Nürnberger Bildhauer- und Erzgießerfamilie im 15. und 16. Jahrh., welche durch drei
Generationen im Erzguß eine umfangreiche Thätigkeit geübt und ihn in Deutschland vom Handwerk zur Kunst
erhoben hat:
1) Hermann, der ältere, kam 1453 als Rotgießergeselle nach Nürnberg und erwarb daselbst das Meisterrecht. Von seinen Arbeiten
ist nur eine, das mit Apostelfiguren geschmückte Taufbecken in der Pfarrkirche zu Wittenberg von 1457, nachweisbar.
2) Peter, der ältere, Sohn des vorigen, geboren um 1455 zu Nürnberg, wurde 1489 Meister und 1494 vom Kurfürsten
Philipp von der Pfalz nach Heidelberg berufen, kehrte aber bald wieder nach Nürnberg zurück, wo er, später von fünf Söhnen
unterstützt, vielseitig thätig war. Seine beglaubigten Hauptwerke, in deren architektonischem Aufbau noch die Formen der
Gotik neben denen der Renaissance vorkommen, während sich in den figürlichen Teilen bereits der realistische
Geist der Renaissance neben hohem Schönheitsgefühl geltend machen, sind in der Reihenfolge ihrer Entstehung: das Grabmal des
Bischofs Johannes IV. im Dom zu Breslau (1496);
das großartige, reiche Grabmal des Erzbischofs Ernst im Dom zu Magdeburg (1497);
das berühmte Grabmal des heil. Sebaldus in der Sebalduskirche zu Nürnberg (vgl. die
Figur des Apostels
Paulus auf Tafel »Bildhauerkunst VI«,
Fig. 9), welches Vischer mit Hilfe seiner Söhne von 1508 bis 1519 ausgeführt hat, seine bedeutendste
Schöpfung;
ein großes Prachtgitter, welches die Gebrüder Fugger in Augsburg bestellten, aber der Rat von Nürnberg ankaufte,
später durch Hans Vischer vollenden und 1540 im großen Saal des Rathauses zu Nürnberg aufstellen ließ (1806
abgebrochen und dann verschollen);
ein Relief mit der Krönung Mariä im Dom zu Erfurt (ein zweites Exemplar in der Schloßkirche
zu Wittenberg, 1521);
die Grabplatte für Margareta Tucherin im Dom zu Regensburg (1521, die Begegnung Christi
mit den
Schwestern des Lazarus) und für die Familie Eisen in der Ägidienkirche zu Nürnberg (1522, Grablegung Christi);
das Epitaph
für den Kardinal Albrecht von Brandenburg in der Stiftskirche zu Aschaffenburg (1525);
das Grabmal des Kurfürsten Friedrich des
Weisen in der Schloßkirche zu Wittenberg (1527);
das Epitaph der Herzogin Helene von Mecklenburg im Dom zu
Schwerin.
Außerdem werden ihm noch mit großer Wahrscheinlichkeit das Grabmal des Grafen Eitel-Friedrich II. von Zollern und seiner
Gemahlin in der Stadtkirche zu Hechingen, die Grabmäler der Grafen von Henneberg in der Kirche zu Römhild und das Standbild König
Arthurs am Grabmal Kaiser Maximilians in der Hofkirche zu Innsbruck zugeschrieben. Vischer starb hochbetagt 7. Jan. 1529. Eine
Ausgabe seiner Werke veranstaltete W. Lübke (Nürnb. 1878, 2 Bde.
mit 48 Tafeln).
3) Hermann, der jüngere, ältester Sohn des vorigen, geboren in den letzten Jahren des 15. Jahrh., arbeitete in der Werkstatt
seines Vaters, bildete sich aber auch zugleich im Zeichnen und Modellieren aus, so daß er seinem Vater
als Künstler zur Seite stehen konnte. Nachdem die Gebrüder Fugger bei seinem Vater das große Prachtgitter für ihre Grabkapelle
bestellt hatten, welches sie nach italienischen Vorbildern ausgeführt wünschten, ging Vischer 1515 nach Italien, um Studien dazu
zu machen. Ihm schreibt man im wesentlichen den Entwurf zu diesem Gitter zu. Vischer starb, noch sehr jung, 1516.
4) Peter, der jüngere, zweiter Sohn des ältern Peter Vischer, geboren in den letzten Jahren des 15. Jahrh., arbeitete in der Werkstatt
des Vaters und bildete sich daneben als Künstler aus. Er scheint viel Phantasie und Erfindungstalent gehabt,
sich auch eine gewisse klassische Bildung angeeignet zu haben. Er begleitete seinen Bruder Hermann nach Italien. In den letzten
zwölf Jahren war er die eigentliche Seele der Vischerschen Gießhütte. Von seinen selbständigen Arbeiten sind bekannt: zwei
kleine nackte Frauengestalten, eine jede neben einer Vase (Tintenfaß) stehend (in Stamnore Hill in England),
zwei Reliefs, beide Orpheus und Eurydike darstellend (im Museum zu Berlin und in Pariser Privatbesitz), eine Statuette des Apollon
als Bogenschütze, wozu sein Bruder Hans 1532 ein Postament gefertigt hat, jetzt im Germanischen Museum zu Nürnberg. Vischer starb 1528.
5) Hans, der dritte Sohn des ältern Peter Vischer, arbeitete gleichfalls in der Werkstatt seines Vaters, war
aber vorzugsweise Techniker und überwachte das Gießen, Ziselieren und Montieren der großen Werke. Nach dem Tod seines Vaters
übernahm er die Werkstatt und vollendete zunächst nach den von seinem Bruder Peter hinterlassenen Modellen und Zeichnungen
einige größere Werke, so: das Epitaph der Margareta Riedingerin (Madonna mit Kind) in der Stiftskirche
zu Aschaffenburg, das Grabdenkmal des Kurfürsten von Brandenburg, Johann Cicero, im Dom zu Berlin, einen Leuchter in der Wenzelskapelle
des Doms zu Prag, das Grabmal des Kurfürsten Johann I., des Beständigen, in der Schloßkirche zu Wittenberg. Selbständig fertigte
er das Grabmal des Bischofs Siegmund im Dom zu Merseburg u. a.
6) Jakob und Paul, die jüngsten Söhne des ältern Peter Vischer, arbeiteten als Gesellen in der Werkstatt ihres Vaters.
Vgl. R. Bergau,
Peter Vischer und seine Söhne (in Dohmes »Kunst und Künstler«, Bd. 2).
1) Friedrich Theodor (von), berühmter Ästhetiker der Hegelschen Schule, geb. 30. Juni 1807 zu
Ludwigsburg, ward, im Stift zu Tübingen
mehr
zum Theologen gebildet, 1830 Pfarrvikar in Horrheim bei Vaihingen, 1833 Repetent zu Tübingen, habilitierte sich 1836 selbst
und wurde 1837 zum außerordentlichen, 1844 zum ordentlichen Professor für Ästhetik und deutsche Litteraturgeschichte daselbst
ernannt, aber infolge seiner freimütigen Antrittsvorlesung (Tübing. 1844) sofort auf zwei Jahre suspendiert. 1848 in das
Frankfurter Parlament gewählt, hielt er sich daselbst zur Linken, ging mit dem Reste desselben auch nach
Stuttgart und folgte 1855 einem Ruf an das Polytechnikum in Zürich,
gegen Ende 1866 einem gleichen an das Polytechnikum in Stuttgart,
wo er bis 1877 wirkte. Er starb 14. Sept. 1887 in Gmunden am Traunsee. Vischer gehört (neben seinen Freunden und
Geistesverwandten Strauß, Schwegler, Zeller u. a.) zu den durch Geist und Gelehrsamkeit hervorragendsten Vertretern der Hegelschen
Schule, in deren Sinn er seine Fachwissenschaft, die Ästhetik, als Gehalts- im Gegensatz zu der innerhalb der Herbartschen Schule
durchgeführten Formästhetik bearbeitete.
Außer dem Hauptwerk: »Ästhetik, oder Wissenschaft des Schönen« (Stuttg. 1847-58, 3 Bde.),
erschienen von ihm: »Über das Erhabene und Komische« (das. 1837);
»Kritische Gänge« (Tübing. 1844, 2 Bde.; neue Folge, Stuttg.
1860-75, 6 Hefte),
eine Sammlung kleinerer, meist kritischer Abhandlungen (der 5. u. 6. Band enthält die Selbstkritik seiner
»Ästhetik«);
»Goethes Faust. Neue Beiträge zur Kritik des Gedichts« (das. 1875);
der Roman »Auch Einer; eine
Reisebekanntschaft« (das. 1878, 4. Aufl. 1889);
»Mode und Cynismus« (das. 1878, 3. Aufl. 1887);
»Altes und Neues« (das. 1881-82, 3 Hefte;
neue Folge 1889) und »Lyrische Gänge« (das. 1882, 2. Aufl. 1889).
Unter dem Pseudonym Mystifizinsky schrieb er: »Faust. Der Tragödie
dritter Teil« (Stuttg. 1862, 4. umgearb.
Aufl. 1889),
eine Satire auf den zweiten Teil des Goetheschen »Faust«;
unter dem Namen Schartenmeyer: »Der deutsche Krieg 1870/71,
ein Heldengedicht« (4. Aufl., Nördling. 1874) und anonym die beißenden »Epigramme aus Baden-Baden« (Stuttg. 1867).
Auch verschiedene,
zum Teil sehr populär gewordene satirische Gedichte werden als sein Werk bezeichnet. - Sein Sohn Robert,
geb. 22. Febr. 1847, Professor der Kunstgeschichten der technischen Hochschule zu Aachen, schrieb: »Über das optische Formgefühl«
(Stuttg. 1875);
»L. Signorelli und die italienische Renaissance« (Leipz. 1879);
»Studien zur Kunstgeschichte« (Stuttg. 1886).
Vgl. Keindl, Fr. Th. Vischer, Erinnerungsblätter (Prag 1888);
v. Günthert, Fr. Th. Vischer (Stuttg. 1888);
Frapan,
Vischer-Erinnerungen (das. 1889).
2) Wilhelm, schweizer. Philolog und Historiker, geb. 30. Mai 1808 zu Basel,
empfing seine Vorbildung im Fellenbergschen Institut in Hofwyl,
studierte 1825-32 Philologie und Geschichte an den Universitäten Basel,
Gens, Bonn, Jena und Berlin, wurde 1832 Lehrer am Pädagogium in
Basel
und 1835 außerordentlicher Professor der griechischen Sprache und Litteratur an der Universität daselbst
und machte 1852-53 eine Reise nach Italien, Sizilien und Griechenland und 1862 eine zweite nach Griechenland und Kleinasien. Seit 1834 auch
Mitglied des Großen Rats, wurde er 1867 in die Regierung gewählt, wo er als Präsident des Erziehungskollegiums das
Erziehungswesen leitete, trat aber 1873 wegen Krankheit zurück und starb 5. Juli 1874. Er schrieb: »Erinnerungen und Eindrücke
aus Griechenland« (Basel
1857),
»Geschichte der Universität Basel"
(das. 1860) und zahlreiche wertvolle Aufsätze historischen, archäologischen
und epigraphischen Inhalts,
die mit Vischers Lebensabriß von Gonzenbach als »Kleine Schriften« von Gelzer und A.
Burckhardt gesammelt herausgegeben wurden (Leipz. 1877-78, 2 Bde.).
Wilhelm, schweizer. Historiker, Sohn des gleichnamigen Baseler Philologen, geb. 4. Aug. 1833 zu Basel,
studierte daselbst
sowie in Bonn, Berlin und Göttingen Philologie und Geschichte, wurde 1856 Lehrer am Pädagogium und Privatdozent an der Universität
seiner Vaterstadt, 1862 Dozent der Geschichte in Göttingen, 1866 Oberbibliothekar und außerordentlicher Professor der Geschichte
in Basel,
mehr
1874 ordentlicher Professor und 1877 Rektor der Universität. Seit 1874 Mitglied des Großen Rates und Kirchenrats, beteiligte
er sich als Präsident des Eidgenössischen Vereins lebhaft an der Politik seines engern und weitern Vaterlandes in konservativem
Sinn. Er starb 30. März 1886. Seine bedeutendsten Schriften sind: »Geschichte des Schwäbischen Städtebundes der
Jahre 1376-89« (»Forschungen zur deutschen Geschichte«, Bd. 2 u.
3, Götting. 1862);
»Die Sage von der Befreiung der Waldstätte nach ihrer allmählichen Ausbildung untersucht« (Leipz. 1867);
»Basler Chroniken«, herausgegeben von der Historischen Gesellschaft in Basel
(das. 1872 ff., Bd.
1-3);
»Das Urnerspiel von Wilhelm Tell« (Basel
1874);
»Erasmiana« (das. 1876);
»Über die Grenzen des historischen Wissens« (»Preußische Jahrbücher«, 1877, Bd. 46).
Außerdem schrieb er zahlreiche Baseler
Neujahrsblätter und Aufsätze in den »Basler Beiträgen zur vaterländischen Geschichte«
sowie Artikel in die »Allgemeine deutsche Biographie«.
August, Historien- u. Genremaler, geboren 1822 zu Angelbach in der badischen
Pfalz, wurde im Lyceum und im Polytechnikum zu Karlsruhe unterrichtet, bestimmte sich anfangs zum Lithographen und brachte
als solcher Raffaels Spasimo di Sicilia und das Abendmahl Leonardo da Vincis. Dann ging er nach München,
studierte dort kurze Zeit unter Cornelius und Schnorr und bald nachher (1847), angeregt durch die Bilder von Gallait und Bièfve,
auf die Akademie in Antwerpen, wo er unter Wappers und nachher unter dem Genremaler de Block sich ausbildete. Nachdem er wider
seinen Willen 1849 am badischen Aufstand teilgenommen, ließ er sich in München nieder, wo seine Genre-
und noch mehr seine Historienbilder sehr bald Beifall fanden, z. B.: Freischaren aus dem
badischen Aufstand, denen die Nachricht von einer Niederlage gemeldet wird, Diane von Poitiers vor Franz I., das entschieden
mehr
historische Bild: Coligny von den Spaniern in St. Quentin überrascht und die noch bedeutendere Gefangennehmung des
Oldenbarneveld. Nachdem er dann wieder einige Genrebilder gebracht und sich 1853 und 1854 in Paris aufgehalten hatte, erschien
seine trefflich komponierte Gefangennehmung Franz' I. nach der Schlacht bei Pavia, der wieder mehrere Genrebilder verschiedenen
Inhalts folgten. Zum badischen Hofmaler ernannt, vollendete er 1864 eins seiner Hauptbilder: Berthold von Zähringen schlägt
die Mailänder an der Adda (Museum in Karlsruhe), ausgezeichnet durch Reichtum der Erfindung, treffliche Charakteristik und
meisterhafte Verteilung des Lichts. Dann folgten zwei minder bedeutende Wandbilder im bayrischen Nationalmuseum und 1875 noch
die Erstürmung Roms durch die Deutschen. Unter seinen übrigen Genrebildern sind noch zu erwähnen: der
kleine Pistolenschütze, der Kürassier auf Urlaub, die Alpenrose, der politisierende Schuster und der Kirchweihtanz. 1870 wurde
er Professor am Polytechnikum in Karlsruhe.