(Choreasancti Viti, C. minor), eine Nervenaffektion, welche durch das Auftreten fortwährender unzweckmäßiger
Zuckungen von Muskelgruppen charakterisiert ist; diese Zuckungen treten entweder selbständig auf, oder
sie sind bei beabsichtigten
Bewegungen in Form sogen. Mitbewegungen vorhanden. Das
Bewußtsein ist nicht beeinträchtigt, doch
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Meist beginnt die Krankheit sehr allmählich und wird längere Zeit hindurch gar nicht bemerkt. Höchstens fällt es auf,
daß das kranke Kind manche Dinge zerbricht und aus der Hand
[* 5] fallen läßt, daß es nicht stillsitzt etc.
Die Muskelunruhe wird allmählich auffallender, die Ungeschicklichkeiten häufen sich und werden gröber, das Kind zeigt fast
fortwährend grimassenhafte Verzerrungen des Gesichts. Beim ausgebildeten Veitstanz folgen sich die verschiedensten Bewegungen des
Gesichts, des Kopfes, der Arme und Beine, des Rumpfes in der mannigfachsten und oft barocksten Weise.
Bei den höhern Graden des Veitstanzes vermögen die Kranken nicht ruhig auf dem Stuhl zu sitzen. Auch das Sprechen wird undeutlich.
Feinere Beschäftigungen mit den Händen sind selbst in leichtern Fällen unausführbar. Die krankhafte Beweglichkeit wächst
an Heftigkeit und Ausdehnung,
[* 6] wenn die Kranken auf sich achten, und noch mehr, wenn sie sich beobachtet
wissen. Die Kranken schlafen wegen der fortwährend bestehenden Bewegungen schwer ein; gelingt es ihnen aber endlich, einzuschlafen,
so hört die Muskelunruhe auf.
Der Verlauf des Veitstanzes ist chronisch. Selten endet die Krankheitvor der sechsten oder achten Woche, häufig zieht sie
sich 3-4 Monate lang hin. In ganz einzelnen Fällen wird sie habituell und dauert durch das ganze Leben.
Der bei weitem häufigste Ausgang der Krankheit ist der in Genesung. Die Behandlung des Veitstanzes hat wesentlich für Herstellung
von Ruhe, Schlaf und gutem Allgemeinbefinden zu sorgen. Sind Würmer im Darmkanal vorhanden, so mag man diese vorher durch
Santonin u. dgl. entfernen. Gegen schwerere
Formen des Veitstanzes ist der Gebrauch von Arsenik und Bromkalium, kalte Abreibungen, gymnastische Bewegungen und Elektrizität
[* 7] als in vielen Fällen sehr wirksam empfohlen.
(Chorea Sancti Viti, so genannt, weil der heil. Vitus [Veit] dagegen als Helfer angerufen wurde), eine Krampfform,
die bei vollem Bewußtsein und bei völliger Ungestörtheit der geistigen Funktionen auftritt und entweder
in selbständigen unwillkürlichen Bewegungen besteht, oder in unwillkürlichen, welche die gewollten begleiten und diese
stören. Die krampfhaften Bewegungen sind außerdem derart, daß sie das Ansehen des Beabsichtigten besitzen.
Die Krankheit beginnt meist allmählich und macht sich dadurch bemerklich, daß die Bewegungen anders ausfallen,
als sie beabsichtigt waren; sie erscheinen oft anfangs wie Unarten und Ungeschicklichkeiten. Später treten die Bewegungen
häufiger ein und werden in ihrer Unnatürlichkeit auffälliger. Die Kranken schneiden die mannigfaltigsten Grimassen, drehen
den Kopf und den Rumpf, zucken mit den Schultern, werfen die Arme, verschütten beim Essen
[* 8] und Trinken,
und auch die Beine führen scheinbar zweckmäßige Bewegungen aus, wenn auch mit geringerer Heftigkeit.
Feinere Beschäftigungen mit den Händen sind ganz unmöglich; auch die Sprache
[* 9] wird oft merklich gestört. Sehr häufig ist
vorzugsweise nur die eine Körperhälfte (namentlich oft die linke) von der sonderbaren Muskelunruhe befallen (Hemichorea).
Im Bett
[* 10] werden die Kranken umhergeworfen und schlafen wegen der dauernden Unruhe nur schwer ein, liegen
aber im Schlafe meist ruhig. Meist ist auch das psychische Verhalten alteriert; die Kranken sind übel gelaunt, reizbar, lachen
und weinen leicht ohne Veranlassung u.dgl.
Jede psychische Erregung steigert übrigens die choreatischen Bewegungen. Bei langer Dauer und großer
Heftigkeit der Krämpfe nimmt die psychische Verstimmung zu; eigentliche Geistesstörung tritt aber selten auf. Das Atmen, das
Schlucken und die Ausleerungen bleiben von der Krankheit unberührt. Die Krankheit tritt in den verschiedensten Graden auf, häufig
in leichten Formen (kleiner Veitstanz), selten in sehr schweren (großer Veitstanz). IhreDauer beträgt in der Regel 3 bis 4 Monate
und erstreckt sich nur in
ganz seltenen Fällen, in schwächerer Weise, über das ganze Leben.
Ein tödlicher Ausgang tritt nur ausnahmsweise ein, in den allermeisten Fällen erfolgt völlige Genesung. Rückfalle sind
nicht selten, pflegen aber bei zweckmäßigem Verhalten gleichfalls gut abzuheilen. Der Veitstanz ist
vorzugsweise eine Krankheit des jugendlichen Alters, am häufigsten tritt er bei Kindern zwischen 5 und 15 Jahren auf und befällt
Mädchen etwas häufiger als Knaben. Hinsichtlich der Behandlung ist eine absolute körperliche und geistige Schonung, insbesondere
die Unterbrechung des Schulbesuchs, durchaus erforderlich; außerdem werden methodische kalte Abreibungen, roborierende Diät
und Bekämpfung der Muskelunruhe durch Elektricität und Massage, in schweren Füllen der Gebrauch von Arsen, Antipyrin und
Bromkalium empfohlen.