. Getreide [* 26] wird bis zur Höhe von 900 m gebaut; etwas höher steigt noch der Laubwald auf des Gebirge hinauf, während der Weinbau schon bei 400 m Meereshöhe aufhört und die echte Kastanie selbst vor dieser Höhe zurückbleibt.
Unter den Waldbäumen sind die Nadelhölzer [* 27] vorherrschend. Kleine Seen und Moore füllen die tiefen Kessel des Gebirges aus; unter jenen sind der Große und Kleine See am Ursprung der Weiß und der Belchensee am Sulzer Belchen; größere Seen gibt es bei Gérardmer. Zur Melioration und Versorgung der gewerblichen Etablissements ist im Thal der Doller in Alfeld bei Sewen eine Stauweiheranlage gemacht worden, mittels welcher in den wasserreichen Monaten das Wasser angesammelt und in den wasserarmen die Doller derart verstärkt werden kann, daß die an derselben gelegenen Fabriken und Wiesenkulturunternehmungen jederzeit über eine ausreichende Wassermenge verfügen.
Der Alfeldssee wurde von 1883 bis 1887 mit einem Kostenaufwand von 420,000 Mk. durch Aufführung großer Mauern hergestellt und enthält über 1 Mill. cbm Wasser. Eine weitere Stauweiheranlage (1889 beendet) ist der Altenweiher bei Metzeral im Münsterthal. An Größe und Bedeutung dem Alfeldssee fast gleichkommend, soll derselbe eine Verstärkung [* 28] und stetige Ausbeutung der Wasserkraft der Fecht ermöglichen. Auf den Höhen zu beiden Seiten des Münsterthals wird nach dem Muster der Alpenwirtschaft Viehzucht [* 29] betrieben und der berühmte Münsterkäse erzeugt. Reizend ist der Gebirgsfuß längs der Oberrheinischen Tiefebene, an den sich Hügel, meist mit Weinreben bedeckt, aus jüngern Sedimenten (Trias, Jura, Tertiärgebirge) anlehnen.
Der nördliche Teil, ganz aus Buntsandstein (Wasgaustein, Vogesensandstein), unter dem nur am Ostfuß und zwar mehr in Rheinbayern als im Elsaß ältere Gesteine (Granit, Gneis, Rotliegendes) oder auch jüngere Eruptivmassen (Porphyr, Melaphyr) entblößt sind, bestehend, ist in seinem Bau bedeutend einfacher, aber auch niedriger als der südliche Teil. Er beginnt mit dem Paß [* 30] von Zabern (380 m) oder eigentlich etwas weiter südlich an den Quellen der Saar, wo der Buntsandstein mit dem Donon (1010 m) die deutsche Grenze und Kammhöhe, und an denen der Zorn, wo derselbe auch den Ostrand des Gebirges erreicht. In dieser Grenze gegen den südlichen Teil befinden sich auch seine ansehnlichsten Höhen.
Nördlich vom Paß von Zabern gibt es im Elsaß keinen Gipfel von 600 m Höhe mehr (über die Hardt, s. d.); da aber die höchsten Punkte nahe dem durch kleine Bäche stark zerklüfteten, steilen Ostrand liegen, so tritt auf dieser Seite der Gebirgscharakter noch sehr hervor, welcher in entgegengesetzter Richtung in der Abdachung zur Platte von Lothringen, woselbst das Saargebiet sich entwickelt, mehr verschwindet. Über diesen Teil des Gebirges führen zwei Eisenbahnen, nämlich die von Straßburg [* 31] nach Paris und die von Hagenau [* 32] nach Saargemünd. [* 33] Die Straßburg-Pariser ¶
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Bahn geht durch den Paß von Zabern, durch den auch in einem Tunnel
[* 35] in der Meereshöhe von 280 m der Rhein-Marnekanal geleitet
worden ist. Nicht unbedeutende Eisenerzlager gibt es bei Niederbronn, große Waldungen, in denen Wölfe und Wildschweine noch
zahlreich vorkommen, zwischen Pfalzburg und Bitsch. Längs des Ostrandes, der zwischen Wasselnheim und Weißenburg
[* 36] bogenartig weit gegen W. zurücktritt, breitet sich auch hier, wie weiter südlich, eine angenehme Hügellandschaft aus,
die jedoch in Rheinbayern, am Fuß der Hardt, erst ihre ganzen Reize entwickelt. In dieser Hügelregion und am Fuß des Gebirges
liegen in der ganzen Ausdehnung der Vogesen
von Belfort im S. bis Dürkheim im N. schöne und wohlhabende Dörfer
und gewerbfleißige Städte, und gerade diese Gegend ist es, welche Elsaß und Rheinbayern zu den schönsten Ländern des Deutschen
Reichs zählen läßt.
Unter den Mineralwässern sind auf der deutschen Seite der Vogesen
die zu Niederbronn am wichtigsten (die zu Bad
[* 37] Sulz
bei Molsheim befinden sich bereits außerhalb des Gebirges in der Hügelregion); auf französischer Seite, am äußersten Südwestfuß,
liegt Plombières mit seinen warmen und kalten Mineralquellen, zur Römerzeit schon vielbesucht, für den Geologen interessant
durch Neubildungen von Mineralien. Die Bevölkerung
[* 38] des Gebirges gehört dem deutschen und französischen Sprachstamm
[* 39] an. Die
Sprachgrenze fällt vom Elsässer Belchen bis in die Gegend von Münster mit der Landesgrenze und Wasserscheide
zusammen; hernach geht sie auf die deutsche Seite über und läuft in krummer Linie über St. Kreuz
[* 40] im Leberthal zum Donon.
Trotz des Reichtums an landschaftlichen Schönheiten gehörten die Vogesen
zu den am wenigsten besuchten Gebirgen
Deutschlands.
[* 41] Neuerdings hat sich der Vogesenklub
im Verein mit der Forstverwaltung um die Erschließung sehr verdient gemacht
und unter anderm das Gasthaus auf dem Großen Belchen und den Aussichtsturm auf dem Katzenstein erbaut.
Vgl. die Reisehandbücher
für die Vogesen
von Schricker (Straßb. 1873), Stieve (Lahr
[* 42] 1873), v. Seydlitz (2. Aufl., Metz
[* 43] 1886), Mündel
(5. Aufl., Straßb. 1888) und Ehrenberg (das. 1888).