Verwesungs
pflanzen,
s. Humuspflanzen.
Seite 18.979 Jahres-Supplement 1890-1891
Verwesungspflanzen
3 Wörter, 38 Zeichen
Verwesungspflanzen,
s. Humuspflanzen.
(Saprophyten, Fäulnis-, Verwesungspflanzen), von verwesenden Stoffen des Erdbodens lebende Gewächse, die jedoch nicht wie die Parasiten oder Schmarotzerpflanzen [* 3] (s. d.) eine schmarotzende Lebensweise führen. Sie zerfallen in die beiden Gruppen der bleichen, chlorophyll- und laubblattlosen echten Humuspflanzen (Holosaprophyten) und der grünen Verwesungspflanzen (Hemisaprophyten). Von erstern sind etwa 160 Arten aus 43 Gattungen der Orchideen, [* 4] Burmanniaceen, Triuriaceen, Monotropeen und Gentianeen bekannt.
Vorwiegend verbreitet sind die Humuspflanzen in feuchtheißen, dunkeln Urwäldern der amerikanischen und asiatischen Tropenländer (so besonders die Burmanniaceen und Triuriaceen), spärlich dagegen in Afrika [* 5] und Australien; [* 6] in den nördlichen Ländern leben nur saprophytische Orchideen und Monotropeen, letztere der Mehrzahl nach in Nordamerika. [* 7] In den Waldungen des Malaiischen Archipels, Westindiens und des äquatorialen Südamerika [* 8] finden sich die Humuspflanzen in solcher Menge, daß sie als Vertreter der Schwämme [* 9] erscheinen, welche daselbst nur spärlich entwickelt sind.
Einen sonderbaren Standort hat sich eine Sciaphila am Rio Negro [* 10] auf Termitenhaufen gewählt. Als einheimische Vertreter der Humuspflanzen, die ebenfalls im tiefsten Waldesdunkel wachsen, sind die mit vogelnestähnlichem Wurzelgewirr ausgestattete, lichtbraun gefärbte Nestwurz (Neottia Nidus avis), die durch ein korallenstockähnliches Rhizom [* 11] ausgezeichnete, blaßgrünliche Korallenwurz (Corallorhiza innata), das im Moder des Fichtenwaldes mit korallenartigem Wurzelstock und fadenförmigen, am Ende knollenartig anschwellenden Ausläufern wachsende Ohnblatt (Epipogon aphyllum), dessen große Blüten einen starken Duft verbreiten, sowie endlich der bleichgelbe, mit Schuppenblättern besetzte, oben eine nickende Blütentraube tragende Fichtenspargel (Monotropa Hypopitys) zu nennen. Mit Ausnahme letzterer Pflanze enthalten alle diese Gewächse nach den Untersuchungen von Wiesner Spuren von Chlorophyll, oder letzteres wird, wie bei Neottia, durch einen andern Farbstoff verdeckt, so daß also ihre Abstammung von chlorophyllhaltigen Formen kaum zweifelhaft erscheinen kann.
Unter den chlorophyllführenden Pflanzen mit ausgebildeten grünen Laubblättern ist neuerdings der Wachtelweizen (Melampyrum pratense) als wahre Humuspflanze erkannt worden, wodurch insofern ein merkwürdiger Übergang zu den Schmarotzerpflanzen hergestellt wird, als die genannte Pflanze in Zersetzung begriffene Pflanzenteile, wie abgestorbene Baumwurzeln, vermoderte Blattteile und Moosstämmchen, mit zangenartig gestalteten Saugorganen (Haustorien) umklammert und Nährstoffe damit aufsaugt.
Die mit Melampyrum nahe verwandten Klappertopfarten (Rhinanthus) leben nach Koch als echte Wurzelparasiten, sind jedoch im stande, vorübergehend auch saprophytische Ernährung anzunehmen, indem sie mit ihren Haustorien gelegentlich, und zwar gegen das Ende der Vegetationsperiode häufiger, abgestorbene Gewebereste statt lebender Wurzeln ergreifen. Kerner v. Marilaun vermutet, daß auch eine große Zahl von Blattgrünpflanzen humusreicher Wiesen, ferner die Bewohner des schwarzen, graphitartigen Bodens in Mulden des Hochgebirges und eine Reihe von Moorpflanzen, die sich sämtlich schwer oder gar nicht kultivieren lassen, sich direkt von organischen Stoffen zu ernähren vermögen.
Bei allen echten Humuspflanzen fehlen die entwickelten Laubblätter, an deren Stelle kleine Schuppen auftreten. Ihre oberirdischen Teile sind häufig auffallend (gelb, violett, bläulich etc.) gefärbt, was nach Johow den Zweck erhöhter Augenfälligkeit des Blütenschauapparats haben soll. Der oberirdische Stengel [* 12] ist fast immer sehr einfach, jedoch gibt es auch einige kletternde und starkverzweigte Humuspflanzen in Australien und Java. Die unterirdischen Teile bestehen entweder aus zahlreichen cylindrischen Wurzeln (Monotropa) oder aus Rhizomen, deren Wurzeln mehr oder weniger verkümmert sind und auch fehlen können (wie bei der einheimischen Corallorhiza und bei Epipogum).
Die Wurzelstöcke sind einfach, ungeteilt und knollenförmig oder verzweigt oder haben die gewöhnliche Cylindergestalt; besonders charakteristisch erscheint der korallenförmige oder vogelnestartige Typus derselben. Die Wurzelhaare fehlen in den meisten Fällen, die Wurzelrinde ist dagegen mächtig entwickelt. In den Rhizomrindenzellen der meisten Humuspflanzen sind Wucherungen von Wurzelpilzen schon seit den Zeiten Schleidens und Schachts bekannt; auch die Wurzeln von Monotropa sind mit einem ektotrophischen Pilzmantel umgeben (s. den Art. Mycorhiza, Bd. 17). Den Pilzen kommt hierbei nach Frank die Aufgabe zu, die Erschließung des Humusstickstoffs zu bewirken, was die phanerogame Pflanze an sich nicht zu leisten vermag.
An den Blättern und Stengelteilen der echten Humuspflanzen fehlen dem entsprechend auch die Spaltöffnungen; merkwürdigerweise finden sich dieselben aber an den Rhizomen von Epipogon und an den grünen Blattpartien von Limodorum abortivum, während die rotgefärbten, übrigen Teile dieser Orchidee die genannten Organe entbehren. Das Fehlen derselben wird durch den Mangel an Assimilationsparenchym bedingt und beweist die Unfähigkeit solcher Pflanzen, die Kohlensäure der Luft unter Lichteinfluß zu zersetzen. Das mechanische, der Festigung dienende System des Stengels ist bei mehreren Arten (z. B. Voyria tenella, Gymnosiphon tenellus) ganz außerordentlich schwach entwickelt. Sämtliche bekannte Humuspflanzen besitzen, ähnlich wie die Schmarotzerpflanzen, sehr kleine, ungegliederte Embryonen, eine Erscheinung, die wohl als Rückbildung aufzufassen ist. Die Triuriacee Sciaphila ¶
hat, wie auch die Burmanniaceen, Samen [* 14] mit Endosperm; die Gentianee Voyria ist durch völlig nackte, d. h. integumentlose, Samenknospen ausgezeichnet, weshalb die Samenschale sich bei ihr aus dem Knospenkern (Nucellus) bilden muß; auch haben die Samenknospen den Bau eines anatropen Ovulum ohne die sonst eintretende Wachstumskrümmung eines solchen, eine Eigentümlichkeit, die bisher nur von der parasitischen Balanophora bekannt ist.
Vgl. Koch, Über die direkte Ausnutzung vegetabilischer Reste durch bestimmte, chlorophyllhaltige Pflanzen (in: »Berichte der Deutschen botanischen Gesellsch.«, Bd. 5, 1887);
Derselbe, Zur Entwickelungsgeschichte [* 15] der Rhinanthaceen (Pringsheims Jahrbücher, Bd. 20, 1888);
Johow, Die chlorophyllfreien Humuspflanzen Westindiens (das., Bd. 16, 1885);
Derselbe, »Die chlorophyllfreien Humuspflanzen nach ihren biologischen und anatomisch-entwickelungsgeschichtlichen Verhältnissen« (das., Bd. 20,1889).