Virgilius
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Dichter, s. Vergilius.
Virgilius
4 Wörter, 34 Zeichen
Virgilius,
Dichter, s. Vergilius.
(Virgilius), Publius, mit dem Familiennamen Maro, berühmter röm. Dichter, geb. 15. Okt. 70 v. Chr. zu Andes bei Mantua, [* 3] wo sein Vater ein kleines Landgut besaß, erhielt die erste Bildung in Cremona und Mailand [* 4] und ging dann zum Behuf rhetorischer und philosophischer Studien nach Rom. [* 5] Durch schwache Gesundheit und Schüchternheit an politischer und sachwalterischer Thätigkeit verhindert, kehrte er nach Andes zurück und widmete sich der Verwaltung des Gutes und dem Studium der griechischen Dichter.
Die Ackerverteilungen Oktavians an seine Veteranen vertrieben ihn 40 von seinem Gute; doch erhielt er ein andres zur Entschädigung durch die Fürsprache des Mäcenas, dem er von Asinius Pollio empfohlen worden war. Dieser hatte ihn 43 als Verwalter der Gallia transpadana kennen gelernt und ihm die erste Anregung zu seinen Eklogen gegeben, durch die er seinen Dichterruf begründete. Durch die Freigebigkeit hoher Freunde, namentlich des Oktavian und Mäcenas, in die Lage versetzt, sich ungestört seinen Studien widmen zu können, lebte er abwechselnd in Rom, auf seinem Landgut bei Nola, meist jedoch seiner schwachen Gesundheit wegen in Neapel. [* 6]
Hier vollendete er 30 v. Chr. nach siebenjähriger Arbeit seine Mäcenas gewidmeten »Georgica«, um sofort das dem Oktavian schon früher versprochene Epos, die »Aeneis«, zu beginnen. Nach elfjähriger ununterbrochener Arbeit reiste er nach Griechenland, [* 7] in der Absicht, dort seinem Werk die letzte Feile [* 8] zu geben; in Athen [* 9] traf er mit Oktavian zusammen, der ihn mit Rücksicht auf seine zunehmende Kränklichkeit zur gemeinsamen Rückkehr bewog. Noch auf der Reise starb er 21. Sept. 19 in Brundusium. Seinem Wunsch gemäß wurde er bei Neapel, an der Straße von Puteoli, beerdigt, wo man noch jetzt sein vermeintliches Grab am Eingang des Posilipo zeigt. Als Mensch zeichnete sich Vergilius durch harmlosen, kindlichen Sinn aus. Stille, keusche Würde und milder Ernst sind über seine Dichtungen verbreitet; am meisten gelangen ihm idyllische Schilderungen. Er ist kein ¶
dichterisches Genie, höchstens ein Talent, welches zu dem, was es erreicht hat, nur durch angestrengte Arbeit gelangt ist. Daher sind seine Arbeiten mehr durch Sorgfalt, Korrektheit und Eleganz in Komposition, Sprache [* 11] und Versbau als durch schöpferische Kraft, [* 12] Frische, Anschaulichkeit und Lebendigkeit ausgezeichnet. Seine Hauptwerke sind:
1) die »Eclogae«, zehn bukolische Gedichte, Nachahmungen der Idylle Theokrits, aber ohne die Natürlichkeit derselben, da die Schilderungen des Land- und Hirtenlebens vollständig durchsetzt sind mit Beziehungen auf Zeitverhältnisse, eigne Schicksale und angesehene Personen, denen sich der Dichter durch diese Huldigung empfehlen oder dankbar beweisen wollte (Ausgabe mit Übersetzung und Erklärung von J. H. Voß, Altona [* 13] 1797; 2. Aufl. 1830, 2 Bde.; Glaser, Halle [* 14] 1876);
2) die »Georgica«, ein didaktisches Gedicht in vier Büchern, den Ackerbau, die Baum-, Vieh- und Bienenzucht [* 15] behandelnd, durch Sachkenntnis, Reinheit und Wohllaut der Sprache und des Versbaues das vollendetste Erzeugnis der römischen Kunstpoesie (hrsg. von J. H. Voß, mit deutscher Übersetzung, Altona 1800, 2 Bde.; von Glaser, Halle 1872);
3) die »Aeneïs«, ein Epos in 12 Büchern, nach des Dichters Tod von seinen Freunden Varius und Tucca, denen er es unter der Bedingung, nichts davon zu veröffentlichen, vermacht hatte, auf Augustus' Befehl redigiert und herausgegeben, an künstlerischer Vollendung und Originalität weit hinter den »Georgica« zurückstehend, aber von den Römern als Nationalepos betrachtet und den Homerischen Dichtungen gleichgestellt (hrsg. von Thiel, Berl. 1834-38, 2 Bde.; Peerlkamp, Leid. 1843, 2 Bde.; Goßrau, 2. Aufl., Quedlinb. 1875). Außerdem werden ihm die kleinern Gedichte: »Culex«, »Ciris«, »Dirae«, »Copa«, »Moretum« und die »Catalecta«, eine Sammlung in 14 Gedichten in iambischem und elegischem Versmaß, zugeschrieben, von denen jedenfalls aber nur der kleinste Teil dem Vergilius zugehört (außer in den Ausgaben des Vergilius hrsg. von Bährens, »Poetae latini minores«, Bd. 2, Leipz. 1880). Trotz manches schon im Altertum erhobenen Tadels ist Vergilius zu allen Zeiten der gelesenste, bewundertste und populärste Dichter seines Volkes geblieben, und kein andrer Schriftsteller hat einen solchen Einfluß auf die weitere Entwickelung der römischen Litteratur und Sprache gehabt.
Wie bei den Griechen Homers Gedichte, so wurden seine Werke, besonders die »Aeneis«, bis in die spätesten Zeiten zum Schulunterricht und als Grundlage der Schulgrammatik benutzt, von den Dichtern nachgeahmt, später sogar zur Herstellung neuer Gedichte verschiedensten Inhalts aus einzelnen Versen und Versteilen (sogen. Centonen, s. Cento) verwertet und von den berühmtesten Gelehrten zum Gegenstand sprachlicher u. sachlicher Studien gemacht. Reste dieser gelehrten Thätigkeit haben sich in verschiedenen Scholiensammlungen erhalten, namentlich in dem reichhaltigen Kommentar des Servius (s. d.). Wie großes Ansehen Vergilius im Mittelalter genoß, wo ihn der Volksglaube zu einem Zauberer machte (s. den folgenden Artikel), beweist auch, daß ihn Dante in seiner »Göttlichen Komödie« zum Führer in der Unterwelt nimmt.
Auch Tasso und Camoens schließen sich an an, und bei den Franzosen war der Begriff des Epos der des Vergilischen. Von den Gesamtausgaben sind außer der Editio princeps (Rom 1469) hervorzuheben: die von Heyne (Leipz. 1767-1775, 4 Bde.; 3. Aufl. 1798-1800, 5 Bde.; 4. Aufl. von Wagner, das. 1830-41, 5 Bde.), Forbiger (4. Aufl., das. 1872-75, 3 Bde.) und Ribbeck (das. 1859 bis 1868, 5 Bde., kritische Hauptausgabe);
von den Prachtausgaben: die mit italienischer, spanischer, französischer, englischer und deutscher Übersetzung (Lond. 1826) und der Prachtabdruck der Heyne-Wagnerschen Ausgabe mit 200 Kupfern und Vignetten sowie die »Fünfzig Bilder zur Äneïde« mit französischer und deutscher Erklärung von Frommel (Karlsr. 1830);
von den Hand- und Schulausgaben: die von Jahn (4. Aufl., Leipz. 1850), Wagner (3. Aufl., das. 1861), Ladewig-Schaper (Berl., 3 Bde., zum Teil schon 10. Aufl.), Haupt (neue Ausg., Leipz. 1873, seitdem einzelnes schon in 9. Aufl.), Kappes (das., zum Teil schon 4. Aufl.).
Eine klassische Übersetzung sämtlicher Gedichte lieferte J. H. Voß (2. Aufl., Braunschw. 1821, 3 Bde.); daneben sind die von Binder (Stuttg. 1869 ff., 3 Bde.) und von Osiander und Hertzberg (das. 1869) hervorzuheben.
Vgl. Lersch, Antiquitates Virgilianae (Bonn [* 16] 1843);
Tissot, Études sur Virgile (2. Aufl., Par. 1841, 2 Bde.);
Sainte-Beuve, Étude sur Virgile (2. Aufl., das. 1870);
Wedewer, Homer, Virgil, Tasso (Münst. 1843);
Sellar, The Roman poets of the Augustan age.
Virgil (Lond. 1877); Plüß, Vergil und die epische Kunst (Leipz. 1884).