Verne
(spr. wern), Jules, franz. Schriftsteller, geb. zu Nantes, studierte in Paris die Rechte, muß sich aber schon früh auch den Naturwissenschaften zugewandt haben; denn gleich sein erster Roman, der die Reihe jener originellen, eine völlig neue Gattung begründenden Produkte Vernes eröffnete: »Cinq semaines en ballon« (1863),
zeugt von jenem Studium. Der Erfolg, dessen sich diese Schöpfung erfreute, bestimmte ihn, die dramatische Laufbahn, mit der er sich bereits durch mehrere »Comédies« und Operntexte vertraut gemacht hatte, zu verlassen und sich ausschließlich dem phantastisch-naturwissenschaftlichen Roman zu widmen. In der That ist diese scheinbar sich widersprechende Bezeichnung die richtige. Denn die ganze Masse von Romanen, welche die stupende Fruchtbarkeit des Schriftstellers nacheinander zu Tage förderte, beruht auf der Ausbeutung und Verwertung naturwissenschaftlicher Thatsachen und Probleme zu romantisch-phantastischen Zwecken, die mit ebensolchen Mitteln erreicht werden. Verne führt seine Leser auf den abenteuerlichsten, stets aber physikalisch motivierten Fahrten nach dem Mond, um den Mond, nach dem Mittelpunkt der Erde, »20,000 Meilen« unter das Meer, auf das Eis des Nordens und den Schnee des Montblanc, durch die Sonnenwelt etc., und man kann nicht leugnen, daß er es versteht, die ernste Lehre, wenigstens die große Fülle seiner realen Kenntnisse, mit dem Faden der poetischen Fiktion geschickt zu verweben und dem unkundigen Leser eine gewisse Anschauung von naturwissenschaftlichen Dingen und Fragen spielend beizubringen.
Wir nennen hier noch seine »Aventures du capitaine Hatteras« (1867),
»Les enfants du capitaine Grant«, »L'île mysterieuse«, »La découverte de la terre« (1870),
»Voyage autour du monde en 80 jours« (1872),
»Le docteur Ox« (1874),
»Le chancellor«, »Un hivernage dans les glâces«, »Michel Strogoff (Moscou, Ircoutsk)«, »Un capitaine de 15 ans«, »Les Indes noires« (1875),
»La maison à vapeur«, »Mathias Sandorf« (1887) etc., alle bereits in vielen Ausgaben erschienen und von der Lesewelt verschlungen, auch meist ins Deutsche übersetzt und in Form von Ausstattungsstücken mit nicht geringem Erfolg auf die Bühne gebracht (vgl. »Les voyages au théâtre« von Verne und A. Dennery). Von einer soliden und ernsten Kunst, von Stilgesetzen, von epischer Entwickelung, von Psychologie und Charakteristik kann natürlich nach der ganzen Tendenz dieser Massenproduktion, welche den Verfasser zu einem reichen Mann gemacht hat, nicht entfernt die Rede sein. Die »Œuvres complètes« Vernes erschienen 1878 in 34 Bänden (illustrierte Ausg. 15 Bde.).
Vgl. Honegger, Jules Verne, eine litterarische Studie (in »Unsere Zeit« 1875, 1. Hälfte).