Versöhnung
,
die Wiederherstellung eines freundlichen Verhältnisses zwischen Feinden, in der
Dogmatik die Wiederherstellung
des durch die
Sünde aufgelösten religiösen Verhältnisses. Dabei wird unterschieden zwischen der Versöhnung
der
Menschen, die Gott feindlich gestimmt waren, mit ihm (reconciliatio) und der Versöhnung
des durch die
Sünde der
Menschen beleidigten
Gottes selbst (expiatio). Erst in letzterer
Vorstellung gipfelt die rechtgläubige
Lehre,
[* 2] wonach Gott, um den
Menschen unter
der
Bedingung des
Glaubens und der
Buße zu verzeihen, die
Sünde an dem Gottmenschen
Christus bestrafte,
welcher kraft seiner stellvertretenden
Genugthuung (satisfactio vicaria) der göttlichen
Gerechtigkeit an unsrer Statt Genüge
leistete, so daß unsre
Sünde ihm, sein
Verdienst uns zugerechnet wird (imputatio).
Schon
Paulus stellt die
Lehre von der in
den
Mittelpunkt seines
Systems
¶
mehr
(s. Christologie, S. 98). Aber ihre formelle Vollendung erfuhr dieselbe erst durch Anselm von Canterbury, der die Majestät Gottes als durch die Sünde beleidigt darstellte und aus der Notwendigkeit eines Gott für seine angegriffene Ehre zu erstattenden Äquivalents den Begriff einer vom Gottmenschen zu leistenden Genugthuung herleitete. Denn die Kräfte aller gewöhnlichen, zumal in Sünden gefallenen, Menschen reichen hierfür nicht aus, und doch mußte ein Mensch Genugthuung leisten, während die Unendlichkeit der Schuld direkt auf den unendlichen Gott in Bezug auf ihre Sühnung zurückweist.
Nur die freiwillige Dahingabe des sündlosen Lebens des Gottmenschen erschien dem Gewicht aller Sünden gegenüber als
ein ausreichendes, ja mehr als ausreichendes Gegengewicht. Diese Lehre hielten auch die Reformatoren fest und erklärten sich
namentlich entschieden gegen die Sühnung der göttlichen Gerechtigkeit durch sogen. gute Werke. Die lutherischen Theologen
des 17. Jahrh. betonten fast nur noch die juridische Seite der Versöhnung
und fanden
die von Christus geleistete Genugthuung in dessen thätigem und leidendem Gehorsam (Gesetzeserfüllung und
Erduldung der Sündenstrafe), während die Socinianer und Rationalisten die ethische Seite in den Vordergrund stellten und
die neuere Philosophie einen spekulativen Gehalt in die harte Schale auch dieses Dogmas zu legen wußte.
Vgl. Baur, Die christliche
Lehre von der Versöhnung
(Tübing. 1838);
Ritschl, Die christliche Lehre von der Rechtfertigung und Versöhnung
(3. Aufl.,
Bonn
[* 4] 1888-89, 3 Bde.);
Kreibig, Die Versöhnung
slehre (Berl. 1878).