Vielweiberei
,
s. Polygamie.
Vielweiberei
3 Wörter, 28 Zeichen
Anthropologie, Anatomie und Physiologie — Anthropologie — Allgemeines
Vielweiberei,
s. Polygamie.
(griech.),
eigentlich »Vielheirat«, gewöhnlich aber für Vielweiberei (Polygynie), d. h. eheliche Verbindung eines Mannes mit mehreren Frauen, gebraucht. In der Form der Vielmännerei (s. Polyandrie) war und ist die Polygamie weit seltener. Je nach der Zahl der Individuen, welche mit einer Person des andern Geschlechts ehelich vereinigt sind, heißt die Polygamie wieder Bigamie, Trigamie etc. Die Vielweiberei ist über ganz Afrika [* 4] verbreitet und bei fast allen asiatischen Völkern durch Sitte und Religion verstattet, dagegen wird sie in Amerika [* 5] unter den Indianervölkern selten angetroffen.
In der Türkei [* 6] ist Polygamie erlaubt, doch weit seltener, als man in Europa [* 7] meist annimmt; nur Wohlbemittelte können dort mehrere Frauen unterhalten, denn ein zahlreich bevölkerter Harem verursacht einen großen Kostenaufwand. Der Perser darf gesetzlich nicht mehr als vier rechtmäßige Frauen zu gleicher Zeit haben, mit denen er Ehe auf die Dauer verbindlich geschlossen hat; allein er darf daneben Weiber in unbeschränkter Zahl nehmen, die er aber nur auf eine vertragsmäßige Zeit ehelicht.
Schon bei den alten Hebräern kam nach Zeugnis einiger Bibelstellen Polygamie vor, wie jedenfalls auch bei manchen andern semitischen Völkern des Altertums; den Mohammedanern erlaubt der Koran (Sure 4) ausdrücklich die Ehe mit mehreren Weibern. Unter allen christlichen Völkern wird aber die Polygamie durch Kirche und Staat verpönt (vgl. Bigamie); nur die Mormonen (s. d.) lassen die Vielweiberei gesetzlich zu und halten sie sogar mit Hinweis auf die Vielweiberei der Erzväter für eine Gott wohlgefällige Einrichtung.
Allerdings traten auch in Deutschland [* 8] zu manchen Zeiten Anhänger der Polygamie auf (Wiedertäufer zu Münster [* 9] 1533); auch suchten im 17. Jahrh. Joh. Lyser, Lorenz Berger u. a. durch ihre Schriften die Polygamie zu verteidigen, letzterer insbesondere auf Anstiften des Kurfürsten von der Pfalz, der zwei Frauen nahm. Allein allgemein ist unter den zivilisierten Völkern anerkannt, daß die sittliche Ordnung den polygamischen Ehen entschieden abhold sei, und daß man, namentlich im Hinblick auf den Orient und auf die Geschichte der morgenländischen Königshäuser, die Vielweiberei als schlimmes soziales Gebrechen bezeichnen müsse.
Als Gründe für die Herrschaft der Polygamie bei vielen Völkern werden angeführt: die schnelle Entwickelung und frühe Heiratsfähigkeit im Zusammenhang mit dem schnellen Verblühen des weiblichen Geschlechts und die ausdauernde Kräftigkeit der Männer. Allein die religiösen und ethischen Anschauungen von der Ehe und von der Stellung der Frau in der Familie verurteilen bei allen gebildeten Nationen die Polygamie, deren Erneuerung vielfach nur als eine moderne Form der Sklaverei zu betrachten ist.