Kantons Uri,
ist von hohen, schroff in den See abfallenden Felswänden, die am Axenberg merkwürdige Schichtenbeugungen zeigen und wenig
Landungsplätze offen lassen, umgeben. Hier drohen plötzliche und heftige Stürme. Der Urner See verengert sich im N. bis
auf 900 m und geht hier in den GersauerSee über, zwischen den Kantonen Schwyz
und Unterwalden. Zwei Felszungen, die »Nasen«,
trennen ihn vom WäggiserSee, der mit dem Kreuztrichter in die drei letzten Golfe überleitet.
Nach NO. geht der KüßnachterSee, am Fuß des Rigi, nach SW. der durch einen bloß 300 m breiten Hals fast ganz abgeschlossene
AlpnacherSee und nach NW. der LuzernerSee, welcher mit dem Ausfluß
[* 5] der Reuß
[* 6] endet. Von den beiden »Nasen«
an wird das nördliche Ufer anmutiger, das südliche dagegen in dem steil abgerissenen Bürgenstock rauher. Einen malerischen
Hintergrund bilden die zackigen Felsenhörner des Pilatus, die Pyramiden des Stanser und BuochserHorns, der Bauenstöcke und der
Rigi.
Gegen Luzern
hin verflachen sich die Ufer zu Hügeln, die mit Landhäusern, Dörfern und Obstbäumen besetzt sind. Die größte Tiefe
des Sees beträgt 205 m, der mittlere Wasserspiegel liegt 437 m ü. M. Die Länge beträgt 37,2 km, das Areal 113 qkm. Größere
Zuflüsse sind: die Reuß, Muota, EngelbergerAa und Sarner Aa. Die einzige Insel, welche im See liegt, ist
Altstad, zwischen dem Luzerner und KüßnachterSee. Von Fischen finden sich im V. namentlich Lachse, Forellen, Welse, Ballen und
Röteln. Da der See ein Stück der Gotthardroute bildet, so ist der Verkehr auf demselben sehr belebt.
Außer gewöhnlichen Segel- und Ruderschiffen (»Nauen«) wird derselbe von 14 Dampfschiffen befahren, darunter
hübsche Salondampfer. Die Gotthardbahn erreicht den See bei Brunnen
[* 7] und begleitet das Ostufer des UrnerSees bis Flüelen. Besonders
interessant ist der Vierwaldstätter durch seine sagenhaften Erinnerungen (Rütli, Tellsplatte, Tellskapelle, Küßnacht), welche Schiller in
seinem »Tell« verewigt hat. Oberhalb der Treib ragt aus dem Vierwaldstätter der Mythenstein hervor, eine Felsklippe,
an welcher (1859) »dem SängerTells die dankbaren Urkantone« ein Denkmal errichtet haben.
Vgl. Hardmeyer, Der Vierwaldstätter (Zürich
[* 8] 1884);
In seiner Beschreibung des Lucerner- oder Vierwaldstättersees sagt Joh. Leop. Cysat 1661, dieser See werde in der Stiftungsurkunde
der Propstei zu Luzernmagnus lacus, der grosseSee genannt. Als Volksnamen wird diese Bezeichnung aber nie gebraucht worden sein.
Während man vor der Bildung der Vierwaldstätte nur die Namen «am See» und «Luzernersee» kannte, waren
später die Ausdrücke «See», «Vierwaldstättersee» und «Luzernersee»
gebräuchlich.
Der See liegt zwischen 47° 5' (Küssnach) und 46° 53½' NBr. (Flüelen) und zwischen 8° 18' (Alpnachstad) und 8° 36' OL.
von Greenwich (Flüelen). Die Höhe des Seespiegels über Meer beträgt 436,9 m.
2. Topographie und Morphologie.
Der Vierwaldstättersee gehört wohl zu den kompliziertesten Gebilden der schweizerischen Alpenseen. Wer zum erstenmal an
einem schönen Sommertag die Fahrt von Luzern
nach Flüelen zurücklegt, wird vor staunender Bewunderung sich kaum Rechenschaft zu
geben vermögen von der Mannigfaltigkeit der Landschaftsbilder, die im bunten Wechsel sich folgen. Für
die Schilderung teilen wir den See in folgende
¶
In beinahe reiner S.-N.-Richtung durchschneidet der Urnersee die Kreidekalkketten als ein durch die reissenden Wasser der Reuss
ausgewaschenes prächtiges Querthal. Seine Länge von Seedorf bis Brunnen misst 11,5 km, seine grösste breite bei
Bauen 2,6 km. Das Querprofil zeigt fast überall steilabfallende Ufer, welche in einer Linie bis zu der Tiefe von 200 m sich
niedersenken. Und über dem Wasserspiegel steigen die Felswände in mächtigem Schwung und den groteskesten Gestalten zu 100 und
mehr Meter empor.
Niederstürzende Wildwasser, das ewige Spiel der Wellen vom sanften Geplänkel der regelmässig sich
einstellenden Bise bis zum wutschnaubenden Wogengepeitsch des Föhn, die unaufhörliche Arbeit der Verwitterung in Verbindung
mit dem reichen Wechsel der Gesteinsbeschaffenheit alles hat zusammengewirkt an dem Herausmodellieren von hunderten verborgener
Nischen, von malerischen Felsköpfen und phantastischen Uferformen. Dazu kommt noch die Pflanzenwelt mit all
ihren Pionieren. Da haben sich an unzugänglichen Stellen Rottanne und Föhre zu reizenden Gruppen zusammengefunden, oder
sie bilden mit Buche und Esche stattliche Wäldchen, in deren Schatten die Erdscheibe (Cyclaminus europaea) ihre duftenden
Blüten entfaltet.
Die Fahrt von Brunnen bis Flüelen zeigt in instruktiver Weise das Querprofil der beiden Ufer und deren
vollständige Uebereinstimmung. Unmittelbar nach der Abfahrt von Brunnen beobachtet man das flache Gewölbe, auf welchem Axenstein
steht. Das weisse Band des Schrattenkalkes markiert das Gewölbe ganz vortrefflich. Auf dem korrespondierenden Teil des linken
Ufers liegt Seelisberg. Unter dem Schrattenkalk erscheint Neokom und Valangien. Das Rütli liegt auf diesem
leicht verwitterbaren Gesteine.
Eine liegende Mulde trennt das Axensteingewölbe vom Frohnalpgewölbe. Diese Mulde mit den geknickten Schrattenkalkfelsen
tritt beim Oelberg am östl. Ufer sowie an der linken Seite zwischen Rütli und Bauen in deutlichster Weise zu Tage. Sisikon
und die Mündung des Kohlthales bei Bauen bezeichnen die Riemenstalden-Pragelmulde, die dann in der Nähe
der Tellsplatte und gegenüber bei Isleten gewölbeartig eingefaltet ist. Mächtig kompliziert ist die Faltung und Fältelung
der Neokom-Valangienschichten, welche z. B. an der Axenstrasse uns entgegentreten.
Das Gruonthal rechts und der Bolzbach links
machen uns dann mit der Eozänmulde bekannt, welche in breiter Ausdehnung den Boden
von Flüelen und Altdorf bildet. Von den Alluvionen nimmt hauptsächlich die Reuss durch ihr stattliches
Delta die erste Stelle ein. Auf der linken Seite haben Bolzbach, Isenthalerbach und Bauenbach, auf der rechten Gruonbach und Sisikonerbach
stattliche Schuttkegel abgelagert, welche als Delta immer weiter in den See hinauswachsen.
b) Das Gersauerbecken.
In scharfem Knie und durch das grosse Delta der Muota eingeengt, wendet sich bei Brunnender See nach W. und bildet die breite
Fläche des Gersauerbeckens, welches im W. durch den Bürgenberg seinen Abschluss findet. Seine bedeutende Länge von 14 km
und die beträchtliche Breite (3 km bei Forst-Rütenen), sowie der Uebergang des Steilufers in das flache
Gelände von Beckenried und Buochs fügen dem Charakter des Grossartigen und Erhabenen, wie wir ihn im Urnersee getroffen, auch
einen Zug
des Stillen und Lieblichen bei.
Von Brunnen bis Gersau-Rieselten ist der See noch eingeengt in die Steilufer, welche einerseits als Urgon-Schichtenflächen
vom Gersauerstock in den See niederfallen, andrerseits von den abgebrochenen Schichtenköpfen des Seelisberggewölbes
(Zingelberg, Stutzberg) sich niedersenken. Busch und Waldvegetation schmücken das steile rechte Ufer. Aus dem schmucken Tannengrün
grüsst die weisse Kapelle von Kindlismord. Ihr gegenüber lachen grüne Wiesen über den Felsentreppen der Schrattenkalkbänder.
Zwischen Gersauer- und Vitznauerstock ist eine tiefe Erosionsrinne ausgeschnitten. Aus ihr heraus hat der
Gersauerbach den mächtigen Schuttkegel aufgebaut, auf welchem das Dorf Gersau steht. Von hier bis an die Obere Nase ist das
Ufer wieder wildzerrissen. Eine würdige Wiederholung der Axenstrasse bildet die Strasse von Gersau nach Vitznau. Nur leuchten
uns gegenüber nicht die Schneefelder eines Urirotstockes, sondern hinter den grünen Wiesen von Beckenried
schauen die Kalkfelsen des Schwalmis und Brisen herunter, und über dem flach geneigten Gelände von Buochs türmt sich die
stolze Pyramide des Buochserhorns, ein Jurablock mitten im Kreidegebirge. Besonders das linke Ufer ist von einer Menge grösserer
und kleinerer Bäche bearbeitet. So hat der Kohlthalbach bei Rieselten eine tiefe Schlucht ausgefressen.
Lielibach, Trätschlibach und Bettlerbach haben schon mehr als einmal die Bevölkerung von Beckenried in Angst und Schrecken
erhalten. Die Schuttkegel geben Zeugnis ihrer Arbeit. Von Stans bis Buochs dehnt sich
¶
die grosse Alluvialebene der EngelbergerAa aus. Ihren Abschluss findet sie durch das Delta in Buochs, welches seit einigen
Jahren Sand für die vielen Neubauten in Luzern
etc. liefert.
Das Längenprofil des Gersauerbeckens zeigt zwei Barren: die eine bei der Muota, die andere bei Kindlismord. Erstere, glazialen
Ursprungs, erhebt sich bis 92 m, letztere bis 87 m unter die Seeoberfläche. Dadurch wird vom Hauptbecken
ein kleineres, das Becken von Folligen, abgeschnitten. Die grösste Tiefe, zwischen Gersau und Beckenried, ist mit 214 m angegeben.
Gersauer- und Urnersee bilden jeder für sich ein abgeschlossenes Landschaftsbild. Was beim letztern das scharfe Knie
zustande bringt, das vermag beim Gersauerbecken der enge Zusammenschluss des Bürgenstockes an den Vitznauerstock; beträgt
doch die Entfernung der beiden «Nasen» bloss etwa 800 m. An dieser Stelle erhebt sich ein neuer Querwall bis 33 m unter den
Seespiegel und trennt auch im Längsprofil das weitere Becken ab.
c) Das Weggiserbecken.
Obwohl der Bürgen in beinahe senkrechtem Schwung 700 m hoch über den Seespiegel emporsteigt und sich der nördl. flankierende
Rigi in raschen Stufen bis zur Höhe von 1800 m üb. M. erhebt, erscheint das Weggiserbecken doch viel offener und weiter als
das Gersauerbecken. Die westl. Grenze ist eben nur durch die vorspringende «Zinne», einen Sporn des Rigistockes
markiert. Seine Längsaxe geht wie diejenige des Gersauerbeckens von O. nach W. und misst etwa 6,5 km. Seine grösste Breite
(Weggis-Obermatt) beträgt 3,3 km. In geschützter Bucht unter dem weissglänzenden Kopf des Vitznauerstockes liegt Vitznau.
Hier stossen die Gebilde zweier verschiedener geologischen Epochen aneinander: die Molasseschichten und
die Kreidefelsen. Zwischen beiden liegen die Eozänschichten des Felmis. Unmittelbar unter dem Vitznauerstock breitet sich
eine grosse Schutthalde aus, die dem Dorfbach das Material zu dem Schuttkegel geliefert hat, auf welchem Vitznau erbaut ist.
Noch mehrere solcher Buchten folgen sich auf dem rechten Ufer, alle durch den Rigi vor dem scharfen N.-Wind
geschützt. In solchen Buchten liegen Lützelau, Weggis und Hertenstein. Bei Lützelau beobachtet man noch das Trümmerfeld des
Bergsturzes von 1659, welcher den berühmten alten Kurort zerstört hat, während auf dem Schlammstrom, welcher Weggis heimsuchte,
schon längst die wohl gepflegten Gemüsegärten grünen und gedeihen.
Haben wir die Station Hertenstein hinter uns, so erreichen wir den Kreuztrichter, d. h. denjenigen Teil des Sees, wo die vier
Arme des Weggiser-, Küssnacher-, Luzerner- und Hergiswilerbeckens zusammenfliessen. Das Profil des «Trichters» von N. nach
S. weist einen Wall in der Nähe der «Zinne» und einen kleinen andern in der Mitte auf. Ersterer steigt
bis 8 m unter die Oberfläche.
e) Der Küssnachersee
erstreckt sich nach NO. in der Streichrichtung der Molasseschichten. Von der Linie Ziegelhütte-Meggeninsel bis Küssnach
misst die Länge etwa 7 km. Die grösste Breite beträgt an der Basis 2 km. Bei Greppen erhebt sich eine
Barre bis 43 m unter die Oberfläche. Die grösste Tiefe auf der Linie Seeacker-Elbbühl beträgt 73 m. Von der «Zinne» an
seeaufwärts ist das rechte Ufer noch steil abfallend. Bald aber nimmt der See eine flachere Muldenform an. Damit stimmt auch
das begleitende Gelände überein. Der Gebirgscharakter ist zurückgeblieben, und an seine Stelle sind
die fruchtbaren Wiesen und
Obstgärten des Hügellandes getreten. Wer den Blütenschmuck der Obstbäume geniessen will, der
mache im Mai eine Fahrt nach dem lieblichen Flecken Küssnach. In diesem Seeteil befindet sich auch eine kleine Insel, diejenige
von Altstad. Hier sind ferner die einzigen Funde aus der Pfahlbauzeit gemacht worden.
f) Der Luzernersee.
In nordwestl. Richtung und an der breitesten Stelle 1,5 km messend, erstreckt sich diese Abflussrinne als Querthal durch
die Molasseschichten. Die Linie Seeburg-Tribschen teilt das Becken in einen flachen, seichten untern («Rade») und einen tiefern,
allmählig bis 100 m abfallenden obern Teil. Da weiche und harte Sandsteinschichten miteinander und mit
Nagelfluh wechsellagern, sind die Uferlinien dieses Beckens wieder reich an stillen Buchten, wo das Wasser an baumbekränzten
Felsen plätschert und wo Laichkräuter und Seerosen ihre Blüten entfalten.
Auch eine kleine Insel (gegenüber dem alten Brünigbahnhof in Luzern)
gibt dem flachen linken Alluvialufer einen
besondern Reiz. Nicht umsonst sind diese Ufer von Meggenhorn bis Seeburg und von St. Niklausen bis Tribschen von zahlreichen
herrschaftlichen Villen besetzt. Die Strecke Seeburg-Rebstock ist insofern von besonderm geologischen Interesse, als vom See
aus sehr deutlich die Mulde zwischen den beiden Molassegewölben beobachtet werden kann. Zwei Wildwasser
haben dem See ein bedeutendes Terrain weggenommen: der Würzenbach durch ein stattliches Delta und der Krienbach durch die Alluvionen
von Tribschen bis zum Ausfluss der Reuss. Mit einer Strombreite von 170 m verlässt endlich die Reuss den See.
g) Das Hergiswilerbecken
setzt sich in SW.-Richtung an den Kreuztrichter an. Das Ufer längs dem Bürgenberg ist sehr rasch abfallend
und von Kersiten bis Stansstad von steilen Felswänden umrahmt. Diese Strasse ist reich an stimmungsvollen Bildern und wird
in der Kaplanei nicht mit Unrecht als «kleine Axenstrasse» bezeichnet. Einen ähnlichen Charakter besitzt die Uferstrecke
Stansstad-Hergiswil mit den beinahe senkrechten Kalkwänden des Lopperberges. An dieses Hauptbecken schliesst
sich in nordwestl. Richtung die Bucht von Winkel an, die alte Zuflussruine des Krienbaches. Gegen Horw hin öffnet sich dieser
Arm in die Alluvialebene des genannten Baches, der zuletzt zum nordöstl. Lauf gezwungen wurde. So bildet denn das Gelände
von Kastanienbaum, z. B. vom Bürgen aus gesehen, eine hübsche, mit üppigen Wiesen und dunkeln Wäldern
bedeckte Halbinsel im Hergiswilerbecken.
Durch einen rund 150 m breiten Arm steht mit dem Hergiswilerbecken der Alpnachersee in Verbindung. Seine etwa 5 km messende
Längsaxe erstreckt sich in NO.-SW.-Richtung. Seine grösste Breite beträgt 1,4 km. Er ist ein Muldensee
im Kreidekalk, welch letzterer am rechten Ufer zum Mutterschwanderberg emporsteigt und am linken Ufer den Lopperberg bildet.
In einer geologischen Mulde ist einem stehenden Gewässer wenig Gelegenheit geboten, eine bilderreiche Uferlinie herauszumeisseln.
So sind auch beim Alpnachersee die beiden Ufer, obwohl sehr steil abfallend, doch monoton. Ein bis 4 m
unter die Wasseroberfläche emporragender Querriegel schliesst diesen See vom Hergiswilerbecken ab. Es sind dies die Alluvionen
der EngelbergerAa, der auch der flache Boden von Stansstad seine Existenz verdankt. Bei Alpnachstad baut die SarnerAa mit den
beiden Schlieren an ihrem Delta weiter. In allen Beziehungen stellt der Alpnachersee¶