Viehhof
,
eine mit Stallungen, Heu- und Strohböden, Markthallen [* 2] und Geschäftsgebäuden versehene Anlage, in welcher der Handelsverkehr mit Rindvieh, Schafen und Schweinen vermittelt wird. Vorzugsweise dienen die Viehhöfe dem Handel mit Schlachtvieh. Seitdem für die großen Städte der Schlachtzwang eingeführt ist, sind dieselben an manchen Orten mit den Schlachthöfen und Schlachthallen vereinigt. Im übrigen bringen Viehhöfe nur für solche Städte Vorteil, nach welchen aus weiten Gegenden die Viehtransporte per Eisenbahn gelangen.
Die größten
Anlagen dieser Art besitzen
London,
[* 3]
Paris,
[* 4]
Berlin,
[* 5]
Hamburg,
[* 6]
Wien
[* 7] und
Budapest.
[* 8]
Indes findet auch auf den Viehhöfen
zu
Breslau,
[* 9]
Dresden,
[* 10]
München,
[* 11]
Magdeburg,
[* 12]
Hannover,
[* 13]
Köln,
[* 14]
Mainz,
[* 15]
Dortmund
[* 16] etc. ein bedeutender Handelsverkehr
statt. Zur Einrichtung eines Viehhofs
gehört ein hoch gelegenes gepflastertes
Feld, welches durch Wasserspülungen leicht
zu reinigen ist. Da der Verkauf der
Tiere fast ausschließlich durch
Händler oder Handelsfirmen bewirkt wird, so bildet den
Mittelpunkt der
Anlage in der
Regel ein Geschäftshaus mit den erforderlichen Kontorräumen (Viehhof
sbörse).
In geringer
Entfernung von demselben befinden sich die bedachten
Markthallen für Großvieh
(Ochsen,
Stiere,
Kühe und
Färsen)
sowie für
Kälber,
Schafe
[* 17] und
Schweine.
[* 18] Auf dem
Berliner
[* 19] Viehhof
haben in den
Markthallen für
Rinder
[* 20] 3800
Stück
Rindvieh Platz und
in den
Markthallen für Hämmel 30,000
Schafe. Von den
Hallen getrennt liegen die
Stallungen für Groß-
und
¶
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Kleinvieh. Der Berliner Viehhof
besitzt zwölf Rinderställe für 3780 Stück Rindvieh; vier Hämmelställe für 9000 Schafe; eine
Schweinehalle, zugleich Stall, für 9000 Schweine und eine Kälberhalle, zugleich Stall, für 2000 Kälber. Die Viehhöfe müssen
mit der Eisenbahn in direkter Verbindung stehen und bequeme Vorrichtungen zum Aus- und Einladen des Viehs
besitzen. Auf allen größern Viehhöfen findet wöchentlich an einem bestimmten Tag ein Hauptmarkt statt, während an einem
zweiten Tag ein kleiner Markt zum Verkauf der vom Hauptmarkt übriggebliebenen Tiere abgehalten wird.
Die Verwaltung der Viehhöfe liegt in den Händen der städtischen Behörden, welche für die Unterbringung der Tiere in den Stallungen eine bestimmte Gebühr erheben und auch die erforderlichen Futtermittel zu tarifmäßigen Preisen in eigner Regie berechnen. Durch die auf den Viehhöfen unvermeidliche Berührung fremder Tiere wird die Verbreitung von Viehseuchen, namentlich der Maul- und Klauenseuche und des Schweinerotlaufs, im Inland außerordentlich begünstigt.
Die deshalb erforderliche strenge Beaufsichtigung der Märkte besorgen die staatlich angestellten Tierärzte. Zum Zweck der Untersuchung müssen die Tiere vor dem Markt in den Stallungen gefüttert und getränkt werden. Auf den größern Viehhöfen wird in der Regel von der Landespolizeibehörde auch vorgeschrieben, daß Rindvieh nicht zugeführt werden darf ohne amtliches Ursprungszeugnis, aus welchem hervorgehen muß, daß die betreffenden Tiere während der letzten vier Wochen in einem seuchenfreien Ort gestanden haben.
Kann dieser Nachweis nicht geliefert werden, oder erweisen sich die Tiere nicht frei von Seuchenverdacht, so sind dieselben
entweder einige Zeit im Observationsstall unterzubringen, oder im Polizeischlachthaus sofort zu schlachten und tierärztlich
zu besichtigen. Zum Viehhof
gehört ferner eine Desinfektionsanstalt, in welcher die Eisenbahnwagen den gesetzlichen
Vorschriften gemäß gereinigt werden. Die nach jedem Viehtransport erforderliche Desinfektion
[* 22] wird mit 70° heißer Lauge
von 500 Teilen Soda auf 100,000 Teile Wasser bewirkt. Der Kehricht wird mit Kalkmilch versetzt. Auf dem Berliner Viehhof
wurden 1885-86
zum Verkauf gestellt: 155,671 Rinder (Großvieh), 57,375 Schweine, 20,671 Kälber und 689,068 Hämmel, insgesamt
922,785 Tiere.
Vgl. »Die Anstalten der Stadt Berlin für die öffentliche Gesundheitspflege« (Berl. 1886);
Hennicke, Bericht über Schlachthäuser und Viehmärkte (das. 1889).