Violon
s. v. w. Violine;
irrigerweise wird die Bezeichnung Violon
auch für
Violone (s. d.) oder
den heutigen
Kontrabaß gebraucht.
Violon
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Violon
s. v. w. Violine;
irrigerweise wird die Bezeichnung Violon
auch für
Violone (s. d.) oder
den heutigen
Kontrabaß gebraucht.
(ital. Violino, franz. Violon), das jetzt über die ganze Welt verbreitete Streichinstrument, das mit seinen in größern Proportionen ihm nachgebildeten Verwandten in tieferer Lage (Bratsche, Cello, Kontrabaß) alle andern Streichinstrumente völlig verdrängt hat, ist ein verhältnismäßig noch junges Instrument, anderseits freilich, wenn man die Epoche der höchsten Vollendung seines Baues in Betracht zieht, älter als irgend eins unsrer gebräuchlichen Musikinstrumente.
Der Violinbau erreichte zu Anfang des 18. Jahrh. die höchste Vollkommenheit; alle Versuche, die Meisterleistungen der Cremoneser Violinbauer zu überbieten, sind absolut erfolglos geblieben, während die übrigen Orchesterinstrumente sowie auch das Klavier und die Orgel seitdem sich immer mehr vervollkommt haben. Über die Entwickelung der Violine aus der ältern Viola, von der sie ursprünglich eine kleinere Art sein sollte, vgl. Streichinstrumente und Viola; über die Konstruktion der modernen Streichinstrumente s. Geige.
Von einem Erfinder der Violine kann nicht die Rede sein; die Umwandlung der Viola zur Violine ging etwa 1480 bis 1530 durchaus allmählich vor sich. Die Erfahrung lehrte, eine kleine Abänderung nach der andern festzuhalten; allerdings aber wird es wohl eine Kette von Lehrern und Schülern, eine wirkliche Schule gewesen sein, welche eine so konstant fortschreitende Vervollkommnung ermöglichte. Daß ein solches Weitergeben der Erfahrungen der Violinbauer wirklich statthatte, dafür bürgt nicht nur die durch mehrere Generationen fortlaufende Thätigkeit der Amati (s. d.), an welche sich mit Andreas Guarneri, Schüler Nicola Amatis, die durch drei Generationen gehende Familie Guarneri und Antonio Stradivari anschließen, sondern überhaupt die Beschränkung des Geigenbaues in der Zeit dieser Entwickelung auf einen verhältnismäßig kleinen Bezirk (Tirol [* 3] und Oberitalien). [* 4]
Die Violine ist, wie ihre Verwandten, mit vier Saiten bezogen; diese Zahl hat sich im Lauf der Jahrhunderte nach allerlei Versuchen mit weniger und mehr Saiten als die bestgewählte herausgestellt, da sie bei mäßiger Wölbung des Stegs ein bequemes Spiel jeder einzelnen Saite gestattet. Die Saiten sind gestimmt in: ^[img] und zählen, wie die der übrigen Streichinstrumente, von der Höhe nach der Tiefe, weil die höchste die dem Bogen [* 5] nächst erreichbare ist. Die 1. Saite heißt bei den Musikern die »Quinte« oder Chantarelle (Sangsaite); die 4. (G-) Saite ist übersponnen.
Notiert wird für die Violine im G-Schlüssel (Violinschlüssel). Der Umfang des Instruments reicht in der Höhe fürs Orchesterspiel bis c4 oder ein paar Halbtöne höher, im Flageolett aber leicht bis a4. Die Violine ist ihrer Natur nach ein Instrument für einstimmiges Spiel; die Reduktion der Saiten der alten Violen und Lyren bedeutete einen Verzicht auf das Akkordspiel, doch ist dasselbe innerhalb gewisser Grenzen [* 6] noch immer möglich. Akkorde, aus Quinten, Quarten und Sexten zusammengesetzt, sind ziemlich leicht spielbar, vorausgesetzt, daß man nicht zu schnellen Wechsel solcher Akkorde verlangt; eine große Zahl von Akkorden wird durch Benutzung einer oder mehrerer leerer Saiten leicht. Es versteht sich von selbst, daß man unterhalb d1 von der Violine keine Doppelgriffe verlangen kann, da nur eine Saite tiefer gestimmt ist.
Der Klang der 3. und 4. Saite der Violine hat etwas dem Timbre der Altstimme Verwandtes, besonders in höhern Lagen. Außer dem gewöhnlichen vollen Ton sind der Violine noch besondere Klänge abzugewinnen 1) durch Berührung von Knotenpunkten harmonischer Obertöne, [* 7] das sogen. Flageolett (s. d.);
2) durch Anreißen mit dem Finger statt Streichen, das Pizzicato (s. d.), im modernen Symphonieorchester der einzige Ersatz für die einst so zahlreich vertretenen Instrumente mit gekniffenen Saiten (Laute, Theorben etc.). Veränderungen der Klangfarbe ergibt das Spiel ganz dicht am Steg (sul ponticello), welches die Töne hart und pfeifend, und das Gegenteil, das Spiel mehr nach dem Griffbrett hin (flautando, flautato), das die Töne weich und flötend macht. Einen ganz eigenartigen Klangeffekt ergibt auch das Aufsetzen der Dämpfer [* 8] (s. d.) auf den Steg. Zu den Spielereien von zweifelhaftem Wert gehört das Klopfen mit der Rückseite des Bogens auf die Saiten (col legno). Über die verschiedenen Stricharten vgl. Bogenführung.
Mit Recht nimmt die Violine unter allen Instrumenten eine Ausnahmestellung ein und wird heutigestags nur vom Klavier an allgemeiner Verbreitung und Beliebtheit übertroffen. Die Violinlitteratur ist eine außerordentlich reiche, und eine große Zahl hochbedeutender Virtuosen haben ihre Zeitgenossen durch die meisterliche Behandlung des seelenvollsten aller Instrumente entzückt, die zum Teil zugleich ¶
achtenswerte Komponisten für dasselbe waren;
es seien nur die hervorragendsten genannt: (17. Jahrh.) Bassani, Biber;
(17.-18. Jahrh.) Corelli, Matteis, Vivaldi, Strungk, Volumier, Baptiste, Birckenstock;
(18. Jahrh.) Aubert, Babbi, Franz Benda, Berthaume, Brunetti, Cannabich, Castrucci, Treu, I. ^[Ignatz] Fränzl, Festing, Fiorillo, Gaviniès, Geminiani, Giardini, Leclair, Linley, Locatelli, Lolli, Mestrino, Nardini, Pisendel, Pugnani, Somis, Joh. Karl und Karl Stamitz, Tartini, Tessarino, Torelli, Töschi, Veracini;
(18-19. Jahrh.) Campagnoli, Cartier, F. Fränzl, Rolla, Täglichsbeck, Viotti;
(19. Jahrh.) Adelburg, Artôt, Baillot, de Bériot, Böhm, Ole Bull, David, Ernst Rudolf und August Kreutzer, Lafont, Laub, Lipinski, Maurer, Mayseder, Mazas, Meerts, Molique, Paganini, Polledro, Prume, Rode, Sainton, Saloman, Sauzay, Schuppanzigh, Spohr, Strauß, [* 10] Vieuxtemps, Wieniawski;
Zeitgenossen: Alard, Auer, Dancla, Joachim, Lauterbach, Léonard, Rappoldi, Remenyi, Sarasate, Ysaya, Sauret, Singer, Sivori, Wilhelmj etc. -
Ausgezeichnete Violinschulen sind: die »Méthode« des Pariser Konservatoriums (Kreutzer, Rode und Baillot) und die Schulen von Baillot, Spohr, Alard, David, Dancla, Singer-Seifriz;
die ältesten die von Geminiani und Leopold Mozart.
Die Zahl der ausgezeichneten Studienwerke ist sehr groß; besonders seien genannt Tartinis »Arte dell arco«, Davids »Hohe Schule des Violinspiels« (Auswahl klassischer Violinwerke).
Vgl. (außer der Litteratur bei Art. Geige) v. Wasielewski, Die Violine und ihre Meister (2. Aufl., Leipz. 1883);
Derselbe, Die Violine im 17. Jahrhundert (Bonn [* 11] 1874);
Niederheitmann, Cremona, Charakteristik der italienischen Geigenbauer (Leipz. 1877);
Tottmann, Führer durch den Violinunterricht (2. Aufl., das. 1877);
Dworzak v. Walden, Il Violino, analisi del suo meccanismo (Neap. 1888, 3 Bde.).