Viehseuchen
,
Schweine

* 4
Schweine. nach älterer Auffassung alle
Krankheiten, welche gleichzeitig eine größere Zahl von
Tieren befallen.
In der neuern Zeit beschränkt man aber den
Begriff auf die durch
Ansteckung leicht übertragbaren
Krankheiten
der
Haustiere und zählt zu diesen namentlich
Rinderpest,
Maul- und Klauenseuche,
Lungenseuche des
Rindes, Pockenseuche der
Schafe,
[* 2] Beschälseuche,
Bläschenausschlag,
Raude der
Pferde
[* 3] und
Schafe,
Milzbrand,
Tollwut und
Rotz. Die Betrachtung dieser
Krankheiten als
Viehseuchen
knüpft zum Teil an die
Thatsache an, daß zur Bekämpfung derselben in allen europäischen
Staaten
Gesetze und
Verordnungen erlassen sind. Im übrigen haben die
Diphtherie des Geflügels (Hühnerseuche, Geflügelseuche), die
Rotlaufseuche der
Schweine,
[* 4] die
Pferdestaupe
(Influenza), die
Brustseuche der
Pferde etc. auch den
Charakter von Herdenkrankheiten
oder
Seuchen. Da gegen die letztern aber keine Abwehr und Tilgungsvorschriften bestehen, pflegt man
sie den
Viehseuchen
nicht beizuzählen.
Durch die Verbreitung von Viehseuchen
unter den
Haustieren wird der Nationalwohlstand und noch mehr das
Vermögen des einzelnen Viehbesitzers
erheblich geschädigt. Die
Rinderpest wurde im vorigen
Jahrhundert zu einer der größten Landplagen in
Europa.
[* 5] Daneben sind
die
Tollwut, der
Milzbrand und der
Rotz noch dadurch gefährlich, daß sie auf
Menschen
übertragen werden
können und auch bei diesen zum
Tod führen. Die polizeiliche Bekämpfung der Viehseuchen
bildet einen Teil des
Veterinärwesens und
ist mit der Thätigkeit der beamteten
Tierärzte eng verknüpft.
Das Deutsche Reich [* 6] war auf diesem Gebiet zunächst durch Sozialgesetzgebung über die Rinderpest (s. d.) thätig. Das norddeutsche Bundesgesetz vom Maßregeln gegen die Rinderpest betreffend, wurde auf das Reichsgebiet ausgedehnt. Hierzu gehört die revidierte Instruktion vom (Reichsgesetzblatt, S. 147 ff.). Auch das Reichsgesetz vom betreffend die Beseitigung von Ansteckungsstoffen bei Viehbeförderungen auf Eisenbahnen, gehört hierher.
Viehstar - Viehverstel

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Seite 16.190.
Von den übrigen Viehseuchen
handelt das
Reichsgesetz vom betreffend die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen
, nebst
Instruktion
des
Bundesrats vom
(Zentralblatt für das
Deutsche Reich, S. 37 ff.) und Nachtrag vom Dazu kommen die
Ausführungsgesetze u.
-Verordnungen der Einzelstaaten. Gegenstand der Viehseuche
ngesetzgebung ist die
Abwehr der Einschleppung aus Nachbarländern und die Unterdrückung der Seuchenherde im Inland. Die Abwehr erfordert permanente
und vorübergehende Maßregeln an den Landesgrenzen, die in einer Überwachung des
Grenzverkehrs mit Vieh und giftfangenden
Sachen durch tierärztliche Beamte (Grenztierärzte) und in einem Verbot der Einfuhr von einzelnen
oder mehreren Viehgattungen, von
¶
mehr
frischem Fleisch, Häuten, Heu, Stroh und andern der Behaftung mit Ansteckungsstoffen verdächtigen Gegenständen bestehen können.
Da die bei den Schlachttieren vorkommenden Viehseuchen
am meisten aus Rußland eingeschleppt werden, so ist die Überwachung
der langgedehnten russisch-preußischen und österreichischen Landesgrenze für Deutschland
[* 8] die wichtigste Abwehrmaßregel.
England, welches 1865 von der Rinderpest schwer heimgesucht war, gestattet die Zulassung von Rindvieh aus
Deutschland nur unter der Bedingung, daß dasselbe in bestimmten Häfen gelandet und daselbst geschlachtet wird. Da hiermit
eine Wertverminderung des Mastviehs verbunden ist, so bemühte sich die deutsche Reichsverwaltung, durch Verschärfung der
Abwehrmaßregeln gegen Rußland und Österreich
[* 9] ein größeres Vertrauen des Auslandes und die Bewilligung
der bedingungslosen Einführung von Rindvieh nach England zurückzugewinnen.
Königreich Sachsen

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Sachsen.Indes wurde bis jetzt nur für Schleswig-Holstein [* 10] während der Herbstmonate zur Überführung des gemästeten Weideviehs eine geringe Begünstigung zugestanden. Zum Schutz gegen die Rinderpest hat der Bundesrat des Deutschen Reichs jede Einfuhr von Rindvieh über die russisch-deutsche, resp. österreichisch-deutsche Grenze verboten. Nur der Handel mit Arbeitsvieh ist im Grenzverkehr zwischen Österreich und Sachsen, [* 11] resp. Österreich und Bayern [* 12] unter ausreichenden Kontrollmaßregeln gestattet. Da infolge dieser Verbote die Preise des Rindviehs im Ausland bedeutend niedriger stehen als im Inland, so kann der Schmuggelhandel nur mit den schärfsten Strafandrohungen und durch zahlreiche Grenzwachen verhindert werden.
Indes läßt sich nicht verkennen, daß der inländische Viehbestand für den Bedarf der Bevölkerung
[* 13] an Fleischnahrung vollkommen
ausreicht, und daß den großen Interessen der Viehzucht und
[* 14] Viehhaltung ein öfterer Wechsel in der Anordnung und Aufhebung
der Vieheinfuhrverbote sehr nachteilig ist. Hinsichtlich der übrigen Viehseuchen
gilt der Grundsatz, daß die
Vieheinfuhr nur für eine kurze Zeit, solange eine erhebliche Gefahr besteht, untersagt wird. Die Maßregeln zur Unterdrückung
der Viehseuchen
im Inland erstrecken sich auf die Anzeigepflicht;
die sachverständige Feststellung der Krankheit;
die tierärztliche Überwachung der Viehmärkte;
die Sperre des Stalles, des Gehöfts, des Ortes oder der Feldmark, selbst einer ganzen Provinz (wie bei der Rinderpest) gegen die Ausfuhr von Vieh;
Imphee - Importants

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Impfung.die Impfung [* 15] (nur bei den Schafpocken);
die Tötung von krankem und verdächtigem Vieh;
die unschädliche Beseitigung der Kadaver;
die Desinfektion [* 16] und bezüglich der Rinderpest, der Lungenseuche und der Rotzkrankheit auch die Entschädigung der auf polizeiliche Anordnung getöteten Tiere.
Hiernach
liefert die Gesetzgebung den Behörden ausreichende Mittel, um die Seuchen zum Erlöschen zu bringen. Da die Viehseuchen
, mit Ausnahme
des Milzbrandes, sich nur durch Ansteckung verbreiten, so ist die frühzeitige Anzeige von dem Ausbruch einer Seuche oder einer
verdächtigen Krankheit und die sofortige Einleitung der Schutzmaßregeln durchaus erforderlich. Daher hat
das preußische Ausführungsgesetz vom zum Reichsviehseuchen
gesetz mit Recht die Ausführung der Vorschriften den
Ortspolizeibehörden überwiesen.
Bei der Rinderpest hat das Bundes- (Reichs-) Gesetz vom die sofortige Tötung aller kranken und auch aller der stattgehabten Ansteckung verdächtigen Tiere vorgeschrieben, um die Seuche im Interesse der Gegend, deren Verkehr durch die Schutzmaßregeln sehr beschränkt wird, mit möglichster Schnelligkeit zum Erlöschen zu bringen. Für alles wegen Rinderpest getötete Vieh wird der durch unparteiische Taxatoren zu ermittelnde volle Wert dem betreffenden Besitzer aus der Reichskasse vergütet.
Rinder

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Rinder.
Letztere trägt auch die bedeutenden Kosten der Desinfektion. Für die Unterdrückung der Lungenseuche und
der Rotzkrankheit hat das deutsche Reichsviehseuchen
gesetz die Entschädigung der auf polizeiliche Anordnung getöteten Tiere
grundsätzlich angeordnet. Die getöteten lungenseuchekranken Rinder
[* 17] werden mit vier Fünfteln und die getöteten rotzkranken
Pferde mit drei Vierteln des durch Abschätzung ermittelten gemeinen Wertes entschädigt. Verdächtige Tiere, welche auf polizeiliche
Anordnung getötet und bei der Sektion für gesund befunden werden, sind vom Staat zum vollen Wert zu ersetzen.
Von wesentlicher Bedeutung für die erfolgreiche Ausführung der Viehseuchen
gesetze ist die Mitwirkung einer genügenden
Zahl tüchtiger Tierärzte. Die Staatsverwaltungen haben deshalb in der neuern Zeit dem tierärztlichen Unterrichtswesen eine
größere Fürsorge gewidmet und Vorschriften erlassen, welche eine gründliche technische Bildung der
Tierärzte gewährleisten.
Vgl. Beyer, Viehseuchen
gesetze (2. Aufl., Berl. 1886);
Wengler, Die Viehseuchen
gesetzgebung Deutschlands
[* 18] (das. 1881).