(Val Tellina), das Thal der obern Adda bis zu deren Einfluß in den Comersee, im weitern Sinn
die ganze Landschaft der Lombardei zwischen den Bernina- und Bergamasker Alpen mit Einschluß von Chiavenna und Bormio umfassend
und der gegenwärtigen italienischen Provinz Sondrio (s. d.) entsprechend, hat üppige Vegetation, ausgezeichneten Weinbau,
Seiden- und Viehzucht, ist aber im untern Teil der Versumpfung ausgesetzt. Die Bewohner, 120,000 Seelen,
sprechen einen eigentümlichen, dem Romanischen verwandten italienischen Dialekt. - Die drei Landschaften Chiavenna, Val Tellina
und Bormio machten im Mittelalter einen Teil der Lombardei aus und fielen dann unter die Herrschaft der Herzöge von Mailand. 1512 wurden
sie von Graubünden
erobert und vom Herzog Maximilian Sforza an dieses abgetreten, das sie als Unterthanenland verwaltete.
Zu Anfang des 17. Jahrh. nahmen die Spanier und Franzosen das Land abwechselnd in Besitz.
Das Streben der Veltliner, dem Kanton Graubünden
völlig einverleibt zu werden und so mit ihm gleiche Rechte zu gewinnen, ward von diesem
beharrlich zurückgewiesen, so daß endlich 1620 die Veltliner den Graubündnern den Gehorsam aufkündigten, 19. Juni die Evangelischen
ermordeten (Veltliner Mord) und eine eigne Regierung errichteten, was zu einem der blutigsten innern Kriege Veranlassung gab
(Veltliner Krieg). Graubünden
behielt 1627 die Oberhand, und 1630 ward dasselbe durch den Vertrag von Regensburg von
Frankreich und Österreich im Besitz des Veltlin anerkannt. Die Graubündner setzten tyrannische Vögte ein, die das Land zwei Jahrhunderte
hindurch völlig knechteten und demoralisierten. 1797 schickten die Veltliner Gesandte an Bonaparte, der nun 10. Okt. 1797 das
Land der Cisalpinischen Republik einverleibte. Seit 1804 bildete es als Departement Adda einen Teil des Königreichs
Italien, seit 1814 aber als Delegation Sondrio einen Teil des Lombardisch-Venezianischen Königreichs.
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1859 fiel es mit der Lombardei an das Königreich Sardinien und bildet jetzt die italienische Provinz Sondrio.
Vgl. Leonhardi,
Das Veltlin (Leipz. 1860);
Romegialli, Storia della Valtellina (Sondrio 1834);
Zwiedineck-Südenhorst, Die Politik der Republik Venedig,
Bd. 2: »Die Befreiung des Veltlin« (Stuttg. 1885);
Wiezel, Veltliner Krieg (hrsg. von Hartmann, Straßb. 1887).
(ital. Val Tellina oder Teglino), im weitern Sinne das obere Thal der Adda in der ital. Provinz
Sondrio vom Stilffer Joch bis zum Comer
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See, im engern die 90 km lange untere Stufe, die von der Landschaft Bormio durch den Engpaß Serra di Morignone getrennt wird.
Das eigentliche Veltlin ist ein üppiges, nach Westen geöffnetes Thal zwischen den Bernina- und den Bergamasker Alpen, deren Abhänge
bis hoch hinauf mit Nadelwäldern und Almweiden bekleidet sind. Die Vorhügel sind ungemein fruchtbar
und liefern auf der rechten Thalseite hoch geschätzte Rotweine (Sassella, Inferno, Grumello u. s. w.);
der Thalgrund, im untersten Teile sumpfig, wird in dem obern von Obstgärten, Mais- und Kornfeldern eingenommen.
Malerische Nebenthäler, Val Malenco, Val Masino u. s. w., öffnen sich zu beiden Seiten. Außer Wein gelangen auch
Vieh, Honig, Rohseide und Holz zur Ausfuhr. Die wichtigsten Ortschaften sind außer Sondrio das Städtchen Tirano (s. d.) am
Eingang des Poschiavo (s. d.), Teglio, nach dem das Thal benannt ist, Morbegno (260 m, 3400 E.) mit schöner Kirche, mehrern
ehemaligen Klöstern und einem alten Palast der Malacrida und Grossotto, Grosotto, oberhalb Tirano mit 1998 E.
Die Hauptverkehrslinie ist die Bahn Colico-Sondrio und die große Straße des Addathals, Sondrio-Bormio.
Im Mittelalter machte das Veltlin, wie Bormio und Cbiavenna, einen Teil der Lombardei aus, fiel an das Herzogtum Mailand und wurde 1512 an
Graubünden
abgetreten. Am 19. Juni 1620 versuchten die Katholiken des Veltlin sich durch Ermordung der Beamten und aller
Reformierten von der Herrschaft der Bünde frei zu machen (Veltliner Mord). Nach mannigfachen Wechseln im Dreißigjährigen
Krieg gelang es aber den Bündnern, mit Hilfe Spaniens und Österreichs sich im Besitz der Thäler zu behaupten. 1797 sagte sich
das Veltlin von Graubünden
los und wurde von Bonaparte der Cisalpinischen Republik einverleibt. 1814 kam das an das Lombardisch-Venetianische
Königreich unter österr. Herrschaft, 1859 an Italien. -
Vgl. Romegialli, Storia della Valtellina (Sondrio 1834);
Leonhardi,
Das Veltlin (Lpz. 1860);
Tschudi, Graubünden
und Veltlin (St. Gallen 1871);
Guida alla Valtelina (Mail. 1873);
Zwiedineck-Südenhorst, Die Politik
der Republik Venedig, Bd. 2 (Stuttg. 1885);
Wiezel, Veltliner Krieg (Straßb. 1887).