Viehhandel
,
der Handel mit sämtlichen Haustieren, sowohl solcher für Luxus-, als für Nutzzwecke, geschieden nach
Art der
Tiere, z. B. in Pferde-, Rinder-, Schweine-, Schafvieh- und Kleinviehhandel.
Er ist Lokal- und Welthandel und wird betrieben von großen und kleinen Firmen und Händlern, auf besondern Viehmärkten
und von Hand zu Hand durch Aufkauf bei den Viehzüchtern, sowie durch Lieferung an solche, oder an Metzger, oder, bei Luxustieren,
an Liebhaber. Die Märkte sind allgemeine oder besondere für nur einzelne Tiergattungen, oft nur für
ältere oder jüngere
Tiere: Fohlen, Kälber, Lämmer, Ferkel; auch die Viehhändler trennen sich nach Tiergattungen.
Der V. erfordert gute Beurteilungsgabe der Eigenschaften der Tiere hinsichtlich ihrer Brauchbarkeit für bestimmte Zwecke, genaue Kenntnis der besten Bezugsorte und Absatzgebiete und Geschick in Behandlung der Viehbesitzer, Viehzüchter, Metzger, Landwirte und sonstiger Abnehmer. Am meisten Umsicht erfordert die Beurteilung der Pferde, weshalb der Pferdehandel zu den schwierigsten Handelsgeschäften gehört und um so mehr als viele Händler, Roßtäuscher, Roßkamm, das Alter, die Untugenden und die Fehler durch betrügerische Manipulationen zu verdecken, oder die Tiere, welche sie verkaufen wollen, zu täuschendem Aussehen aufzuputzen verstehen. - Der V. unterliegt allerwärts gesetzlichen Beschränkungen und Vorschriften, einmal wegen der Gefahr der Verschleppung gefährlicher ansteckender Krankheiten, zum andern wegen der Untugenden, Fehler und Gebrechen, welche nicht deutlich sichtbar sind, oder erst nach einiger Zeit sichtbar werden. In allen Ländern gibt es sog. Gewährsmängel, d. h. solche Untugenden, Fehler, Gebrechen oder Krankheiten, für welche der Verkäufer haftbar ist insofern, als bei späterer Erkennung der Handel rückgängig gemacht und Schadenersatz geleistet werden muß.
Art und Zahl dieser Gewährsmängel (Hauptfehler, Wandlungsfehler, Hauptmängel) sind in den einzelnen Ländern verschieden; die Händler und die Käufer müssen daher mit der bezüglichen Gesetzgebung sich vertraut machen. Da jedoch manche dieser Mängel auch später erst, nach abgeschlossenem Kauf, die Tiere treffen können, so gibt es, wiederum in verschiedner Weise in den einzelnen Ländern, sog. Gewährsfristen, d. h. für die einzelnen Gebrechen bestimmte gesetzlich ausgesprochene Zeiten, innerhalb welcher der Verkäufer haftbar ist. Für die gesetzlich bezeichneten Gewährsmängel muß, auch ohne besondere ¶
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Verabredung, innerhalb der gesetzlichen Zeit gehaftet werden, dem Käufer bleibt es aber unbenommen, sich auch noch durch besondern Vertrag die Haftbarkeit für Andres oder die Garantie für bestimmte Leistungen auszubedingen, doch muß dann der Vertrag schriftlich abgeschlossen werden. Die gesetzliche Gewähr beginnt entweder sofort mit der Übergabe oder erst am Tage darauf; sie fällt weg bei Zwangsversteigerung, bei erbrachtem Beweis, daß der Käufer die Fehler etc. gekannt habe und wenn der Verkäufer sich kontraktlich die Freiheit von der Gewähr ausbedingt. - Die Hauptmängel bei Pferden, Eseln, Maultieren und Mauleseln sind: schwarzer Star (Schönblindheit), Koppen, Rotz, Hautwurm, Dampf (Herzschlechtigkeit), Koller, Fallende Sucht (Epilepsie), Mondblindheit, Räude, Stättigkeit;
bei Rindern: Perlsucht (Zäpfigkeit), Vorfall, Lungensucht, Fallende Sucht, Lungenseuche, Räude;
bei Schafen: Räude, Fäule (Anbruch), bösartige Klauenseuche, Pocken;
bei Schweinen: Finnen, Lungenwurmkrankheit und Lungentuberkeln.
Die für Rindvieh gefährlichste Krankheit, die Rinderpest, kommt im Deutschen Reich insofern nicht in Betracht, als damit behaftete Tiere nach Reichsgesetz sofort gekeult werden müssen und gar nicht über die Grenze dürfen, die Einschleppung also strafbar ist, oder, im Falle sie unwissentlich erfolgte, das Reich dem Viehkäufer die Schadloshaltung gewährt. Die Rinderpest ist dem russischen Steppenvieh eigentümlich; es wird deshalb die Vieheinfuhr von dorther in die Nachbarstaaten und anderwärts scharf überwacht oder ganz verboten, ebenso aus Ländern, welche in Verdacht stehen, nicht vollkommen frei davon zu sein.
Anderwärts hat man Quarantäne, Kontumazanstalten, eingeführt und darf das Vieh nach eingehaltener Zeit nur auf bestimmten
Straßen und nur unter polizeilicher und tierärztlicher Überwachung eingeführt werden. Für das Reich ist ein umfassendes
Viehseuchengesetz vom an in Kraft getreten. In allen Ländern gibt es besondere Gesetzgebungen
hinsichtlich der Viehseuchen und des Viehhandels.
Das Vieh wird jetzt meistens auf Eisenbahnen befördert und unterliegt
hier wieder besondern Bestimmungen für den Transport, Desinfektion der Wagen etc. Es kann wie
andre Wertgüter gegen Unfall versichert werden. -
Für England, welches den größten Viehstand, der landwirtschaftlich benutzten Fläche nach, unter allen Ländern der Welt hat, ist die Zufuhr von Vieh, Fleisch und Fleischwaren in immer großartigerem Grade notwendig geworden und war deshalb die Frage, lebendes Vieh aus überseeischen, billig erzeugenden Ländern beziehen zu können, eine überaus wichtige, nicht minder wichtig auch für die Züchter in überseeischen Ländern hinsichtlich des Bezugs des wertvolleren europäischen Zuchtmaterials.
Die Amerikaner und die Australier, welche die besten Bedingungen zu einträglicher Viehzucht haben, legen zur Zeit die höchsten Preise für ausgezeichnete Zuchttiere an, da sie ihre Herden möglichst rasch vervollkommnen wollen. Abgesehen von Luxuspferden, oder auch von guten Nutzpferden, für welche in England und selbst in Deutschland ebenfalls großartige Summen angelegt werden, gilt dies besonders von Shorthorn-Rindern aus England, von welchen hervorragende Zuchttiere neuerdings schon bis 300000 Mk. bezahlt worden sind, und von feinwolligen Schafen, von welchen, in Australien wenigstens, ausgezeichnete Widder oder Mütter bis 30000 Mk. lösten. In England selbst kennt man Preise von 10000 Mk. und darüber für wertvolle Bullen oder Kühe, in Deutschland mindestens schon solche bis über 1000 Mk., während sonst die wertvollsten Kühe selten über 500 Mk. lösen. - Die ersten Versuche mit Seetransport fielen unglücklich aus, die Sterbefälle waren zu groß und die Tiere litten zu stark; jetzt ist es gelungen, besondere Schiffe dafür zu bauen, durch welche der Transport ein regelmäßiger geworden ist, sodaß jetzt überallhin Vieh, und selbst Schlachtvieh, mit angemessenen Kosten verfrachtet werden kann. Die französische Militärverwaltung bezieht seit einigen Jahren Pferde aus Amerika zu geringeren Preisen als bisher; die jüngste Leistung derart ist ein größerer Transport von Straußen zur Zucht für Brasilien aus dem Kapland, von welchen nur wenige Tiere unterwegs zu Grunde gingen. Für Menagerien und zoologische Gärten hat man schon längst, mit großen Kosten freilich, lebende Tiere aus allen Weltteilen bezogen. - Im Jahre 1879 führten die Vereinigten Staaten von Nordamerika im ganzen aus:
4153 | Maulesel | zum Werte von 500989 | Doll. |
3915 | Pferde | " " " 770742 | " |
136770 | St. Rindvieh | " " " 8379200 | " |
215680 | Schafe | " " " 1082938 | " |
75129 | Schweine | " " " 700742 | " |
sonstiges | Vieh | " " " 23623 | " |
: | 11458234 | Doll. |
Deutschland kommt damit fast gar nicht in Betracht. - Die Durchschnittspreise in Amerika im gleichen Jahre waren: für Pferde 54,75, für Maulesel 61,26, für Kühe 23,27, für Ochsen und andres Rindvieh 16,1, für Schafe 2,21, für Schweine 4,28 Doll. -
Die großartigste Einfuhr zeigt England; von 1843-1881 hat sich die Einfuhr von lebendem Vieh vermehrt (Ausfuhr fast nur mit Zuchtvieh):
in Rindern | von 745 | auf 282691 Stück |
" Kälbern | " 22 | " 36683 " |
" Schafen | " 110 | " 935241 " |
" Schweinen | " 183 | " 242730 " |
" Pferden | " ? | " etwa 18000 Stück (Ausfuhr 3000). |
Die Versandtkosten aus Amerika bezifferten sich für ein Rind früher durchschnittlich zu 140 Mk. nach England;
in lebendem Vieh kostet jetzt 1 kg in Amerika ab Hafen bis 103 Pf., loco England 162 Pf. Coloradoochsen kosten dort 17 Mk., Texasochsen 71 Mk., Shorthorns in den Hafenplätzen 410 Mk,;
die höchsten Preise im Durchschnitt sind 496 Mk.;
die Fracht nach England rechnet man neuerdings zu 50-95 Mk. für Ochsen, für Schweine mit 10 Mk.;
loco Liverpool gelten amerikanische Schweine 50 bis 55 Mk. pro Stück. - Deutschlands auswärtiger ¶
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Viehhandel
zeigte 1880 einen Gesamtumsatz von über 313 Mill. Mk. und zwar:
in Einfuhr:
Pferde | 59722 | Stück zu | 59722000 Mk. |
Kühe | 53415 | " " | 14956000 " |
Ochsen | 16078 | " " | 4823000 " |
Jungvieh | 59958 | " " | 3299000 " |
Schweine | 1272716 | " " | 62086000 " |
Schafe | 173677 | " " | 2269000 " |
: | 1635566 | Stück zu | 147182000 Mk. |
Ausfuhr:
Pferde | 17960 | Stück zu | 25144000 Mk. |
Kühe | 49826 | " " | 14948000 " |
Ochsen | 58896 | " " | 23555000 " |
Jungvieh | 104612 | " " | 39965000 " |
Schweine | 457949 | " " | 37555000 " |
Schafe | 1256584 | " " | 24920000 " |
: | 1945827 | Stück zu | 166177000 Mk. |
Die Preise von Luxustieren (Pferden, Geflügel, Hunden etc.) sind beherrscht durch Mode und Liebhaberei, die erstaunlichen Summen aber, welche für Rennpferde gezahlt werden, mehr durch die Spekulation, die Hoffnung auf große Gewinne bei den Rennen bedingt. Noch in den letzten Jahren sind bei Auflösungen von Rennställen für einzelne Tiere über 100000 Mk. gezahlt worden; das amerikanische Pferd Iriquois, welches 1881 in dem großen Rennen zu Derby gesiegt hatte, löste 119000 Mk., und auf Foxhall, den Sieger von 1882, wurden vergebens 300000 Mk. geboten. Er hatte einen Preis von 127480 Mk. gewonnen.
Für die preußischen Gestüte wurden Pferde zu 60000-135000 Mk. in den letzten Jahren gekauft, selbst Hengste von Suffolks, den besten schweren Last- und Karrenpferden der Jetztzeit, bis zu 75000 Mk. Bei Zuchttieren ist es die Hoffnung auf den Erlös aus der Nachkommenschaft, welche die hohen Preise anlegen läßt. Das deutsche Pferd Savernake hatte 83 Nachkommen, welche zusammen 430388 Mk. gewonnen haben. Die Pferde, welche mit solchen Preisen bezahlt werden, gehören dem englischen Vollblut oder daraus gezogenen Tieren an. Nächst diesen sind die Orientalen die edelsten Pferde (Araber, Berberen, Turkomanen, Perser, Nubier, Ägypter).
Die Araber verkaufen aber nur Hengste und behalten die besten Tiere;
für Verkaufstiere kennt man Preise bis zu über 20000 Mk. Die eigentlichen Nutzpferde (Reit-, Zug-, Kutschpferde etc.), soweit es nicht Luxustiere betrifft, sind in England von 1864-1878 von durchschnittlich 414 auf 721 Mk. gekommen;
für die Remonte zahlte man in Preußen 620-700 Mk. und etwa ebensoviel in Österreich für Militärpferde und in Frankreich für die bezogenen amerikanischen;
gute Trakehner, die besten preußischen Pferde, lösten auf Auktionen schon über 3000 Mk. Englands Pferdezucht liefert sehr verschiedenartige Tiere: Renn-, Jagd-, Damen-, Reit-, Reise-, Kavallerie-, Acker-;
Wagen-, Kutsch-, Karren-, Bauernpferde, Ponies, Paßgänger etc.;
man unterscheidet Vollblut, Halb- und Dreiviertelblut, Edle Pferde etc., auf Ausstellungen aber die Gruppen: Kutsch-, landwirtschaftliche Gebrauchs-, Voll-, Halbblut-, Karren-, Jagdpferde und Ponies.
Die beliebtesten Nutzpferde sind jetzt Yorkshires, Lincolns, Clevelands, Clydesdaler, Suffolks, alle nach und nach zu schweren Pferden herangezogen. -
Auch in Deutschland überwiegt immer mehr der Gebrauch schwerer Pferde, besonders auch in der Landwirtschaft, welche, in Norddeutschland wenigstens, fast nur noch Pferde zum Ackerbau verwendet, und, des gebotenen tiefen Pflügens, sowie der Fuhren wegen, solche schwereren Schlages. Beliebt sind die französischen Percherons, Boulogner, Normanen, Ardenner, die deutschen Birkenfelder und Eiffelner, dann Friesen, Dänen, Holsteiner, etc. Die vorzüglichen schweren Pinzgauer (Norische Pferde) Österreichs sind weniger mehr verbreitet, die Zucht wird aber mit Recht wieder zu heben versucht.
Holland besitzt die schwersten Pferde, welche nur noch in Amerika Konkurrenten haben und in England, viel verbreitet sind: Riesen- oder Elefanten-, Bierbrauer-, Flandrische-, Brabänter Pferde, etc. Die kleinsten Pferde hat England in den Shettlands Ponies. In Deutschland gehört die Mehrzahl der Pferde bestimmten Rassen nicht an; es gibt noch Hauspferdezucht der Bauern in Bayern, am Rhein, im Norden und Osten, wertvolle Privatgestüte, besonders in Mecklenburg und im Nordosten, ausgezeichnete Landeszucht in Oldenburg und unter den vortrefflichen Gestüten Trakehnen als das berühmteste für Kutschlag (unübertroffen), und Reitschlag. Die ostpreußische Zucht hat sich in den letzten Kriegen am beßten bewährt. Sehr bedeutend ist der Verkauf von Herbstfohlen, welche dann herangezogen werden; Preise 70 Mk. und mehr. Die eigentliche Pferdezucht gehört in die Gegenden mit guten und billigen Weiden. - Der Bedarf an Pferden ist ein sich steigernder; je mehr Eisenbahnverkehr, um so mehr Pferde sind notwendig für Lokalfrachten; die Preise sind ebenfalls steigende, doch aber ist die Zucht nur selten rentabel genug und das Halten und Züchten von Pferden mehr Liebhaberei als Sache des rechnerischen Kalküls.
Der europäische Pferdebestand ist etwas über 42 Mill. Stück;
Rußland hat davon über 18 Mill., Deutschland 3,5 Mill. Esel, Maultiere und Maulesel kommen vorzugsweise in den Mittelmeerländern vor, selbst für Artillerie verwendet man dort Maultiere;
in Deutschland hatte Hannover eine gute Zucht davon, welche seit 1866 eingegangen ist. In Badeorten gibt es Maultiere für Droschken und zum Reiten;
die zu solchen Zuchten geeigneten Esel werden besonders in Poitou gezogen.
Der Preis der Maultiere steht um etwa ⅓ geringer als der der gewöhnlichen Pferde leichterer Art, für welche 3-500 Mk. angelegt werden, für schwerere Pferde bis über 1200 Mk. In bezug auf das Rindvieh gibt es Milch-, Mast-, Zugrassen und sog. Allemannstiere, solche, welche, mittlerer Größe und kleiner sind, nach keiner dieser Richtung hervorragen, aber befriedigende Resultate für Zug- und Milchgewinn geben und sich nach den Gebrauchsjahren noch leidlich mästen ¶