Vermehrung
der
Pflanzen,
Bildung neuer Pflanzen
individuen durch
Ablösung fortwachsender
vegetativer
Organe vom
Körper
einer
Pflanze, im
Gegensatz zur
Reproduktion durch
Samen.
[* 2] Voraussetzung ist dabei, daß die abgelösten
Organe schon
Wurzeln besitzen
oder
in der
Erde schnell Adventivwurzeln entwickeln. Am leichtesten sind krautartige
Pflanzen mit verzweigten
Rhizomen zu vermehren,
indem hier jedes mit einer
Knospe versehene Rhizomstück, wenn es von dem Hauptstock getrennt worden ist,
selbständig weiter zu vegetieren vermag
(Quecke).
Dasselbe gilt von Kräutern, welche
Ausläufer treiben, die in einer gewissen
Entfernung
Wurzel
[* 3] schlagen und eine
Knospe für
einen neuen
Stock entwickeln
(Erdbeere). Hierher gehört auch die Vermehrung
durch
Absenker und
Stecklinge.
Manche
Pflanzen besitzen eigentümliche
Organe, welche sich von selbst von der
Pflanze trennen, um sich zu einer neuen
Pflanze zu entwickeln.
Diese Vermehrungs-
oder
Brutorgane werden von manchen
Pflanzen besonders
häufig, ja oft regelmäßig gebildet und können
dann die fehlende oder
doch nicht zur Samenbildung führende
Reproduktion ersetzen.
Als Brutorgane finden sich bei manchen
Moosen sogen.
Brutzellen, einzelne runde, sich isolierende
Zellen,
welche in
Menge an den Blattspitzen gebildet werden, bei andern
Brutknospen als kleine, grüne, vielzellige Körperchen, welche
in besondern Brutknospenbehältern entstehen, und aus denen sehr leicht neue Moospflänzchen sich entwickeln. Eigentliche
knospenartige
Bildungen kommen bei höhern
Pflanzen nicht selten als Vermehrung
sorgane vor, z. B. die
Knospenknöllchen,
die sich in den Blattachseln von
Ranunculus
Ficaria regelmäßig entwickeln und diese sehr selten
Samen tragende
Pflanze stark
vermehren; ferner die fleischigen Knospenzwiebelchen
(bulbilli), welche bei
Lilium bulbiferum und Dentaria bulbifera in den
obern Blattachseln, im
Blütenstand
[* 4] mancher
Allium-Arten zwischen den
Blüten oder bei den sogen. lebendig
gebärenden
Pflanzen, z. B. bei manchen
Gräsern, bei
Polygonum viviparum etc., an
Stelle der
Blüten entstehen, und welche, auf
den
Boden gelangt, leicht
Wurzel schlagen und zu neuen
Pflanzen werden. Bei vielen
Zwiebelgewächsen bildet die Mutterzwiebel
Seitenknospen, die wieder als
Zwiebeln sich ausbilden, sogen. Brutzwiebeln
, die, wenn sie eine gewisse
Größe erreicht haben, sich ablösen und neuen
Pflanzen das Dasein geben können. Bei
Pflanzen, welche unterirdische, mit vielen
Knospen
[* 5] versehene
Knollen
[* 6]
¶
mehr
besitzen (Topinambur, Kartoffeln), geschieht die Vermehrung
durch diese Organe; jeder mit einem Auge
[* 8] versehene Knollenabschnitt
kann eine neue Pflanze erzeugen, indem an der Knospe sich Wurzeln entwickeln und die Knospe selbst zu einem Trieb emporwächst.
Manche Pflanzen bilden Vermehrung
sorgane nur unter bestimmten, ungewöhnlichen Umständen, wie Bryophyllum calicinum, dessen
Blätter, auf feuchte Erde gelegt, in den Kerben des Randes Brutknospen erzeugen. In ähnlicher Weise lassen
sich auch die Blätter der Begonien, Gesnerien, Gloxinien u. a. zur Vermehrung
benutzen.
Auch auf den Wurzelblättern unsrer Cardamine pratensis entstehen, wenn dieselben nach Verschwinden der Pflanze auf feuchtem
Boden zurückbleiben, Knöspchen, die zu jungen Pflanzen heranwachsen. Bei Pflanzen von sehr einfachem Bau
kann die ganze Vegetation mit Vermehrung
innig verknüpft sein, indem jedes neugebildete Element des Körpers sich sogleich
wieder als neues Individuum ablöst; so bei der Vermehrung
durch Teilung, wie bei den niedersten Pilzen und Algen
[* 9] (s. d.). Hierher
gehört auch die Sprossung, bei welcher jeder als Ast getriebene Fortsatz sich alsbald abtrennt und die
Vegetation in derselben Weise fortsetzt (Hefe,
[* 10] Wasserlinse).
In der Gärtnerei unterscheidet man eine Vermehrung
auf natürlichem Weg durch Samen und Teilung und eine künstliche durch
Ableger, Schnittlinge, Stecklinge und durch Veredelung. Die Anzucht aus Samen ist die allgemeine, nach der Natur
der Pflanzen aber sehr verschieden. Während die tropische Pflanze zum Keimen ein Warmbeet, die Wasserpflanze warmes Wasser, die
Farne
[* 11] feuchte Torfstücke oder Steine nötig haben, erfordern die Pflanzen des Nordens und der Alpen
[* 12] Schnee
[* 13] und kühle Plätze.
Samenpflanzen
werden meist größer und dauerhafter, blühen aber oft spät und wenig; auch ist die Samenzucht
nicht ausführbar bei Spielarten und Formen, welche sich nicht unverändert wieder erzeugen. Durch Teilung werden teilbare Stauden
(perennierende Gewächse) sowie die Wurzeltriebe bildenden Holzarten vermehrt. Vermittelst Stecklinge etc. vermehrt man die
nicht aus Samen sich rein fortpflanzenden
Sorten sowie gewisse Pflanzen, welche so schneller zu ziehen sind
und früher blühbar, auch fruchtbarer werden. Dies gilt auch von der Veredelung durch Pfropfen,
[* 14] Schäften, Kopulieren, Okulieren
[* 15] etc. Große Gärtnereien haben besondere Vermehrung
shäuser und Kasten sowie geübte Vermehrer.
Vgl. Neumann, Die Kunst der Pflanzen
vermehrung
(4. Aufl., Weim. 1877).