Vestalinnen
oder Vestalische Jungfrauen hießen die Priesterinnen der Vesta (s. d.), deren es anfangs angeblich nach Numas Satzung vier, dann (seit Tarquinius Priscus oder Servius Tullius) sechs gab. Gewählt wurden sie ursprünglich von dem Könige, später von dem Pontifex Maximus (Oberpriester), unter dessen väterlicher Gewalt sie auch während ihrer ganzen Amtszeit standen, und zwar gewöhnlich mittels Losung unter 20 ausgewählten Mädchen. Bedingungen der Annahme waren, daß sie nicht unter sechs und nicht über zehn Jahre alt waren, daß sie kein körperliches Gebrechen an sich hatten, und daß ihre Eltern, beide von freier Abkunft, noch lebten.
Sie waren 30 J. zum Dienst verpflichtet. Nach dieser Zeit konnten sie austreten und sich verheiraten.
Die älteste unter ihnen stand an ihrer
Spitze. Die Vestalinnen
wohnten klösterlich zusammen in einem eigenen Hause, dem
Atrium
Vestae,
welches zwischen dem Vestatempel und der Amtswohnung des
Pontifex Maximus gelegen war, bis
Augustus, der sich ein Haus auf dem
Palatin erbaute, auch die Räume dieser letztern Wohnung den Vestalinnen
abtrat.
Ihre Pflichten bestanden bei strenger
Bewahrung der Keuschheit vor allem in
Erhaltung des heiligen
Feuers, Reinhaltung und
Reinigung des
Tempels mit Wasser, Herrichtung
und Aufbewahrung des Speltschrots mit der Salzlake und gewisser bei Sühnungen angewandter
Mittel, Verrichtung von Opfern,
Bewachung der Heiligtümer.
Verletzung der Keuschheit wurde mit Lebendigbegraben auf dem
Campus Sceleratus, das Verlöschen des heiligen
Feuers mit Geißelhieben
bestraft. Der Entehrer einer Vestalin wurde zu
Tode gepeitscht. Die Vestalinnen
genossen bedeutende Ehrenrechte. Wenn sie ausgingen,
schritt ein Liktor
[* 2] vor ihnen her; bei gewissen Gelegenheiten durften
sie im Wagen fahren; auf
Beleidigung
ihrer
Person stand
Todesstrafe. Begegneten sie zufällig einem zum
Tode verurteilten Verbrecher, so war dieser gerettet.
Ihre
Kleidung bestand in einem langen weißen Gewande, einer Stirnbinde, von welcher
Bänder herabhingen, und bei Opfern einem
Schleier. –
Vgl.
Jordan, Der
Tempel
[* 3] der
Vesta und das Haus der Vestalinnen
(Berl. 1886).
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